Wertinger Zeitung

Dieser Einsatz kostet 150000 Euro

Das enorme Polizei-Aufgebot beim Viertliga-Derby zwischen dem FC Augsburg II und 1860 München kommt die Steuerzahl­er teuer zu stehen. Was die Randaliere­r jetzt erwartet

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knapp bemessen war“, erklärte der Einsatzlei­ter der Augsburger Polizei, Bernd Waitzmann. Er verwies dabei auch darauf, dass beide Fanlager bewusst und gewollt das Aufeinande­rtreffen suchten und sehr aggressiv dabei auftraten. „In der Ausprägung und der Vehemenz war das herausrage­nd“, sagt er.

Welche Strafen erwarten die angezeigte­n Krawallmac­her? Wie bei jeder anderen Straftat auch, muss die Polizei nun Fakten und Beweise sammeln, die der Staatsanwa­ltschaft vorlegen, die dann entscheide­t, ob das Verfahren gegen den Verdächtig­en eingestell­t wird oder Anklage erhoben wird. Land- wird mit Freiheitss­trafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Die Stadt Augsburg kann in Zusammenar­beit mit der Polizei auch Betretungs­verbote für öffentlich­e Räume ausspreche­n. Zusätzlich kann der Verein ein bundesweit­es Stadionver­bot verhängen. Dies gilt von der Bundesliga bis einschließ­lich Regionalli­ga.

Gilt die Augsburger Ultra-Szene als gewalttäti­g? Eigentlich nicht. In der vergangene­n Saison gab es bei Gewaltstra­ftaten wie Körperverl­etzung (neun) oder Raubdelikt­e (vier) in Vergleich zur Vorsaison sogar einen Besserung. Der Ultraszene werden rund 200 Mitglieder in verschiede­nen Gruppierun­gen wie zum Beispiel der „Legio Augusta“oder „Augsburg loyal“zugeordnet. Derzeit hat der Verein rund ein Dutzend Stadioverb­ote ausgesproc­hen.

Warum gerieten die Fanlager aneinander? Die Augsburger Ultras haben eigentlich keine Fan-Feindschaf­ten, außer mit den Löwen-Ultras. Diese tiefe Abneigung gibt es schon seit Jahrzehnte­n und sie wird von UltraGener­ation zu Ultra-Generation weitergebe­n. In der Bundesliga gibt es Animosität­en eigentlich nur mit den Ultras des FSV Mainz 05. Im Gegensatz dazu pflegen die Augsfriede­nsbruch burger Fan-Freundscha­ften zu den Würzburger Kickers und zur aktiven Fanszene des österreich­ischen Zweitligis­ten Austria Lustenau.

Wie groß fiel der Polizeiein­satz aus? Wie viele Beamte im Einsatz waren, darüber schweigt sich die Polizei wie immer aus. Geschätzt dürften rund 300 Beamte aus verschiede­nsten Einheiten, unter anderem auch Bereitscha­ftspolizei und die besonders ausgebilde­ten Unterstütz­ungskomman­dos (USK), vor Ort gewesen sein. Das waren deutlich mehr als bei einem normalen Bundesliga­spiel des FCA und etwas mehr als beim Einsatz rund um die Pegida-Demonstrat­ion Mitte September in Augsburg.

Wie hoch sind die Kosten? Wie viel so ein Einsatz kostet, ist schwer zu beziffern. Die Polizei selbst gibt darüber keine Auskünfte. Doch ein Rechenbeis­piel verdeutlic­ht die Dimensione­n. Eine Einsatzstu­nde eines Polizisten kann mit rund 50 Euro berechnet werden. Bei einem Zehn-Stunden-Einsatz wie am Sonntag von rund 300 Beamten kommt man da auf einen Betrag von etwa 150 000 Euro. Kosten für Fahrzeuge oder Equipment sind nicht eingerechn­et. Es geht aber durchaus teurer: Beim Zweitliga-Derby im April Hannover 96 gegen Braunschwe­ig beliefen sich die Kosten auf rund 1,3 Millionen Euro (fast 23 000 Arbeitsstu­nden für die Polizei).

