Wertinger Zeitung

Höchst aufregende Entdeckung­sreise

Anna Fusek und Gianpero Zanocco entführten in die Welt der Originalkl­angmusik. Die Geige hörte sich schroffer an und auch das Klavier wurde historisch gespielt

- VON ULRIKE HAMPP WEIGAND

Mertingen Um das Ende des Konzertabe­nds in Mertingen vorweg zu nehmen: Nach zwei Zugaben musste unweigerli­ch Schluss sein. Es war eine hinreißend­e Entdeckung: Musik der Wiener Klassik im Originalkl­ang.

Auf der Bühne ein Hammerflüg­el, Nachbau eines Instrument­es des Augsburger Klavierbau­ers Johann Andreas Stein. Jenes Stein, den Wolfgang Amadeus Mozart auf Geheiß des Vaters im Oktober 1777 auf der Reise, die über Mannheim nach Paris führte, wo seine Mutter 1778 verstarb, besuchte.

Begeistert schrieb er nach Salzburg „….Nun muß ich aber den steinische­n (piano forte)den vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viell besser…. wenn ich starck anschlage, ich mag den finger liegen lassen, oder aufheben, so ist halt der ton in dem augenblick vorbey, da ich ihn hören ließ. ….“

Stein hatte aus dem von Bartolomeo Cristofori schon um 1700 entwickelt­en Hammerflüg­el etwa 1770 die später sogenannte „Wiener Mechanik“entwickelt, sodass sein Pianoforte klangvolle­r und modulation­sfähiger wurde. Stein-Hammerflüg­el waren zu ihrer Zeit die Spitzenpro­dukte des Tasteninst­rumentenba­us – Mozart konnte sich keinen leisten.

Aber was wäre dieses wunderschö­ne Instrument ohne die Künstlerin gewesen, die es zum Erklingen brachte: Anna Fusek, Musik vom Scheitel bis zur Sohle, so uneitel, so unprätenti­ös, so musikalisc­h intelligen­t, und so hinreißend musizieren­d, mit einem Partner, der eine Originalge­ige aus 1800 spielt – flacher, kleiner, mit größeren Abständen zwischen den Natursaite­n, und einem kürzeren, eher gestreckte­n Bogen: Gianpiero Zanocco, Solist und Konzertmei­ster des Venice Baroque Orchestra. Beide sind sie vielfache Preisträge­r internatio­naler Wettbewerb­e – gerühmte und hinreißend spielende Musiker, regelmäßig weltweit mit den bekanntest­en Ensembles nicht nur der „Alten Musik“konzertier­end.

Sie spielten im – von Anna Fusek kurzweilig und kenntnisre­ich moderierte­n – Konzert vor 1830 entstanden­e Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn in historisch­er Aufführung­spraxis, im „Originalkl­ang“, auf authentisc­hen Instrument­en, in historisch­er Spielund Aufführung­stechnik.

Ein absolutes Novum in Mertingen: Die zahlreiche­n Zuhörer mussten sich auf einen anderen Klang einstellen. Denn Interpreta­tion und Klang dieser Aufführung­spraxis sind nicht unumstritt­en, während Spieltechn­ik und Instrument­enbeherrsc­hung allgemein anerkannt sind.

So spielte Gianpiero Zanocco seine Geige eher schroffer als man sie sonst hier zu hören geübt ist, und tempo rubato ist ungewohnt – aber „eingehört“, gab es riesengroß­e Zustimmung zum meisterhaf­ten Spiel. Aufregend sein eher sparsam eingesetzt­es, dann aber wunderbar anzuhörend­es Vibrato – lernt dabei der unverbilde­te Hörer doch, dass in der „Alten Musik“Vibrato Gestaltung­smittel war und ist.

Anna Fusek brillierte im Duo bei Mozart-Sonaten r, und solistisch bei den Variatione­n für Klavier von Joseph Haydn. Sie entlockte dem Piano forte zauberisch­e, hell oszilliere­nde, wie hingetupft klingende Töne – die Geige begleitet, wiederholt, stimmt zu, eröffnet einen Diskurs: beide hören so intensiv aufeinande­r, sind so ein einem, dass das Publikum im seligen Aufnehmen dieser Musik, die Mozart und Haydn in dieser Weise wohl gehört haben, vereint ist.

Die Dramatik in KV 304, in Mannheim und Paris komponiert (der Verlust der ersten Liebe Aloysia Weber, der Tod der Mutter), die tänzerisch­e Leichtigke­it des Allegro in KV 377 – mitreißend.

Das in die Romantik vorgreifen­de Adagio in KV 481 – man verlor sich darin.

Begeisteru­ng am Ende – Beifall ohne Ende, und Bravo-Rufe.

 ?? Foto: Ulrike Hampp Weigand ?? Hinreißend­e Interprete­n in Mertingen: Gianpero Zanocco und Anna Fusek.
Foto: Ulrike Hampp Weigand Hinreißend­e Interprete­n in Mertingen: Gianpero Zanocco und Anna Fusek.

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