Unwetter richten immer häufiger große Schäden an
Zwei Tote, Überflutungen, Bahn-Chaos: Wieder legt ein Sturm Teile von Deutschland lahm. Was steckt hinter den Wetterextremen?
Augsburg Innerhalb weniger Wochen nach dem tödlichen Orkan „Xavier“hat wieder ein Herbststurm schwere Schäden in Deutschland angerichtet: Besonders betroffen vom Sturmtief „Herwart“waren am Sonntag der Norden und Osten Deutschlands. Aber auch in weiten Teilen Bayerns entwurzelten die über hundert Stundenkilometer starken Böen zahlreiche Bäume: Viele Straßen, unter anderem die Autobahn A8 zwischen Rosenheim und Salzburg, mussten zeitweise gesperrt werden. An der Nordsee wurde ein 63-jähriger Camper von der Sturmflut überrascht und ertrank, in Mecklenburg-Vorpommern kenterte ein Boot mit drei Urlaubern – eine Frau kam dabei ums Leben. In Polen und Tschechien starben mindestens drei Menschen.
Besonders hart traf der Sturm den Bahnverkehr: Die Deutsche Bahn stellte als Vorsichtsmaßnahme den Fernverkehr Richtung Norden ein. Unter anderem verkehrten keine Züge mehr von und nach Berlin, Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel. Die Sperrungen sollten größtenteils bis zum Morgen andauern, sodass auch am heutigen Montag mit zahlreichen Verspätungen zu rechnen ist, wie es gestern hieß.
Experten rechnen mit finanziellen Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe. Zusammen mit den großteils noch nicht abgerechneten Schäden des Sturmtiefs „Xavier“kommen auch auf die Versicherungen hohe Belastungen zu: „Ob wir 2017 insgesamt eines der teuersten Jahre erleben werden, können wir noch nicht sagen, da die Schadenshöhe von Xavier noch nicht endgültig bekannt ist“, sagte eine Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft unserer Zeitung. „Bereits die Serie schwerer Unwetter in diesem Sommer schlägt bei den Versicherern mit rund 600 Millionen Euro zu Buche.“ Die Zahl der Unwetterschäden steige im Vergleich zum LangzeitDurchschnitt. „Die größten finanziellen Schäden entstehen meist durch Hochwasser“, sagte die Sprecherin. Seit langem stellen auch Versicherungskonzerne fest, dass die Wetterextreme zunehmen. In Deutschland haben sich von den zehn teuersten Gewittern der letzten 40 Jahre sieben seit dem Jahr 2013 ereignet, heißt es bei der Münchener Rück, die als weltweit größter Anbieter Versicherungen gegen Risiken rückversichert. Der Konzern macht seit langem den Klimawandel für die Zunahme verantwortlich.
Weil sich die Ozeanoberflächen erwärmten, verdunste mehr Wasser, betont der Leiter der GeorisikoForschung der Münchener Rück, Peter Höppe, in einer Analyse. „Wasserdampf ist der Treibstoff für Gewitter wie auch für Hurrikane.“Seit 1980 lasse sich ein deutlicher Anstieg der wetterbedingten Schadensereignisse beobachten, während Schäden anderer Naturkatastrophen stabil blieben. „Das ist ein Indiz, dass sich etwas in der Atmosphäre ändert“, betonte er. (mit dpa)
Berlin/Augsburg Tote, Verletzte und erhebliche Schäden – das ist die vorläufige Bilanz des Sturmtiefs „Herwart“. Es wütete am Wochenende in ganz Europa. In Polen und Tschechien gab es mindestens drei Tote; in Deutschland ertrank ein 63-jähriger Mann, der auf einem niedersächsischen Campingplatz a von einer Sturmflut überrascht wurde. In Mecklenburg-Vorpommern kenterte ein Motorboot mit drei Urlaubern aus Sachsen – eine Frau starb. Die Suche nach einem Passagier blieb nach Angaben der Polizei Neubrandenburg bis Sonntagabend erfolglos. Ein Überblick:
Verletzte In Berlin wurde ein Fußgänger von einem umkippenden Baugerüst schwer verletzt. In Sachsen-Anhalt und Bayern verletzten sich Autofahrerinnen, die mit ihren Wagen gegen umgestürzte Bäume prallten. Auf der A20 in Mecklenburg-Vorpommern rutschten Autos einer fünf Zentimeter dicken Hageldecke aus. Dabei gab es zwei Verletzte.
