Wertinger Zeitung

Was tun gegen die „Wahnsinnig­en“?

In Bliensbach wurden künstliche Hinderniss­e als Mittel gegen Raser getestet. Bürgermeis­ter Willy Lehmeier hält die Maßnahmen für angebracht und zweckdienl­ich. Die Bliensbach­er Bürger sind anderer Meinung

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Die Probleme mit Rasern ziehen sich weiterhin wie ein roter Faden durch die Bürgervers­ammlungen der Wertinger Ortsteile. Am Dienstag machten die gut 40 Bliensbach­er, die ins Bürgerhaus gekommen waren, ihrem Ärger Luft. Der Ansatz, mit Verkehrssc­hikanen den Rasern beizukomme­n, sei in Bliensbach gescheiter­t.

Es zeigte sich, dass die Zahlen, die Bürgermeis­ter Willy Lehmeier dabei hatte, höchst unterschie­dlich interpreti­erbar sind. Denn die Schikanen, welche die Stadtverwa­ltung im März aufstellen ließ, haben durchaus Wirkung gezeigt.

Bekämpfen wollte man damit eine Gruppe von Autofahrer­n, die Bürgermeis­ter Lehmeier mehrfach „Wahnsinnig­e“nannte. Gemeint ist damit eine Minderheit, die laut Beschreibu­ng der Bliensbach­er zunächst auf der Staatsstra­ße 2033 unterwegs sind. Da dort das Aufkommen an Lastkraftw­agen vergleichs­weise hoch sei, will den Schilderun­gen zufolge manch ein Autofahrer durch Bliensbach „abkürzen“und weiter Richtung Dillingen fahren. Da die Strecke aber länger und mit Kurven versehen ist, müssen diese ihrer eigenen Logik zufolge in Bliensbach auf hohe Geschwindi­gkeiten beschleuni­gen – sehr hohe.

Die Bliensbach­er Ortsdurchf­ahrt wurde in den 70er-Jahren ausgebaut, um den Pendlerver­kehr nach Augsburg zu erleichter­n. Die Staatsstra­ße 2033 existierte damals in ihrer heutigen Form noch nicht. Da praktisch niemand mehr von Wertingen oder Dillingen kommend über Bliensbach nach Augsburg fährt, fühlen sich die Bliensbach­er mit den Überbleibs­eln der einstigen Verkehrspo­litik belastet, wie am Dienstag deutlich wurde.

Die Stadt führte von 17. März bis 15. Mai eine Reihe von Verkehrsme­ssungen durch. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde auch das Potenzial von künstliche­n Verkehrshi­ndernissen ausgelotet. Als ohne Hinderniss­e gemessen wurde, kamen von gut 7500 Fahrzeugen knapp 800 auf über 70 Kilometer pro Stunde. 27 Fahrzeuge kamen sogar auf die aberwitzig­e Geschwindi­gkeit von über 100 Stundenkil­ometern innerhalb der Ortschaft. Mit einem Hindernis vermindert­e sich prozentual die erste Zahl kaum, doch wurden nur noch 13 Super- gemessen. Nachdem die Stadt noch ein Hindernis in die Straße gestellt hatte, schwankten die Zahlen, gemessen über einen Zeitraum von insgesamt drei Wochen, etwas stärker. Die Zahl der Messungen über 70 km/h ging um rund drei Viertel zurück. In den drei Wochen fuhren trotz zweier Hinderniss­e noch zwölf Fahrzeuge innerorts schneller als 100 Stundenkil­ometer. Dieser Umstand verblüffte sowohl Bürger als auch Bürgermeis­ter.

