Wertinger Zeitung

Lieber essen gehen als Party machen

Während Klubs und Diskotheke­n schwächeln, entstehen viele neue Lokale. Dahinter stehen Augsburger Gastronome­n, aber auch überregion­ale Ketten

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es war ein Wagnis. Vor gut zwei Jahren probierten die Szene-Gastronome­n Werner Bahmann und Luciano Bellano einen Neuanfang. In der Maximilian­straße waren sie schon seit zwei Jahrzehnte­n aktiv, ihr Barfly-Club war in dieser Zeit zu einer Institutio­n geworden. Doch mit dem „Picnic“wechselten sie aus dem Party- und Nachtleben in ein neues Fach. Das mit viel Aufwand eingericht­ete Lokal am Moritzplat­z ist tagsüber ein Café und abends eine Lounge. Auch finanziell gingen die Geschäftsp­artner dafür ins Risiko.

Der Mut hat sich ausgezahlt. Das „Picnic“gilt in Gastrokrei­sen inzwischen als ein Musterbeis­piel für eine erfolgreic­he Lokal-Eröffnung. Die Gäste kommen. Samstags ist das Lokal meist komplett ausreservi­ert – vormittags zum Frühstück wie auch abends. Auch zahlreiche weitere Lokale sind in den vergangene­n Jahren in der Innenstadt neu hinzugekom­men und finden ihr Publikum – etwa das italienisc­he Restaurant „Aposto“am Rathauspla­tz oder die „Tafeldecke­r“mit bayerische­n Tapas in der Fuggerei. Leo Dietz, der Vorsitzend­e des Hotel- und Gast- in Augsburg, sagt: „Die Leute sind bereit, für Qualität und Service Geld auszugeben.“Gemeinsam essen zu gehen liege im Trend. Gerade am Wochenende seien die Lokale gut besucht und teils auch komplett ausgebucht.

Leo Dietz sieht eine Veränderun­g in der Gastronomi­e, die schon vor einigen Jahren begonnen habe. Klassische Betriebe im Nachtleben wie Diskotheke­n und Klubs hätten es zunehmend schwerer, sagt er. Einige mussten auch aufgeben. Dafür entstünden viele neue Lokale, die auf Essen setzen und eher einen Lounge- oder Café-Charakter hätten. Der Trend bewege sich aktuell weg vom Schwerpunk­t Trinken und Party hin zum Essen. Auch bei jüngeren Leuten – eigentlich das klassische Publikum für Nachtlokal­e – könne man das beobachten.

„Picnic“-Macher Luciano Bellano hat eine Erklärung dafür, warum Klubs und Diskotheke­n schwächeln. „Früher musste man dort hingehen, um Mädels kennenzule­rnen“, sagt er. „Heute findet man sich im Internet und geht lieber in eine Lounge, wo man entspannt sitzen und miteinande­r reden kann.“Ihr Abschied aus dem Nachtleben sei aber nicht allein diesem Trend geschuldet ge- wesen. Luciano Bellano verrät: „Wir werden auch nicht jünger und haben uns überlegt, dass wir nicht ewig hinter der Bar und am DJ-Pult stehen können.“Rund eineinhalb Jahre lang feilten sie am Konzept. Sie fuhren in dieser Zeit auch sechs oder sieben Mal nach Berlin, um dort Trends aufzuspüre­n.

Demnächst wagen die Geschäftsp­artner den nächsten Schritt. Sie wollen noch in diesem Jahr, gleich neben dem „Picnic“in der Wintergass­e, ein Steakhaus eröffnen. Das „Barfly“haben sie vor Kurzem ganz abgegeben. Leo Dietz, der auch für die CSU im Stadtrat sitzt, betreibt ebenfalls Lokale in der Maximilian­straße. Sein „Peaches“und der „Mauser“-Club sind klassische Betriebe im Nachtleben. Er will daran festhalten. „Es gibt ja auch nach wie vor Leute, die weggehen und Party machen wollen“, sagt er. „Aber die Gäste kommen nicht mehr so konstant und verlässlic­h wie früher.“Zudem müsse man den Gästen ständig Neues bieten. Dietz sagt: „Den Laden aufschließ­en, Musik machen und warten, bis Leute kommen – das funktionie­rt nicht mehr.“

Ebenfalls ein Trend: Viele Lokale werden von Restaurant-Ketten betrieben. In Augsburg ist unter andestätte­nverbands rem die „Enchilada“-Gruppe präsent. Sie hat bundesweit über 160 Lokale. In Augsburg sind es neben dem gleichnami­gen Tex-Mex-Restaurant das „Riegele-Wirtshaus“, der „Ratskeller“sowie das „Aposto“und das „Dean-and-David“am Rathauspla­tz. Auch das „Vapiano“oder die „L’Osteria“sind überregion­ale Marken. Leo Dietz sagt, das sei eine Verschiebu­ng hin zu Ketten, wie sie sich vor Jahren schon im Einzelhand­el gezeigt habe. Große Unternehme­n mit vielen Filialen hätten einige Vorteile: Sie seien finanzstar­k und könnten es sich leisten, ihre Lokale für viel Geld einzuricht­en. Auch Schwächeph­asen an einzelnen Standorten ließen sich abfedern. Dazu komme ein Aufwand in Bereichen wie Marketing oder Produktent­wicklung, den sich ein einzelner Wirt nicht leisten könne. Leo Dietz ist aber überzeugt: Für inhabergef­ührte Lokale werde es zwar nicht einfacher. Doch wer sich „reinhängt“, werde Erfolg haben.

Das sehen auch die „Picnic“-Macher so. „Man muss mit Leidenscha­ft dabei sein“, sagt Luciano Bellano. Wenn es nötig ist, stellt er sich auch als Chef ans Spülbecken. Und er legt Wert darauf, dass alle Gäste begrüßt werden. „Dieses Persönlich­e kann eine Kette nicht bieten“, meint er.

Massimo Siniscalch­i setzt ebenfalls auf die persönlich­e Atmosphäre. Er ist Chef des „Pastissima“im Domviertel. Seit 1998 betreibt seine Familie das kleine Lokal. „Weil es bei uns familiär zugeht, haben wir viele Stammgäste“, sagt er. Darauf könne man sich aber längst nicht mehr ausruhen. „Man muss immer wieder was Neues machen“, sagt er. „Man muss immer am Ball bleiben.“Nur so könne man auf Dauer bestehen.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Essen gehen ist in – das lässt sich auch an den Neueröffnu­ngen in der Augsburger Gastro Szene ablesen.

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