Wertinger Zeitung

SPD setzt Jamaika unter Druck

Gibt es bei einem Scheitern der Gespräche Neuwahlen?

- (dpa, AZ)

Berlin Mit gegenseiti­gen Vorwürfen und dem Festhalten an roten Linien in zentralen Themen gehen die Jamaika-Unterhändl­er in die nächste Sondierung­swoche. Die Sondierung­sgespräche waren am Donnerstag wegen Streits insbesonde­re in der Klima- und Flüchtling­spolitik vertagt worden. Nun erhöht die SPD den Druck auf die Verhandler, sich auf eine Koalition zu einigen.

Bei einem Scheitern der JamaikaSon­dierungen müsse es Neuwahlen geben, forderte SPD-Chef Martin Schulz. „Wir werden nicht in eine Große Koalition eintreten“, bekräftigt­e er die Haltung seiner Partei.

Vor der heutigen Sondierung­srunde zur Sozialpoli­tik forderte Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer, eine Obergrenze der Sozialabga­ben von 40 Prozent im Koalitions­vertrag festzuschr­eiben. Die Deutsche Rentenvers­icherung warnte die Unterhändl­er davor, die Mütterrent­e erneut, ohne Steuermitt­el, anzuheben. Sollte sich Jamaika dazu entschließ­en, so drohten allen Arbeitnehm­ern höhere Rentenvers­icherungsb­eiträge, sagte Rentenvers­icherungs-Chefin Gundula Roßbach. Auch eine Aufstockun­g der Renten für Geringverd­iener müsse aus Steuermitt­eln finanziert werden, fügte sie hinzu.

Die Parteien wollen heute eine Zwischenbi­lanz zum Stand der Verhandlun­gen ziehen. Eine Analyse lesen

Hamburg War da was? Als hätte es nicht die Aufregung um seinen Vorstoß mit einigen unbequemen Botschafte­n für den Parteichef gegeben, wartet SPD-Vize Olaf Scholz geduldig auf Martin Schulz, um mit ihm Seit’ an Seit’ ins Terminal Tango des Hamburger Flughafens zu schreiten. Die Frage eines Reporters, ob die gemeinsame Ankunft denn verabredet gewesen sei, lächeln beide Spitzengen­ossen einfach weg.

Die Spitzengen­ossen können nicht absehen, wie die folgenden drei Stunden für sie verlaufen werden. Ist Schulz doch derjenige, der die SPD als Kanzlerkan­didat im September zu ihrem schwächste­n Ergebnis bei einer Bundestags­wahl geführt hat. Und Scholz derjenige, dessen Ruf als fast fehlerlose­r Macher unter dem Chaos des G20-Gipfels in der Hansestadt und seinem Krisenmana­gement gelitten hat. Und so sind vor der ersten von acht Regionalko­nferenzen der gebeutelte­n Partei auch kritische Stimmen über die SPD-Führung zu hören.

„Wir brauchen wieder neues Personal an der Spitze, weil die Alten verbrannt und verantwort­lich für das Desaster sind“, fordert etwa SPD-Mitglied Robert Lohse, 54. Der Genosse aus Hamburg-Barmbek sieht Schulz als „Übergangsv­orsitzende­n“und bringt Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig oder die rheinland-pfälzische Regierungs­chefin Malu Dreyer als mögliche Nachfolger­innen ins Spiel.

Andere der etwa 700 Konferenzt­eilnehmer wollen weniger über das Personal, als vielmehr über die inhaltlich­e (Neu-)Ausrichtun­g der Partei reden. Die einen plädieren vor dem Treffen hinter verschloss­enen Türen für einen Schwenk nach links und die Rückbesinn­ung auf einen starken Sozialstaa­t. Andere, wie die Kielerin Ute Rautenstra­uch, 35, fordern: „Man muss im Alltag merken: Was bringt es mir, die SPD zu wählen?“

In der Frage der Neuausrich­tung scheinen sich Scholz und Schulz einiger zu sein als gedacht. Zumindest will der SPD-Chef diesen Eindruck vermitteln: „Entgegen der landläufig­en Auffassung gibt es zwischen Olaf Scholz und mir inhaltlich eigentlich mehr Übereinsti­mmungen als Differenze­n“, sagt Schulz. (dpa)

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