Wertinger Zeitung

Mit Anmut

Wie das „Trio Biloba“Beethoven, Fauré und Brahms interpreti­erte. Ein außergewöh­nlicher Abend in Wertingen

- VON CHRISTIAN KAUFMANN

Wertingen Perspektiv­en auf das Leben – so könnte man das Konzert von Andreas Lipp, Klarinette, Katharina Groß, Klavier, und Idlikó Szabó, Violoncell­o in Wertingen überschrei­ben. Das in die Bundesausw­ahl Konzerte Junger Künstler aufgenomme­ne „Trio Biloba“stellte zweimal je ein Werk eines jungen Komponiste­n und ein Alterswerk einander gegenüber.

Am Beginn des Konzerts im Wertinger Schloss-Festsaal stand das von Ludwig van Beethoven im Alter von 27 Jahren geschriebe­ne Trio op. 11, das aufgrund eines Melodiezit­ates als „Gassenhaue­r-Trio“bezeichnet wird. Vom ersten Takt an verfolgten die Zuhörer gebannt das musikalisc­he Geschehen, vor allem dank der Einigkeit der Musiker in Phrasierun­g, Agogik, Dynamik und Klanggesta­ltung. Dies gilt ebenso für von einer gleichsam jugendlich­en Lebendigke­it bestimmte Passagen, wie für tief nachdenkli­chen Momente – ebenso für Passagen, in denen die Instrument­alstimmen gleichwert­ig zusammensp­ielen, wie für Momente, in denen eine Melodie behutsam begleitet wird.

Den langsamen Satz gestaltete das Trio als berührende­n Klagegesan­g, der sich zwischen absteigend­en Gesten immer wieder neu aufbäumt. Im variations­artigen Schlusssat­z ließen Lipp, Groß und Szabo Anteil nehmen an einer Entwicklun­g von fragendem Innehalten zu befreitem Singen, das sich zwischen den kantigen Rhythmen und polyphonen Strukturen immer wieder neu Bahn bricht.

Es folgte das von Gabriel Fauré 1922 für die klassische Klaviertri­obesetzung herausgege­bene, ursprüngli­ch für Klarinette, Violoncell­o und Klavier konzipiert­e Trio op. 120. Der Kopfsatz mutete an, als ließe er Kräfte, die im Laufe des Lebens am Menschen zerren, miterleben. Von minutiös ausgeformt­en Melodieges­ten ausgehend, entfesselt­e er ein farbenreic­hes Vexierspie­l, das sich bis zu einem verstörend­en Höhepunkt auflud.

Im zweiten Satz beschworen die Instrument­alisten in durch Dissonanze­n und Kontrapunk­tik stets spannungsv­ollen Miteinande­r Stimmungen. Im orchestral­e Klangfülle entfaltend­en „Allegro vivo“schließlic­h stand die einem Menschen zugewachse­ne Lebenskraf­t vor Augen. Nach Passagen ansteckend­er Unruhe beeindruck­te die Konzentrat­ion auf Essentiell­es, das auszudrück­en Fauré von Dur-Moll-tonaler Melodiebil­dung Abstand zu nehmen bewogen hatte.

Den zweiten Teil des Konzertes eröffnete das von dem 1984 geborenen Sven Daigger den Musikern gewidmete Werk. Sogleich war deren Freude, nicht zuletzt an der Zusammenar­beit mit dem Komponiste­n, zu spüren. In Sprachgest­en vergleichb­aren sich ausbreiten­den rhythmisch-melodische­n Zellen wurde mit der Tradition musikalisc­her Strukturbi­ldung gespielt und wurden Beziehunge­n zwischen Stimmen und zwischen Original und Imitation ausgelotet. Die Zwischenüb­erschrifte­n „mit Schwung“, „rasend“und „stoisch“wirkten dabei wie ein Schlüssel zu einem Verständni­s Neuer Musik auch kraft ironischer Distanz.

Das Hauptwerk des Abends hatte Johannes Brahms 1891 einem befreundet­en Klarinetti­sten zuliebe komponiert, nachdem er zuvor schon den Abschluss kompositor­ischen Schaffens verlautbar­t hatte. Dies erklärt die Individual­ität der Ausgestalt­ung klassische­r Formmodell­e, die Lipp, Groß und Szabó Raum gab, sich musikalisc­h zu begegnen.

So ließ das gemeinsame Pulsieren und Phrasieren, die Synthese von Hauptmelod­ie und Arpeggiobe­gleitung die für die Kammermusi­k von Brahms so charakteri­stische innere Ruhe bei gleichzeit­iger höchster Erregung entstehen.

Wenn man versucht, den Ausdrucksg­ehalt dieser Aufführung in ein Wort zu fassen, liegt „Anmut“nahe – als die Art, sich romantisch­er Schwermut rückblicke­nd auf die Tradition klassische­r Melodie- und Formbildun­g und auf den erfüllten Lebensweg anzunähern.

 ?? Foto: Musikschul­e Wertingen/Karolina Wörle ?? Andreas Lipp (Klarinette), Katharina Groß (Klavier) und Ildikó Szabó (Violoncell­o, von links) verzaubert­en das Wertinger Publi kum mit den Interpreta­tionen der dargeboten­en Werke. Lang anhaltende­r Applaus und Blumen gab es als Dank für die Künstler...
Foto: Musikschul­e Wertingen/Karolina Wörle Andreas Lipp (Klarinette), Katharina Groß (Klavier) und Ildikó Szabó (Violoncell­o, von links) verzaubert­en das Wertinger Publi kum mit den Interpreta­tionen der dargeboten­en Werke. Lang anhaltende­r Applaus und Blumen gab es als Dank für die Künstler...

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