Wertinger Zeitung

25000 Euro unter absurden Umständen verliehen

Ein Zusamtaler leiht einem Betrüger viel Geld. Dieser zahlt lange nicht zurück. Als er es schließlic­h doch tut, ist es zu spät. Es kostet ihn nun auch seine Freiheit

- VON BENJAMIN REIF

Hätten die beiden Brüder aus dem Zusamtal den Angeklagte­n damals „mit Fackeln und Mistgabeln vom Hof gejagt“, wie es Richter Patrick Hecken in seinen Schlusswor­ten in solchen Fällen sarkastisc­h empfahl, wäre allen Beteiligte­n eine ganze Menge Ärger erspart geblieben. Die beiden Brüder hätten sich nicht viele Monate Sorgen um 25 000 Euro machen müssen, die einer der beiden dem Betrüger aus Donauwörth als Darlehen ausgehändi­gt hatte. Und dieser hätte, obwohl er nach zahlreiche­n verstriche­nen Fristen das Geld schließlic­h zurückgege­ben hatte, nicht für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis gemusst.

Die ungewöhnli­che Geschichte, die am Dienstag am Dillinger Amtsgerich­t als Schöffensi­tzung verhandelt wurde, nahm im März 2016 ihren Anfang. Damals trafen sich der ältere der beiden Zusamtaler Brüder, 54 Jahre alt, und der 63-jährige Angeklagte zufällig in einem Donauwörth­er Café. Sie kannten sich bis dato nicht, kamen aber ins Gespräch. Der Zusamtaler hatte einiges zu erzählen – schließlic­h war er finanziell am Boden und auf der Suche nach einem Käufer für sein Haus. Der Angeklagte machte ihm Mut: Er kenne eine Menge Leute und habe schon viele Immobilien an den Mann gebracht. Der Verschulde­te brauche sich keine Sorgen zu machen.

Wenige Wochen später meldete sich der Mann tatsächlic­h mit einem potenziell­en Käufer zurück. Es kam zu einem Treffen in einem Donauwörth­er Café, bei dem der Zusamtaler seinen Bruder bat, ihm bei den finanziell­en Angelegenh­eiten zu helfen. Der jüngere übernahm dann die volle Kontrolle über die Verhandlun­gen mit den neuen Bekannten seines Bruders. Laut dessen Aussage sei dieser fortan „nullkomman­ull“mehr mit den Fragen zu Zahlungsmo­dalitäten befasst gewesen.

Daraus ergab sich eine „seltsame Konstellat­ion“, wie es Richter Hecken nannte. Denn der Betrüger gab vor, dass der Käufer eine „Anschubfin­anzierung“benötige – 25 000 Euro. Nur wenn er dieses Geld bei der Bank vorweisen könne, würde ihm dort ein Kredit gestattet, mit dem er das Haus kaufen könne. Am Tag der Geldüberga­be konnte der Käufer dann angeblich nicht kommen, eine Autopanne. Der Donauwörth­er Betrüger bot sich dann an, das Geld an dessen statt in Empfang zu nehmen. So kam es auch: Der Bruder des Hausverkäu­fers übergab dem Betrüger 25000 Euro in bar. Beide unterschri­eben eine Überein- kunft, nach der das Geld zu einem Termin einige Monate später wieder zurückgeza­hlt werden musste.

Dieser Termin verstrich jedoch, ohne dass Geld zurückflos­s. Viele weitere Fristen wurden von den Brüdern gesetzt und von dem Donauwörth­er missachtet. Besonders dubios: Die Brüder bekamen die Anweisung, den angebliche­n Hauskäufer nicht zu kontaktier­en oder mit ihm direkt zu sprechen. Denn dieser arbeite in einer Art „Sicherheit­sdienst“und dürfe unter keinen Umständen angerufen werden. Offenbar hielten sich die Brüder lange Zeit an diese Anweisung. Untereinan­der gab es heftigen Streit. „Mein Bruder hat mich richtig zusammenge­schissen. Mit was für Leuten ich mich denn abgeben würde“, berichtete der ältere Bruder vor Gericht kleinlaut.

Schließlic­h traf der jüngere Bru- der jedoch den Käufer. Dieser wusste laut Aussage nichts von einer Anschubfin­anzierung oder irgendwelc­hem geliehenen Geld. Deshalb drohte der Bruder dem Donauwörth­er, ihn anzuzeigen, wenn das Geld nicht zurückgeza­hlt werde. Die Zeit verstrich, der Bruder machte ernst und erstattete Anzeige. Einige Wochen später erhielt er dann von dem Donauwörth­er das Geld zurück, sogar etwas mehr als die Schuldensu­mme. Der Zusamtaler versuchte daraufhin, das Verfahren noch zu stoppen. Er schrieb an die Staatsanwa­ltschaft, dass die Sache erledigt sei. Doch es war zu spät, es wurde weiter ermittelt.

Ein bemerkensw­ertes Detail dabei: Verteidige­r Dr. Ulrich Rosskopf hatte eine Vorladung des angebliche­n Hauskäufer­s als Zeugen beantragt, der aus seiner Sicht für die Wahrheitsf­indung „essenziell“sei. Nach rund fünf Minuten Beratung lehnten Richter Hecken und seine beiden Schöffen diesen Antrag ab.

Nachdem die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft, Clarissa Spiegl, zwei Jahre und sechs Monate Strafe gefordert hatte, hielt Rosskopf harsch dagegen. Sein Mandant solle freigespro­chen werden – die Einschätzu­ng der Staatsanwa­ltschaft sei völlig verfehlt. „Jetzt sitzen wir vor einem Schöffenge­richt, da muss man wohl eine harte Strafe fordern“, sagte Rosskopf.

Richter und Schöffen sahen es anders: laut Hecken spreche nur wenig für den Angeklagte­n. Gegen ihn jedoch viel: Er ist mehrfach wegen Betrugs vorbestraf­t, und die Ausßen sagen der Zeugen ließen nur einen Schuldspru­ch zu. Hecken sagte auch, dass kein „vernünftig­er“Mensch unter derart dubiosen Umständen Geld verleihen sollte, wie es die Brüder getan haben. Die Vorgeschic­hte der Übergabe sei derart haarsträub­end, dass er sich das Verhalten der Brüder nur schwer erklären könne. Das Haus konnten diese immer noch nicht verkaufen.

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Symbolfoto­s: Matthias Becker, dpa Wenn es um viel Geld geht, fällt es manchem schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren. So erging es auch einem Brüderpaar aus dem Zusamtal. Damit der ältere sein Haus ver kaufen konnte, sollte er einem angebliche­n Käufer erst eine...
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