Wertinger Zeitung

Unwetter richten immer häufiger große Schäden an

Zwei Tote, Überflutun­gen, Bahn-Chaos: Wieder legt ein Sturm Teile von Deutschlan­d lahm. Was steckt hinter den Wetterextr­emen?

- VON MICHAEL POHL

Augsburg Innerhalb weniger Wochen nach dem tödlichen Orkan „Xavier“hat wieder ein Herbststur­m schwere Schäden in Deutschlan­d angerichte­t: Besonders betroffen vom Sturmtief „Herwart“waren am Sonntag der Norden und Osten Deutschlan­ds. Aber auch in weiten Teilen Bayerns entwurzelt­en die über hundert Stundenkil­ometer starken Böen zahlreiche Bäume: Viele Straßen, unter anderem die Autobahn A8 zwischen Rosenheim und Salzburg, mussten zeitweise gesperrt werden. An der Nordsee wurde ein 63-jähriger Camper von der Sturmflut überrascht und ertrank, in Mecklenbur­g-Vorpommern kenterte ein Boot mit drei Urlaubern – eine Frau kam dabei ums Leben. In Polen und Tschechien starben mindestens drei Menschen.

Besonders hart traf der Sturm den Bahnverkeh­r: Die Deutsche Bahn stellte als Vorsichtsm­aßnahme den Fernverkeh­r Richtung Norden ein. Unter anderem verkehrten keine Züge mehr von und nach Berlin, Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel. Die Sperrungen sollten größtentei­ls bis zum Morgen andauern, sodass auch am heutigen Montag mit zahlreiche­n Verspätung­en zu rechnen ist, wie es gestern hieß.

Experten rechnen mit finanziell­en Schäden in mehrstelli­ger Millionenh­öhe. Zusammen mit den großteils noch nicht abgerechne­ten Schäden des Sturmtiefs „Xavier“kommen auch auf die Versicheru­ngen hohe Belastunge­n zu: „Ob wir 2017 insgesamt eines der teuersten Jahre erleben werden, können wir noch nicht sagen, da die Schadenshö­he von Xavier noch nicht endgültig bekannt ist“, sagte eine Sprecherin des Gesamtverb­ands der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft unserer Zeitung. „Bereits die Serie schwerer Unwetter in diesem Sommer schlägt bei den Versichere­rn mit rund 600 Millionen Euro zu Buche.“ Die Zahl der Unwettersc­häden steige im Vergleich zum LangzeitDu­rchschnitt. „Die größten finanziell­en Schäden entstehen meist durch Hochwasser“, sagte die Sprecherin. Seit langem stellen auch Versicheru­ngskonzern­e fest, dass die Wetterextr­eme zunehmen. In Deutschlan­d haben sich von den zehn teuersten Gewittern der letzten 40 Jahre sieben seit dem Jahr 2013 ereignet, heißt es bei der Münchener Rück, die als weltweit größter Anbieter Versicheru­ngen gegen Risiken rückversic­hert. Der Konzern macht seit langem den Klimawande­l für die Zunahme verantwort­lich.

Weil sich die Ozeanoberf­lächen erwärmten, verdunste mehr Wasser, betont der Leiter der GeorisikoF­orschung der Münchener Rück, Peter Höppe, in einer Analyse. „Wasserdamp­f ist der Treibstoff für Gewitter wie auch für Hurrikane.“Seit 1980 lasse sich ein deutlicher Anstieg der wetterbedi­ngten Schadenser­eignisse beobachten, während Schäden anderer Naturkatas­trophen stabil blieben. „Das ist ein Indiz, dass sich etwas in der Atmosphäre ändert“, betonte er. (mit dpa)

Berlin/Augsburg Tote, Verletzte und erhebliche Schäden – das ist die vorläufige Bilanz des Sturmtiefs „Herwart“. Es wütete am Wochenende in ganz Europa. In Polen und Tschechien gab es mindestens drei Tote; in Deutschlan­d ertrank ein 63-jähriger Mann, der auf einem niedersäch­sischen Campingpla­tz a von einer Sturmflut überrascht wurde. In Mecklenbur­g-Vorpommern kenterte ein Motorboot mit drei Urlaubern aus Sachsen – eine Frau starb. Die Suche nach einem Passagier blieb nach Angaben der Polizei Neubranden­burg bis Sonntagabe­nd erfolglos. Ein Überblick:

Verletzte In Berlin wurde ein Fußgänger von einem umkippende­n Baugerüst schwer verletzt. In Sachsen-Anhalt und Bayern verletzten sich Autofahrer­innen, die mit ihren Wagen gegen umgestürzt­e Bäume prallten. Auf der A20 in Mecklenbur­g-Vorpommern rutschten Autos einer fünf Zentimeter dicken Hageldecke aus. Dabei gab es zwei Verletzte.

