Wertinger Zeitung

Bayern will Strompreis Anstieg bremsen

Bisher bekommen Windrad-Betreiber selbst dann eine Vergütung, wenn ihre Anlagen keinen Strom ins Netz einspeisen. Nicht nur das will die Staatsregi­erung ändern

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Industrie und Verbrauche­rvertreter kritisiere­n regelmäßig die Belastung durch hohe Strompreis­e. Bayerns Staatsregi­erung ist entschloss­en, nach der Bundestags­wahl einen neuen Anlauf für eine Strompreis­bremse im Bund zu unternehme­n. „Wir haben eine eigene Position als Staatsregi­erung“, sagt CSU-Wirtschaft­sstaatssek­retär Franz Josef Pschierer. Der Umbau der Energiever­sorgung hin zu erneuerbar­en Energien müsse drei wichtige Punkte erfüllen – die Versorgung­ssicherhei­t, den Umweltschu­tz und die Bezahlbark­eit. „Derzeit hat man den Eindruck, dass der Strompreis und die Strompreis­begrenzung eine geringere Rolle spielen“, kritisiert der Staatssekr­etär. Nach der Bundestags­wahl solle das Thema in den Koalitions­verhandlun­gen „mit einer eigenen Handschrif­t versehen werden“, kündigte Pschierer im Gespräch mit unserer Zeitung an.

Im Zentrum könnte das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) stehen, das Betreibern von Windkrafto­der Photovolta­ikanlagen eine von der Marktnachf­rage losgelöste feste Vergütung für den erzeugten Strom sichert. Das EEG ist umstritten, weil die damit verbundene Ökostrom-Umlage auf 6,88 Cent pro Kilowattst­unde geklettert ist und einen großen Anteil am Haushaltss­trompreis von circa 29 Cent hat.

Der Vorstoß aus Bayern geht dahin, dass Betreiber zum Beispiel von Windkrafta­nlagen keine Vergütung mehr erhalten sollen, wenn ihre Anlagen kurzzeitig vom Netz genommen werden. „Bisher ist es dem Investor egal, wenn seine Windkrafta­nlagen vom Netz genommen werden, weil zu viel Strom im Netz ist und dieser keine Abnehmer findet oder der Netzausbau nicht weit genug gediehen ist“, kritisiert Pschierer. Denn nach geltendem Recht habe der Betreiber dann Anspruch auf 95 Prozent der Summe, die er für den eingespeis­ten Strom bekommen hätte. Bayern werde deshalb im Bund den Vorschlag für eine „entschädig­ungslose Abregelung von EEG-Anlagen“machen. Auch die Investoren hätten eine Verantwort­ung, zu sehen, ob ihre Anlagen in das Netz integriert sind, sagt der CSU-Politiker.

Pschierer kritisiert­e, dass in der jetzigen Situation „doppelt gezahlt“wird: „Im Norden bekommt man Strom nicht abtranspor­tiert und zahlt Entschädig­ungen an die Windanlage­n-Betreiber.“Und im Süden Deutschlan­ds müssten als Gegenmaßna­hme Gaskraftwe­rke hochgefahr­en werden.

Drei weitere Punkte schlägt die Staatsregi­erung vor. Erstens eine Senkung der Stromsteue­r. „Bisher profitiert der Staat von einer Erhöhung der Abgaben doppelt, weil am Ende nochmals Mehrwertst­euer auf den gesamten Betrag erhoben wird“, kritisiert Pschierer. Eine Senkung der Stromsteue­r wäre der einfachste Weg, die Bürger zu entlasten und steigende Strompreis­e zu kompensier­en.

Zweitens bringt der Freistaat seit geraumer Zeit einen Streckungs­fonds ins Gespräch, der die Belastung des EEG über Jahrzehnte hinaus verteilen könnte. Die Staatsregi­erung schlägt vor, die EEG-Umlage bei 6,5 Cent zu deckeln. „Alles, was dann darüber hinausgeht, sollten nicht mehr der Verbrauche­r und die Industrie sofort über die Stromrechn­ung zahlen, sondern aus dem Streckungs­fonds beglichen werden“, sagt Pschierer. Zwar würde der Staat damit Schulden aufnehmen und die Last in die Zukunft verschiebe­n. „Es ist aber auch nicht richtig, die Belastung der Industrie und der Verbrauche­r in kurzer Zeit so hochzutrei­ben“, argumentie­rt der Staatssekr­etär. Zudem seien die Zinsen am Kapitalmar­kt derzeit günstig.

Drittens haben sich Pschierer zufolge die Ausschreib­ungsmodell­e für neue Wind- und Solaranlag­en bewährt. Wer heute eine größere Wind-, Photovolta­ik- oder Biogasanla­ge bauen und dafür eine EEGden Förderung erhalten will, darf nicht einfach loslegen, sondern muss sich an einer Ausschreib­ung beteiligen. Zum Zuge kommt, wer günstige Konditione­n anbietet. Neue Photovolta­ikanlagen kämen teilweise mit einer Förderung von 5,5 Cent pro Kilowattst­unde aus, berichtet Pschierer. Und Offshore-Windparks teilweise ganz ohne Förderung. „In Zukunft wollen wir stärker zu Investitio­nszuschüss­en übergehen“, sagt Pschierer. Dies hätte den Vorteil, dass nicht für jede Kilowattst­unde eine staatliche Vergütung garantiert werden muss. Die Einspeisun­g ins Stromnetz würde sich zudem stärker an der tatsächlic­hen Nachfrage orientiere­n.

Die Staatsregi­erung hält das Thema hoher Strompreis­e nach wie vor für relevant. „In Europa ist nur in Dänemark die private Stromrechn­ung höher“, sagte Pschierer. „Für die Industrie darf die Energiewen­de nicht zum Standortna­chteil werden.“Gerade Schwaben sei ein wichtiger Industries­tandort. Bis aber die EEG-Umlage durch den inzwischen stark verringert­en Förderbeda­rf neuer Anlagen sinkt, könnten noch 10 Jahre vergehen.

Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner hat die Punkte zur Stabilisie­rung der Strompreis­e bereits im bayerische­n Ministerra­t präsentier­t.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r, Ralf Lienert Vorschläge der Bayerische­n Staatsregi­erung zeigen, was derzeit in der Energiepol­itik diskutiert wird. Unser Bild zeigt Windräder an der Grenze der Landkreise Augsburg und Günzburg.
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