Lieber essen gehen als Party machen
Während Klubs und Diskotheken schwächeln, entstehen viele neue Lokale. Dahinter stehen Augsburger Gastronomen, aber auch überregionale Ketten
Augsburg Es war ein Wagnis. Vor gut zwei Jahren probierten die Szene-Gastronomen Werner Bahmann und Luciano Bellano einen Neuanfang. In der Maximilianstraße waren sie schon seit zwei Jahrzehnten aktiv, ihr Barfly-Club war in dieser Zeit zu einer Institution geworden. Doch mit dem „Picnic“wechselten sie aus dem Party- und Nachtleben in ein neues Fach. Das mit viel Aufwand eingerichtete Lokal am Moritzplatz ist tagsüber ein Café und abends eine Lounge. Auch finanziell gingen die Geschäftspartner dafür ins Risiko.
Der Mut hat sich ausgezahlt. Das „Picnic“gilt in Gastrokreisen inzwischen als ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Lokal-Eröffnung. Die Gäste kommen. Samstags ist das Lokal meist komplett ausreserviert – vormittags zum Frühstück wie auch abends. Auch zahlreiche weitere Lokale sind in den vergangenen Jahren in der Innenstadt neu hinzugekommen und finden ihr Publikum – etwa das italienische Restaurant „Aposto“am Rathausplatz oder die „Tafeldecker“mit bayerischen Tapas in der Fuggerei. Leo Dietz, der Vorsitzende des Hotel- und Gast- in Augsburg, sagt: „Die Leute sind bereit, für Qualität und Service Geld auszugeben.“Gemeinsam essen zu gehen liege im Trend. Gerade am Wochenende seien die Lokale gut besucht und teils auch komplett ausgebucht.
Leo Dietz sieht eine Veränderung in der Gastronomie, die schon vor einigen Jahren begonnen habe. Klassische Betriebe im Nachtleben wie Diskotheken und Klubs hätten es zunehmend schwerer, sagt er. Einige mussten auch aufgeben. Dafür entstünden viele neue Lokale, die auf Essen setzen und eher einen Lounge- oder Café-Charakter hätten. Der Trend bewege sich aktuell weg vom Schwerpunkt Trinken und Party hin zum Essen. Auch bei jüngeren Leuten – eigentlich das klassische Publikum für Nachtlokale – könne man das beobachten.
„Picnic“-Macher Luciano Bellano hat eine Erklärung dafür, warum Klubs und Diskotheken schwächeln. „Früher musste man dort hingehen, um Mädels kennenzulernen“, sagt er. „Heute findet man sich im Internet und geht lieber in eine Lounge, wo man entspannt sitzen und miteinander reden kann.“Ihr Abschied aus dem Nachtleben sei aber nicht allein diesem Trend geschuldet ge- wesen. Luciano Bellano verrät: „Wir werden auch nicht jünger und haben uns überlegt, dass wir nicht ewig hinter der Bar und am DJ-Pult stehen können.“Rund eineinhalb Jahre lang feilten sie am Konzept. Sie fuhren in dieser Zeit auch sechs oder sieben Mal nach Berlin, um dort Trends aufzuspüren.
Demnächst wagen die Geschäftspartner den nächsten Schritt. Sie wollen noch in diesem Jahr, gleich neben dem „Picnic“in der Wintergasse, ein Steakhaus eröffnen. Das „Barfly“haben sie vor Kurzem ganz abgegeben. Leo Dietz, der auch für die CSU im Stadtrat sitzt, betreibt ebenfalls Lokale in der Maximilianstraße. Sein „Peaches“und der „Mauser“-Club sind klassische Betriebe im Nachtleben. Er will daran festhalten. „Es gibt ja auch nach wie vor Leute, die weggehen und Party machen wollen“, sagt er. „Aber die Gäste kommen nicht mehr so konstant und verlässlich wie früher.“Zudem müsse man den Gästen ständig Neues bieten. Dietz sagt: „Den Laden aufschließen, Musik machen und warten, bis Leute kommen – das funktioniert nicht mehr.“
Ebenfalls ein Trend: Viele Lokale werden von Restaurant-Ketten betrieben. In Augsburg ist unter andestättenverbands rem die „Enchilada“-Gruppe präsent. Sie hat bundesweit über 160 Lokale. In Augsburg sind es neben dem gleichnamigen Tex-Mex-Restaurant das „Riegele-Wirtshaus“, der „Ratskeller“sowie das „Aposto“und das „Dean-and-David“am Rathausplatz. Auch das „Vapiano“oder die „L’Osteria“sind überregionale Marken. Leo Dietz sagt, das sei eine Verschiebung hin zu Ketten, wie sie sich vor Jahren schon im Einzelhandel gezeigt habe. Große Unternehmen mit vielen Filialen hätten einige Vorteile: Sie seien finanzstark und könnten es sich leisten, ihre Lokale für viel Geld einzurichten. Auch Schwächephasen an einzelnen Standorten ließen sich abfedern. Dazu komme ein Aufwand in Bereichen wie Marketing oder Produktentwicklung, den sich ein einzelner Wirt nicht leisten könne. Leo Dietz ist aber überzeugt: Für inhabergeführte Lokale werde es zwar nicht einfacher. Doch wer sich „reinhängt“, werde Erfolg haben.
Das sehen auch die „Picnic“-Macher so. „Man muss mit Leidenschaft dabei sein“, sagt Luciano Bellano. Wenn es nötig ist, stellt er sich auch als Chef ans Spülbecken. Und er legt Wert darauf, dass alle Gäste begrüßt werden. „Dieses Persönliche kann eine Kette nicht bieten“, meint er.
Massimo Siniscalchi setzt ebenfalls auf die persönliche Atmosphäre. Er ist Chef des „Pastissima“im Domviertel. Seit 1998 betreibt seine Familie das kleine Lokal. „Weil es bei uns familiär zugeht, haben wir viele Stammgäste“, sagt er. Darauf könne man sich aber längst nicht mehr ausruhen. „Man muss immer wieder was Neues machen“, sagt er. „Man muss immer am Ball bleiben.“Nur so könne man auf Dauer bestehen.