Wo einst die Römer lebten
Kreisheimatpfleger Alois Sailer gibt eine historische Führung zum Thürlesberg in Unterthürheim. Hier hat auch der Autor von „Tristan und Isolde“gelebt
Unterthürheim Bei Nacht mussten die jungen Männer am Thürlesberg sehr gut auf sich aufpassen, wenn man der mittelalterlichen „Riedweibsage“Glauben schenkt. Denn das berüchtigte „Riedweib“zog jeden Jüngling, der sich des Nachts auf dem Thürlesberg umhertrieb in einen der zahlreichen Mäander, um ihn dort zu ertränken. Die gefürchtete Kreatur selbst sei auf diese Weise zu Tode gekommen und wolle sich nun bei den lebenden Männern rächen. Auch 1704 während der Schlacht bei Blindheim seien viele Reiter in die Tiefen der Sümpfe gezogen worden. Verantwortlich dafür soll natürlich das „Riedweib“gewesen sein.
Ob man diese Sagen glauben mag oder nicht – spannend sind die unheimlichen Legenden, die Alois Sailer rund um den Thürlesberg erzählt, auf jeden Fall. Vor allem, wenn man sich genau an der beschriebenen Kulisse befindet, wie die rund 60 Menschen, die um ihn herum stehen und interessiert zuhören. Eine weitere Legende handelt davon, dass sich Hexen während der Walpurgisnacht auf dem sogenannten „Himmelring“in der Nähe des Thürlesberg treffen sollen. Sailers Zuhörer sind jedoch an diesem warmen Sonntagnachmittag nicht nur nach Unterthürheim gekommen, um die furchteinflößenden Geschichten zu hören. Der Kreisheimatpfleger Alois Sailer hat im Rahmen der Kulturtage des Landkreises Dillingen zu einer historischen Führung rund um den Thürlesberg eingeladen.
Begonnen hat die geschichtliche Wanderung an der Kapelle Salzbeinbach in Unterthürheim. Hier berichtet Sailer, dass der Thürlesberg schon zur Zeit der alten Römer ein markanter Punkt war. Dort sei eine wichtige Handelsstraße von Mertingen nach Aislingen verlaufen, die Tag und Nacht bewacht worden sei. „Hier wurde vor allem Wein transportiert“, sagt er. In der Römerzeit habe der Thürlesberg auch ein Kastell und einen Wachturm beherbergt, von dem aus Feuerzeichen in das nächstgelegene Dorf gesendet worden seien, berichtet der Kreisheimatpfleger. Außerdem habe der Thürlesberg die römische Staatsgrenze markiert, die jedoch um 390 nach Christus von den Alemannen überschritten worden war. „Damit war die Römerzeit bei uns in der Region beendet“, sagt Sailer.
Im Mittelalter herrschte hier das Geschlecht der Herrn von Thürheim. Diese adelige Familie von Thürheim nutzte die Überreste des römischen Wachturms als eine Art Turmburg. Der bekannteste Spross dieser Familie war Ulrich von Thürheim. Das Werk „Tristan und Isolde“kennt wohl fast jeder, doch dass es von dem Minnesänger aus Unterthürheim stammt, ist nur wenigen bekannt. Dieser sei oft nach Augsburg und Paris gereist, sagt Sailer. „Das kann man an seiner Mundart und den vielen S-Lauten erkennen“, sagt der Kreisheimatpfleger. Der Minnesänger, der um 1190 geboren ist, habe oft von einem sogenannten „Ulrichs Minneland“geschrieben, das die Region südlich des Rieds beschreiben solle, sagt Sailer.
Von der Kapelle Salzbeinbach aus spaziert die Gruppe auf den Thürlesberg hinauf, genau an die Stelle, wo einst der Wachturm der Römer gestanden haben soll. Hier erzählt Alois Sailer lebhaft von verschiede- nen Sagen rund um den Thürlesberg, die seit dem Mittelalter entstanden sind. Danach trägt er ausdrucksstark die Gedichte „Föhn über dem Ried“und der „Trilogie“von Ulrich von Thürheim, die von dem blauen Himmel und dem Wolkenspiel über dem Thürlesberg handeln, vor. Als Alois Sailer den letzten Vers vorgelesen hat, klatschen alle begeistert Beifall. Damit endet seine zweistündige Führung.
Diese kam gut an bei den rund 60 Teilnehmern. Auch Ulrike Keiß aus Gottmannshofen hat dieser kurzweilige Ausflug gefallen. Sie kenne Alois Sailer und sei deshalb nach Unterthürheim gekommen: „Seine Vorträge sind immer sehr spannend“, sagt sie. Besonders gut habe ihr gefallen, dass die Führung im Freien stattgefunden habe. Außerdem kenne die gebürtige Augsburgerin nicht die Geschichte der näheren Umgebung und habe somit heute sehr viel Neues und Interessantes gelernt, sagt Keiß.
Das hat auch Jörg Deisenhofer aus Wertingen. Er sei geschichtlich sehr interessiert und habe deswegen gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn an der Führung teilgenommen. Ihm hat sie sehr gut gefallen: „Alois Sailer hält sehr gute, detaillierte Vorträge“, findet er.
Der Thürlesberg war schon den Römern wichtig Dillinger Kulturtage