Wertinger Zeitung

SPD hat Leitfigur nötiger als Leitantrag

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Die Zukunft von Martin Schulz als SPD-Chef, das wird mit jedem Tag deutlicher, hängt am seidenen Faden. Je näher der Parteitag im Dezember kommt, desto größer werden die Zweifel daran, dass er die in Trümmern liegende deutsche Sozialdemo­kratie wieder aufrichten kann. Dass ihm mit seinem Leitantrag zur inhaltlich­en Erneuerung der Partei der erhoffte Befreiungs­schlag gelingt, ist fraglich. Denn in dem Papier steht letztlich nur, über was die SPD nach Schulz’ Meinung reden sollte. Konkrete inhaltlich­e Vorschläge macht er nicht, kann er auch gar nicht, wenn er ja die Basis über die künftige Linie entscheide­n lassen will. Doch dadurch kann eben auch nicht der Eindruck entstehen, dass Schulz die Zügel in der Hand hält, wie es Fraktionsc­hefin Andrea Nahles auffällig betont. Gerade jetzt bräuchte die Partei mehr denn je eine vor Mut und Entschloss­enheit strotzende Leitfigur.

Schulz aber wirkt verzagt und kraftlos, wie soll es auch anders sein nach einer so demütigend­en Niederlage als Kanzlerkan­didat. Während andere Genossen schon über die Zukunft reden, muss Schulz die Gründe für das Wahldebake­l erklären. Dass ihn nicht allein die Schuld trifft, ist klar, doch dass er auch selbst Fehler gemacht hat, liegt auf der Hand. Zu denen gehört die mangelnde Angriffslu­st gegenüber dem Gegner ebenso wie ein zu wenig ausgeprägt­es Gespür für die Themen, die die Wähler beschäftig­en. Schulz hat es nicht geschafft zu vermitteln, für was die SPD steht. So muss er fürchten, dass die Parteibasi­s nicht nur einen inhaltlich­en, sondern auch einen personelle­n Neuanfang einfordert.

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