Abgefahrener Traum in Himmelblau
Der Trabi wird 60. Melanie Neubert aus Altenmünster hat einen von gut 30, die noch im Landkreis umherfahren. Dahinter verbirgt sich eine spezielle Geschichte
Altenmünster Die Geschichte des „Trabi“beginnt im Jahr 1957. D amit ist die Autoreihe deutlich älter als die 37-jährige Melanie Neubert aus Altenmünster. Doch im Gegensatz dazu ist der ganz persönliche Trabant der Automobilenthusiastin mit Baujahr 1989 vergleichsweise jung. Der himmelblau-cremefarbene Trabant P 601 rollte 1989 in dem Jahr vom Band, als die Mauer fiel und Zehntausende von Trabis sich auf eine erste Fahrt in Richtung Westen machten. Rund zwei Jahre später wurde die Produktion des Autos eingestellt.
Melanie Neubert beschreibt sich selbst als „Flakonkäuferin“: Trabanten fand sie schon „süß, schnuckelig und klein“, bevor sie überhaupt volljährig war. Damals kannte sie die Autos vor allem aus dem Fernsehen und von Bildern. Heute ist der Geruch der Oldtimer für die Autoliebhaberin „wie Coco Chanel für andere“– und sie weiß, wie viel Geschichte hinter dem DDR-Symbol steckt.
Die 37-Jährige selbst kommt nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen. Als Melanie Neubert Jahre alt wurde, hatte sie nicht das nötige Kleingeld, um sich einen Trabanten zu kaufen. Doch vor acht Jahren ging ihr Wunsch in Erfüllung: Eine Bekannte aus Cottbus teilte ihr mit, dass dort eine Scheune ausgeräumt werde – mit zwei verwahrlosten Trabanten darin, die entsorgt werden sollten. „Die wurden wohl schon seit der Wende nicht mehr bewegt“, erzählt Melanie Neubert. Sie rettete die beiden Oldtimer, musste mit dem Hochdruckreiniger erst einmal „gefühlt 50 Kilo Dreck entfernen“.
Schließlich richtete sie aus Teilen beider Autos einen neuen Trabanten komplett her – und das mit eigenen Händen. Die Leidenschaft für das Schrauben teilt die Betriebswirtin bei einem Gersthofer Autohaus mit ihrem Mann. Sie lacht: „Unser Haus haben wir nur wegen den vielen Garagen gekauft.“
Insgesamt sind im Landkreis 31 Trabanten gemeldet. Dass der eigene Trabi zweifarbig sein muss, war Melanie Neubert immer schon klar. Im Laufe der Zeit wurde die Bremsanlage erneuert und ein Sportmotor eingebaut. Jetzt fährt ihr „Baby“mit 35 statt 26 Pferdestärken. Die „Seele des Zweitakters“sei dabei gleich geblieben. Auf der Autobahn habe er bei Geschwindigkeit 100 so geheult, dass er ihr leidtat, erzählt die Frau. Allgemein sei das Mitleid der Menschen groß: Bleibt der schnuckelige Trabi einmal stehen, sind schnell die Helfer von allen Seiten parat. Außerdem sei der Trabant leicht, „man kann ihn zu dritt schieben“.
Melanie Neuberts „zweitgroße Liebe“wird nur im Sommer gefah18 ren. Dann winken die Leute auf der Straße und machen Videos. Was man nicht meinen könnte: In den „großen“Innenraum des kleinen Autos passen fünf Personen. Den „Luxus“einer Klimaanlage gibt es nicht. Doch der Motor heize so gut, dass man es im Oldtimer schön warm habe, wenn man die Lüftung aufdreht. „So kann man theoretisch auch im Winter fahren“, schildert die Trabi-Besitzerin schmunzelnd.
Ihr „Baby“sei vor allem eines: laut. Das gehört für Melanie Neubert zum Fahrgefühl. Außerdem höre man so, wenn es ein Problem gibt. Und in dieser Hinsicht sei der Trabant „eine Tussi“– manchmal zickt er, will nicht anspringen. Dann müsse man ihn oft nur eine Stunde in Ruhe lassen, und alles geht wieder. Wenn es mit den Mucken ernst wird, liege das meist an der Zündung. Doch Ersatzteile seien gut und günstig zu bekommen, zum Beispiel über den Online-Versandhandel. Den Wert ihres Heiligtums schätzt Melanie Neubert auf circa 8000 Euro, doch das sei ein „Liebhaberpreis“. Allerdings steht für die Frau aus Altenmünster fest: Ihr „Baby“würde sie niemals und für kein Geld der Welt hergeben.