Was tun gegen die „Wahnsinnigen“?
In Bliensbach wurden künstliche Hindernisse als Mittel gegen Raser getestet. Bürgermeister Willy Lehmeier hält die Maßnahmen für angebracht und zweckdienlich. Die Bliensbacher Bürger sind anderer Meinung
Wertingen Die Probleme mit Rasern ziehen sich weiterhin wie ein roter Faden durch die Bürgerversammlungen der Wertinger Ortsteile. Am Dienstag machten die gut 40 Bliensbacher, die ins Bürgerhaus gekommen waren, ihrem Ärger Luft. Der Ansatz, mit Verkehrsschikanen den Rasern beizukommen, sei in Bliensbach gescheitert.
Es zeigte sich, dass die Zahlen, die Bürgermeister Willy Lehmeier dabei hatte, höchst unterschiedlich interpretierbar sind. Denn die Schikanen, welche die Stadtverwaltung im März aufstellen ließ, haben durchaus Wirkung gezeigt.
Bekämpfen wollte man damit eine Gruppe von Autofahrern, die Bürgermeister Lehmeier mehrfach „Wahnsinnige“nannte. Gemeint ist damit eine Minderheit, die laut Beschreibung der Bliensbacher zunächst auf der Staatsstraße 2033 unterwegs sind. Da dort das Aufkommen an Lastkraftwagen vergleichsweise hoch sei, will den Schilderungen zufolge manch ein Autofahrer durch Bliensbach „abkürzen“und weiter Richtung Dillingen fahren. Da die Strecke aber länger und mit Kurven versehen ist, müssen diese ihrer eigenen Logik zufolge in Bliensbach auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen – sehr hohe.
Die Bliensbacher Ortsdurchfahrt wurde in den 70er-Jahren ausgebaut, um den Pendlerverkehr nach Augsburg zu erleichtern. Die Staatsstraße 2033 existierte damals in ihrer heutigen Form noch nicht. Da praktisch niemand mehr von Wertingen oder Dillingen kommend über Bliensbach nach Augsburg fährt, fühlen sich die Bliensbacher mit den Überbleibseln der einstigen Verkehrspolitik belastet, wie am Dienstag deutlich wurde.
Die Stadt führte von 17. März bis 15. Mai eine Reihe von Verkehrsmessungen durch. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde auch das Potenzial von künstlichen Verkehrshindernissen ausgelotet. Als ohne Hindernisse gemessen wurde, kamen von gut 7500 Fahrzeugen knapp 800 auf über 70 Kilometer pro Stunde. 27 Fahrzeuge kamen sogar auf die aberwitzige Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometern innerhalb der Ortschaft. Mit einem Hindernis verminderte sich prozentual die erste Zahl kaum, doch wurden nur noch 13 Super- gemessen. Nachdem die Stadt noch ein Hindernis in die Straße gestellt hatte, schwankten die Zahlen, gemessen über einen Zeitraum von insgesamt drei Wochen, etwas stärker. Die Zahl der Messungen über 70 km/h ging um rund drei Viertel zurück. In den drei Wochen fuhren trotz zweier Hindernisse noch zwölf Fahrzeuge innerorts schneller als 100 Stundenkilometer. Dieser Umstand verblüffte sowohl Bürger als auch Bürgermeister.
Lehmeier wertete die Hindernisse als Erfolg. Er berichtete von der Situation in Rieblingen, wo die Bürger sich vehement für die Verkehrsberuhigung durch Schikanen ausgesprochen hatten. Die Bliensbacher ticken anders: hier schlug ihm eine Welle der Kritik entgegen. Der Grundtenor: Die Maßnahmen reichen nicht aus. Die Anzahl der verbliebenen Schnellfahrer und Raser wollen die Bliensbacher weiterhin nicht hinnehmen. „Diese Leute fahren bestimmt nicht nur in Bliensbach so schnell“, sagte eine Bürgerin. Die Lösung sehen die meisten in regelmäßigen „Blitzern“der Polizei. Bei den Hindernissen gebe es noch das Problem, dass sie nach den Erfahrungen mancher Bliensbacher eher zu einer Verschlimmerung des regulären Verkehrs führten. Schließlich stimmten die Bliensbacher per Handzeichen ab. Für den Erhalt der Hindernisse stimmte niemand, für deren Beseitigung die überwiegende Mehrheit der Anwesenden. Was sonst noch diskutiert wurde: Jugendhilfe: Ein Bürger äußerte Zweifel an der finanziellen Verhältnismäßigkeit. Der Aufwand, der für die Betreuung der Jugendlichen betrieben werde, sei enorm. Diese verRaser brächten dort oft nur wenige Stunden, in denen sicher kein durchschlagender Erfolg zu verzeichnen sei. Lehmeier verteidigte die Einrichtung entschlossen. „Jugendarbeit lässt sich nicht in Kosten messen“, sagte er. „Da kommen manche aus Verhältnissen, die kann man sich nur schwer vorstellen.“
Auch die Parkplatzsituation wurde von den Bürgern angesprochen. Gerade in Zeiten von Tagungen oder anderen Veranstaltungen parkten die Teilnehmer oft rücksichtslos, teils sogar auf Privatgrundstücken, klagten die Bürger.
Ortsverbindungsstraße Bliens bach Hohenreichen: Lehmeier gab zu: Die Straße ist eine „Katastrophe, da brauchen wir nicht reden.“Die Bürger klagten, dass man ihnen 2015 das Versprechen gegeben habe, dass die marode Straße bis zum heutigen Zeitpunkt eigentlich hätte saniert sein müssen. Lehmeier wies auf die schwierige Situation der Stadt hin. „Wenn ihr mir sagt’s, wo ich das Geld hernehmen soll, dann gerne.“Er nannte als Schwierigkeit nochmals die Schuldengrenze, die das Landratsamt Wertingen de facto verordnet hat. Anderswo sei es zudem noch schlimmer: Die Roggdener warteten mittlerweile seit vier Jahren auf ihre neue Brücke.
Jugendtreff: Lukas Gaugler von der Jugendfeuerwehr bat den Bürgermeister um finanzielle Unterstützung für die Jugendarbeit. Lehmeier schlug ein Gespräch vor, bei dem auch der Leiter des Wertinger Jugendhauses, Tobias Kolb, anwesend sein soll. In diesem Gespräch könnte man auch eine etwaige Förderung über den Kreisjugendring besprechen.