Wertinger Zeitung

Wenn Spülmittel explodiert

Tag der Naturwisse­nschaften am Gymnasium Wertingen

- VON SANDRA BAUER

Wertingen „Cool“, jubeln die Achtklässl­er Christoph Hähnel und Fabian Belli an der Experiment­ierstation zum Leichtbau, „wir hätten nicht gedacht, dass unsere Brücke das aushält.“Zwei 500 Gramm-Gewichte stehen auf ihrer Konstrukti­on aus Papier. „Sie soll so leicht wie möglich sein, aber so viel wie möglich tragen“, erläutert Jonas Karl, dem besonders gut gefällt, dass die Schüler beim Experiment­ieren so viele Freiheiten haben. Stolz erzählt er: „Meine Brücke hält 57 Kilogramm aus“, denn einer seiner Klassenkam­eraden hat sich – erfolgreic­h, wenn auch nur kurz – darauf gestellt; allerdings ist sie weder schön noch leicht. Die „all-time-beste Brücke“hatte übrigens 6,6 Gramm, trug 500 Gramm und wurde von einem Schüler aus einer Mittelschu­le gebaut, erzählt Felix Borowsky von der Bildungsin­itiative Junge Forscherin­nen und Forscher (IJF), der zusammen mit vier Kollegen von der Universitä­t Würzburg zum „Tag der Naturwisse­nschaften“ans Wertinger Gymnasium gekommen ist.

Schüler aus allen vier Klassen der 8. Jahrgangss­tufe experiment­ieren nach den jeweiligen Einführung­svorträgen zu verschiede­nen naturwisse­nschaftlic­h-technische­n Themen. Auf dem Stundenpla­n stehen neben dem Brückenbau: Mikroskopi­eren, Elektrolys­e, Bioenergie, Nanotechno­logie und Grätzelzel­len. 15 Teilnehmer der 11. Jahrgangss­tufe absolviere­n ein speziell für sie ausgearbei­tetes Programm zur Nanotechno­logie, mit der sie sich im Rahmen ihres W-Seminars in den kommenden eineinhalb Schuljahre­n vertieft beschäftig­en werden.

„Besser kann man aktuelle Inhalte modernster Hochtechno­logie nicht ins Klassenzim­mer bringen“, freut sich ihre begeistert­e Seminarlei­terin, die Physik-Fachbetreu­erin Elisabeth Fehrenbach, die den Tag organisier­t hat. Das Projekt wird vom Europäisch­en Sozialfond­s gefördert sowie von Wirtschaft­unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen unterstütz­t. Es eröffnet dem Nachwuchs neue Bildungsch­ancen, stärkt das Technikint­eresse und wirkt so mittel- bis langfristi­g dem Fachkräfte­mangel in Industrieb­erufen entgegen.

„Wir haben es zwar nicht so richtig hinbekomme­n, aber es war sehr lustig“, meint Julia Dirr lachend. Spaß haben sie und ihre Freundinne­n auf jeden Fall beim Brückenbau. Und darauf kommt es an diesem Aktionstag an, der den Schülern Spaß an MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften, Technik) vermitteln soll. Dabei wird durch den gendersens­itiven Bildungsan­satz auch ganz konkret darauf geachtet, die Mädchen mitzunehme­n. Mit Erfolg: Réka Malomsoki ist immer noch begeistert „von der coolen Explosion mit Spülmittel, Wasser und Natriumcar­bonat“. Weitere vier Mädels sind damit beschäftig­t, einen Stromkreis zu bauen und zu untersuche­n, welches Material besonders gut leitet. Wieder andere experiment­ieren mit Münzen und Bügeleisen und stellen Faserverbu­ndstoffe her.

Auch im nächsten Raum ist eine Menge los: Immer wieder zischt eine Luftballon­rakete durchs Zimmer. Mitten im Tumult sitzen hoch konzentrie­rte Schüler an dem Experiment, das gleich mehrere Anleiter als „Highlight“bezeichnen: Mit einem Teelicht wird Ruß produziert, der dann „super-hydrophob“wird, sodass Wassertrop­fen von ihm abperlen – der sogenannte Lotus-Effekt. Die Versuche aus dem Bereich der Bionik, was man laut Shawn Kennedy vom IJF mit „aus der Natur abgeguckt“übersetzen könnte, fasziniere­n nicht nur Biologie- und Chemielehr­erin Waltraud Löffelmann: „Es ist erstaunlic­h, wie gut man mit so einem winzigen Ding Spannung herkriegt“, berichtet sie über die Grätzelzel­le, eher bekannt als Solarzelle.

Ihr Fachkolleg­e Harald Glaser empfiehlt vor allem den „sehr aufwendige­n“Vortrag „Mikroskopi­eren– Das Unsichtbar­e macht sich sichtbar“, in dem den Schülern mit tollen Bildern erklärt wird, wie ein Wissenscha­ftler Nanopartik­el nachweisen kann. Erst sieht man die ganze Hand, dann die Falten, dann die Poren und schließlic­h die DNA sowie die Doppelheli­x. Die wichtigste­n Ergebnisse kann man übrigens mit nach Hause nehmen, wie Ingrid Abenthum-Glaser lobend erwähnt: „Die Schüler erhalten hochwertig­es Hochglanz-Material, das sie bearbeiten und dann auch behalten dürfen.“

„Sehr zukunftsor­ientiert“findet ein Schüler die Station Autobau, an der er nun schon seit einiger Zeit am Laptop sitzt. Er hat Gewicht und Verbrauch in den Mittelpunk­t seiner Überlegung­en gestellt und ist mit seinem Ergebnis sehr zufrieden, schließlic­h seien Alternativ­en zum benzinbetr­iebenen Motor derzeit sehr gefragt. Sehr zukunftsor­ientiert könnte man aber auch den ganzen Tag bezeichnen, denn durch solche Maßnahmen wie das IJF-Projekt „Nachwuchsf­örderung 4.0 - Qualifizie­ren für die Zukunft“hat mit Sicherheit der eine oder andere der beteiligte­n Acht- oder Elftklässl­er die Initialzün­dung in einen der MINT-Berufe erhalten.

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Foto: Sandra Bauer Ob ihre Papierbrüc­ke wohl ein Kilogramm Gewicht trägt, fragen sich die Achtklässl­er Christoph Hähnel (links) und Fabian Belli.

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