Sturmfolgen Alleine die Hamburger und die Berliner Feuerwehr mussten hunderte Male zu Einsätzen ausrücken – wegen Bäumen und Ästen auf den Straßen beziehungsweise Überflutungen. So trat die Elbe am Hamburger Hafen über die Ufer, der Hamburger Fischmarkt stand unter Wasser und musste gesperrt werden. Die Zoos in Berlin und Rostock blieben am Sonntag geschlossen. Auf der ostfriesischen Insel Wangerooge spülte eine Sturmflut in der Nacht zum Sonntag Massen an Sand weg. Der Sand am Bade- und Burgenstrand sei zu 80 Prozent verschwunden, sagte InselBürgermeister Dirk Lindner.
Vorfall Wegen starker Windböen in Frankfurt musste am Sonntag ein Airbus A380 der Lufthansa außerplanmäßig in Stuttgart landen. die aus Houston (USA) kommende Maschine eine Zeit lang über dem Flughafen Frankfurt gekreist war, entschied sich der Kapitän zur Sicherheitslandung in Stuttgart – auch, weil der Treibstoff knapp wurde.
Vor der Nordsee-Insel Langeoog ist außerdem ein Frachter auf Grund gelaufen. Die 22 Menschen an Bord des 225 Meter langen Schüttgutfrachters „Glory Amsterdam“seien nach bisherigen Erkenntnissen unverletzt, teilte das Havariekommando in Cuxhaven mit. Der Frachter hatte keine Ladung an Bord, allerdings 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel als Treibstoffe geladen. Die „Glory Amsterdam“war zuvor durch den starken Seegang infolge des Sturms manövrierunfähig im Meer getrieben.
Der Flughafen Bremen wurde nach einer missglückten Landung eines Privatflugzeugs am Sonntagauf abend gesperrt. Die Cessna Citation 550 Bravo kam demnach beim Landeanflug von der Start- und Landebahn ab und blieb 15 Meter entfernt im Gras ohne größere Schäden stehen. Die drei Besatzungsmitglieder der in Russland registrierten Maschine seien unverletzt. Passagiere waren demnach nicht an Bord. Ob der Herbststurm Ursache für den Unfall sei, müssen die Untersuchungen zeigen.
Bayern Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 110 Stundenkilometern fegten orkanartige Böen laut Deutschem Wetterdienst übers Flachland. Stark betroffen war Oberfranken und dort die Region um Hof. Teils kam es zu Stromausfällen. In Oberbayern sperrte die Polizei zwischenzeitlich die A 8 über eine Strecke von acht Kilometern, weil Bäume umzustürzen drohten.
Am Münchner Flughafen wurden zwei Flüge der Lufthansa wetterbeNachdem dingt gestrichen. Vier Flugzeuge starteten aufgrund der Böen kurz vor der Landung nochmals durch.
Starke Sturmböen haben auch in der Region mehrere Bäume und Straßenschilder zum Umstürzen gebracht. Besonders schwer getroffen hat es dabei die Staatsstraße 2052 zwischen Mering und Odelzhausen. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes war der schlimmste Teil des Sturms gegen Mittag in Bayern überstanden.
Aussichten Der Wind, der etwa am Fichtelberg Geschwindigkeiten von bis zu 176 Kilometern pro Stunde erreichte, wird sich in Deutschland zu Wochenbeginn deutlich abschwächen – zugleich fallen die Temperaturen. In der Nacht zum Montag sollte es bereits bis auf 600 Meter hinunter schneien, teilte der Deutsche Wetterdienst am Sonntag mit. Am Montag bleibe es überwiegend trocken. (dpa, AZ)