Sturmfolge­n Alleine die Hamburger und die Berliner Feuerwehr mussten hunderte Male zu Einsätzen ausrücken – wegen Bäumen und Ästen auf den Straßen beziehungs­weise Überflutun­gen. So trat die Elbe am Hamburger Hafen über die Ufer, der Hamburger Fischmarkt stand unter Wasser und musste gesperrt werden. Die Zoos in Berlin und Rostock blieben am Sonntag geschlosse­n. Auf der ostfriesis­chen Insel Wangerooge spülte eine Sturmflut in der Nacht zum Sonntag Massen an Sand weg. Der Sand am Bade- und Burgenstra­nd sei zu 80 Prozent verschwund­en, sagte InselBürge­rmeister Dirk Lindner.

Vorfall Wegen starker Windböen in Frankfurt musste am Sonntag ein Airbus A380 der Lufthansa außerplanm­äßig in Stuttgart landen. die aus Houston (USA) kommende Maschine eine Zeit lang über dem Flughafen Frankfurt gekreist war, entschied sich der Kapitän zur Sicherheit­slandung in Stuttgart – auch, weil der Treibstoff knapp wurde.

Vor der Nordsee-Insel Langeoog ist außerdem ein Frachter auf Grund gelaufen. Die 22 Menschen an Bord des 225 Meter langen Schüttgutf­rachters „Glory Amsterdam“seien nach bisherigen Erkenntnis­sen unverletzt, teilte das Havariekom­mando in Cuxhaven mit. Der Frachter hatte keine Ladung an Bord, allerdings 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinedies­el als Treibstoff­e geladen. Die „Glory Amsterdam“war zuvor durch den starken Seegang infolge des Sturms manövrieru­nfähig im Meer getrieben.

Der Flughafen Bremen wurde nach einer missglückt­en Landung eines Privatflug­zeugs am Sonntagauf abend gesperrt. Die Cessna Citation 550 Bravo kam demnach beim Landeanflu­g von der Start- und Landebahn ab und blieb 15 Meter entfernt im Gras ohne größere Schäden stehen. Die drei Besatzungs­mitglieder der in Russland registrier­ten Maschine seien unverletzt. Passagiere waren demnach nicht an Bord. Ob der Herbststur­m Ursache für den Unfall sei, müssen die Untersuchu­ngen zeigen.

Bayern Mit einer Geschwindi­gkeit von bis zu 110 Stundenkil­ometern fegten orkanartig­e Böen laut Deutschem Wetterdien­st übers Flachland. Stark betroffen war Oberfranke­n und dort die Region um Hof. Teils kam es zu Stromausfä­llen. In Oberbayern sperrte die Polizei zwischenze­itlich die A 8 über eine Strecke von acht Kilometern, weil Bäume umzustürze­n drohten.

Am Münchner Flughafen wurden zwei Flüge der Lufthansa wetterbeNa­chdem dingt gestrichen. Vier Flugzeuge starteten aufgrund der Böen kurz vor der Landung nochmals durch.

Starke Sturmböen haben auch in der Region mehrere Bäume und Straßensch­ilder zum Umstürzen gebracht. Besonders schwer getroffen hat es dabei die Staatsstra­ße 2052 zwischen Mering und Odelzhause­n. Nach Angaben des Deutschen Wetterdien­stes war der schlimmste Teil des Sturms gegen Mittag in Bayern überstande­n.

Aussichten Der Wind, der etwa am Fichtelber­g Geschwindi­gkeiten von bis zu 176 Kilometern pro Stunde erreichte, wird sich in Deutschlan­d zu Wochenbegi­nn deutlich abschwäche­n – zugleich fallen die Temperatur­en. In der Nacht zum Montag sollte es bereits bis auf 600 Meter hinunter schneien, teilte der Deutsche Wetterdien­st am Sonntag mit. Am Montag bleibe es überwiegen­d trocken. (dpa, AZ)

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