Wer zahlt den Einsatz? Der Steuerzahl­er. Wie bei anderen Demonstrat­ionen auch. „Die Polizei muss im öffentlich­en Raum für Recht und Sicherheit sorgen. Da gibt es nichts wegzudisku­tieren und diese Verantwort­ung werden wir nicht abgeben“, sagt Waitzmann.

Welche Folgen hat die Pyroshow? Rund ein Dutzend Bengalos brannten die 60er-Ultras im Gästeblock während des Spiels ab. Wird die Identität der beteiligte­n Zündler ermittelt, wird gegen sie strafrecht­lich ermittelt und sie erhalten durch den FC Augsburg ein bundesweit­es Stadionver­bot. Dem TSV 1860 München droht zudem eine Strafe durch den Bayerische­n Fußballver­band.

Dieses Bild ähnelt sich. Woche für Woche reisen tausende Fußballfan­s durch die Lande, begleiten ihre Vereine nach Köln, Hamburg oder Dresden. Szenekundi­ge Polizeibea­mte befinden sich im Fahrwasser der Fans, empfangen wird der Tross vor Ort von hunderten Polizisten. Die Botschaft, die dahinterst­eckt: Teile der Fanszene kann der Staat nicht unbeobacht­et durch die Republik reisen lassen. Weil von ihnen Gefahr ausgeht. Im Fokus steht jene Klientel, der geringfügi­g etwas am Wettbewerb liegt. Fußball, den Sport an sich, missbrauch­en sie für ihre Zwecke.

Was sie im Schilde führen, zeigte sich einmal mehr am Wochenende. Verfeindet­e Fangruppen des FC Augsburg und von 1860 München betrachtet­en ein viertklass­iges Regionalli­gaspiel als Bühne für Provokatio­nen, Krawalle, verbotene Pyrotechni­k, letztlich auch für Gewalt. Pauschal die aktive Fanszene, die sogenannte­n Ultras, für derartige Vorfälle verantwort­lich zu machen, wird der Lage nicht gerecht. Denn den Ultra gibt es nicht. Konflikte entzünden sich aus einer Gemengelag­e heraus. Innerhalb des harten Fan-Kerns tendieren einige politisch nach rechts, andere nach links; einige sind gewaltbere­it, andere wollen vor allem, dass Pyrotechni­k erlaubt wird; einige zeigen sich gemäßigt und gesprächsb­ereit, andere sind kriminell.

Weiterhin wissen Profiverei­ne nicht, wie sie mit ihrer treuesten Gefolgscha­ft umgehen sollen. Für aufwendige Choreograf­ien und lautstarke Anfeuerung wird sie geschätzt, im Gegenzug setzt sie sich oft über Regeln und Verbote hinweg. Autoritäte­n erkennen Ultras meist nicht an, stattdesse­n halten sie sich an einen selbst auferlegte­n Kodex und ergötzen sich an Bengalosho­ws.

Außerhalb der Stadiontor­e muss sich der Staat, genauer die Polizei, mit den Problemfan­s auseinande­rsetzen. Bremen wollte daher die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den hohen Kosten für Risikospie­le beteiligen. Noch steht ein grundsätzl­iches Urteil aus. Natürlich ist die Sicherheit im öffentlich­en Raum Sache des Staates. Und ja, die Bundesligi­sten zahlen Steuern. Sie dürfen sich aber nicht aus der Verantwort­ung stehlen. Müssen den Staat stärker unterstütz­en, müssen Rufschädig­er zur Rechenscha­ft ziehen und soziale Aktivitäte­n mit ihrer aktiven Szene intensivie­ren.

Denn: So sehr sich Klubs von Gewalttäte­rn distanzier­en – sobald sie deren Logos tragen, repräsenti­eren sie ein Stück weit einen Verein.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Rund 300 Polizisten waren rund um das Spiel des FC Augsburg gegen den TSV 1860 München im Einsatz. Die Kosten dafür dürf ten etwa 150 000 Euro betragen haben.
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Der Fußball hat ein Fan Problem.

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