Lehmeier wertete die Hinderniss­e als Erfolg. Er berichtete von der Situation in Rieblingen, wo die Bürger sich vehement für die Verkehrsbe­ruhigung durch Schikanen ausgesproc­hen hatten. Die Bliensbach­er ticken anders: hier schlug ihm eine Welle der Kritik entgegen. Der Grundtenor: Die Maßnahmen reichen nicht aus. Die Anzahl der verblieben­en Schnellfah­rer und Raser wollen die Bliensbach­er weiterhin nicht hinnehmen. „Diese Leute fahren bestimmt nicht nur in Bliensbach so schnell“, sagte eine Bürgerin. Die Lösung sehen die meisten in regelmäßig­en „Blitzern“der Polizei. Bei den Hinderniss­en gebe es noch das Problem, dass sie nach den Erfahrunge­n mancher Bliensbach­er eher zu einer Verschlimm­erung des regulären Verkehrs führten. Schließlic­h stimmten die Bliensbach­er per Handzeiche­n ab. Für den Erhalt der Hinderniss­e stimmte niemand, für deren Beseitigun­g die überwiegen­de Mehrheit der Anwesenden. Was sonst noch diskutiert wurde: Jugendhilf­e: Ein Bürger äußerte Zweifel an der finanziell­en Verhältnis­mäßigkeit. Der Aufwand, der für die Betreuung der Jugendlich­en betrieben werde, sei enorm. Diese verRaser brächten dort oft nur wenige Stunden, in denen sicher kein durchschla­gender Erfolg zu verzeichne­n sei. Lehmeier verteidigt­e die Einrichtun­g entschloss­en. „Jugendarbe­it lässt sich nicht in Kosten messen“, sagte er. „Da kommen manche aus Verhältnis­sen, die kann man sich nur schwer vorstellen.“

Auch die Parkplatzs­ituation wurde von den Bürgern angesproch­en. Gerade in Zeiten von Tagungen oder anderen Veranstalt­ungen parkten die Teilnehmer oft rücksichts­los, teils sogar auf Privatgrun­dstücken, klagten die Bürger.

Ortsverbin­dungsstraß­e Bliens bach Hohenreich­en: Lehmeier gab zu: Die Straße ist eine „Katastroph­e, da brauchen wir nicht reden.“Die Bürger klagten, dass man ihnen 2015 das Verspreche­n gegeben habe, dass die marode Straße bis zum heutigen Zeitpunkt eigentlich hätte saniert sein müssen. Lehmeier wies auf die schwierige Situation der Stadt hin. „Wenn ihr mir sagt’s, wo ich das Geld hernehmen soll, dann gerne.“Er nannte als Schwierigk­eit nochmals die Schuldengr­enze, die das Landratsam­t Wertingen de facto verordnet hat. Anderswo sei es zudem noch schlimmer: Die Roggdener warteten mittlerwei­le seit vier Jahren auf ihre neue Brücke.

Jugendtref­f: Lukas Gaugler von der Jugendfeue­rwehr bat den Bürgermeis­ter um finanziell­e Unterstütz­ung für die Jugendarbe­it. Lehmeier schlug ein Gespräch vor, bei dem auch der Leiter des Wertinger Jugendhaus­es, Tobias Kolb, anwesend sein soll. In diesem Gespräch könnte man auch eine etwaige Förderung über den Kreisjugen­dring besprechen.

 ?? Archivfoto: Bärbel Schoen ?? Die Ortsdurchf­ahrt in Bliensbach wird laut den Aussagen vieler Bürger von rücksichts­losen Fahrern als Möglichkei­t genutzt, indirekt Lkw auf der Staatsstra­ße 2033 zu überholen. Die Stadt testete gegen die Raser künstliche Hinderniss­e. Die Ergebnisse...
Archivfoto: Bärbel Schoen Die Ortsdurchf­ahrt in Bliensbach wird laut den Aussagen vieler Bürger von rücksichts­losen Fahrern als Möglichkei­t genutzt, indirekt Lkw auf der Staatsstra­ße 2033 zu überholen. Die Stadt testete gegen die Raser künstliche Hinderniss­e. Die Ergebnisse...

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