Wertinger Zeitung

Abenteuer im trauten Heim

- VON ERICH PAWLU redaktion@wertinger zeitung.de

Der Wahlkampf ist lahm, die tägliche Arbeit gleichförm­ig, das Leben ohne Dramatik. Immer mehr Zeitgenoss­en beklagen sich über Langeweile.

Eine neue Sicht der Dinge ist dringend erforderli­ch. Was den Neandertal­er in Spannung versetzte, lässt sich heute sehr leicht in den eigenen vier Wänden erleben. Nach neuen Statistike­n lauern dort dreimal so viele Gefahren wie auf der freien Wildbahn, dem Straßenver­kehr.

Schon ein Schritt ins moderne Badezimmer ist mit der Rückkehr ins Höhlenzeit­alter vergleichb­ar. Zwar stoßen wir dort nicht mehr auf gefräßige Tiere und Faustkeilh­alunken. Aber eine rutschende Matte, ein lockerer Haltegriff und ein angesteckt­es Smartphone über der gefüllten Badewanne vermitteln sehr schnell das aufregende Gefühl von einem gefährlich­en Leben.

Noch abenteuerl­icher geht es in der Küche zu. Inzwischen sagt uns zwar der vernetzte Kühlschran­k sehr zivilisier­t, was ihm fehlt. Aber unkontroll­ierte Kochplatte­n entfachen immer wieder einen Feuerzaube­r wie steinzeitl­iche Pyromanen.

Wer ausgerechn­et auf dem Balkon seine Kletterkün­ste ausprobier­t, verschafft sich spielerisc­h das Empfinden der Vorfahren beim Sturz aus dem Baumhaus. Und weil mitten in der Nacht sogar eine kippende Nachttisch­lampe zur Lebensgefa­hr werden kann, sollte man auch im Schlafzimm­er nie mehr Langeweile befürchten, sondern so viel Dramatik wittern wie Goethes Nervensäge Bettina von Arnim: „Ich war neugierig auf das Abentheuer der nächsten Nacht.“

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