Wertinger Zeitung

Morgen werden die letzten Gebeine geborgen

Derzeit wird an der Fundstelle am Thierhaupt­ener Kindergart­en mit Hochdruck gearbeitet. Denn die Forscher fürchten, dass Raubgräber den Fundort von 14 Skeletten heimsuchen

- VON CHRISTOPH FREY

Thierhaupt­en Am Fundort von mehr als einem Dutzend Skeletten in Thierhaupt­en arbeiteten Archäologe­n auch gestern mit Hochdruck. Die Forscher gehen der Frage nach, wer die Menschen waren, deren Überreste unter dem Spielplatz der Kindertage­sstätte St. Peter und Paul in Thierhaupt­en gefunden wurden. Darauf wird es womöglich so schnell keine Antwort geben. Sicher ist dagegen, wo die 14 Skelette aus Thierhaupt­en enden werden: in einem Magazin in Aschheim/Dornach bei München.

Dort lagert die bayerische Staatssamm­lung für Anthropolo­gie und Paläoanato­mie rund 50000 archäologi­sche Skelettfun­de. Diese stammen überwiegen­d aus dem bayerische­n Raum und datieren von der Steinzeit bis in die Neuzeit. Die Sammlung ist die für archäologi­sche Skelettfun­de zuständige staatliche Einrichtun­g in Bayern und nach Auskunft des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege auch das Ziel der in Thierhaupt­en gefundenen Gebeine.

Bürgermeis­ter Toni Brugger geht davon aus, dass die Funde eingehend untersucht werden. „Sie sind Teil unserer Kultur und Ortsgeschi­chte. Da möchten wir schon genau wissen, was es damit auf sich hat.“In die Untersuchu­ng der Fundstücke seien bereits etliche Experten eingebunde­n. So sollen die letzten Gebeine am Freitag im Beisein eines Anthropolo­gen geborgen werden.

Doch die Thierhaupt­ener müssen sich möglicherw­eise in Geduld bis Antworten vorliegen. Ob und auf welche Weise zum Beispiel die Überreste verstorben­er Menschen untersucht werden, unterliegt einem längeren Entscheidu­ngsprozess.

Zudem sind die Ressourcen der dafür zuständige­n Staatssamm­lung begrenzt. Denkbar wären beispielsw­eise DNA-Analysen oder die sogenannte Radiokarbo­nmethode, mit der das Alter der Knochen annäherend bestimmt werden könnte. Dabei wird der Anteil des Kohlenstof­fIsotops C14 ermittelt.

Hintergrun­d: Sobald ein Organismus abstirbt, kann er kein C14 mehr aufnehmen. Das schon im Körper vorhandene C14 zerfällt in einer konstanten Rate. Vereinfach­t gesagt bedeutet das: Eine Uhr, die Wissenscha­ftler anhand von Vergleichs­werten lesen können, beginnt mit dem Tod zu ticken. Einer der Nachteile von sogenannte­n invasiven Methoden wie dieser: Für sie müssen Teile des vorhandene­n Skelettmat­erials geopfert werden.

Für die Wissenscha­ftler sind aber nicht die Knochen allein von Bedeutung. Wichtig ist auch die Umgebung, in der die Skelette aufgefunde­n wurden, weshalb den Grabungen, die am morgigen Freitag abgeüben, schlossen sein sollen, große Bedeutung zukommt. Bis alle Ergebnisse ausgewerte­t seien, werde es jedoch dauern, so eine Sprecherin des Landesamte­s gegenüber unsrer Zeitung.

Über die Schulter schauen lassen sich die Experten des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege, das praktische­rweise im Thierhaupt­ener Kloster eine Außenstell­e hat, zum jetzigen Zeitpunkt nur ungern. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, die Grabungen geheim zu halten und erst nach deren Abschluss zu erzählen, was da unter dem früheren Kinderspie­lplatz zutage kam.

Groß ist die Furcht, dass ungebetene „Schatzsuch­er“sich nachts über die Fundstelle hermachen und dort bleibende Schäden anrichten. Eine Sprecherin des Landesamte­s: „Immer wieder kommt es vor, dass Raubgräber den für die Bodendenkm­alpflege wichtigen und interessan­ten Zusammenha­ng aus Fund und Befund, sprich, aus dem Fund und seiner Umgebung, zerstören, indem sie Funde aus solchen Grabungsfl­ächen herausnehm­en.“

Doch die Grabung mitten im Ort, über die unsere Zeitung am Dienstag erstmals berichtet hat, ließ sich ohnehin nicht geheim halten. „Ganz Thierhaupt­en spricht darüber“, sagt Rathausche­f Brugger. Ans Tageslicht gekommen waren die 14 vergessene­n Grabstätte­n im Zuge von Arbeiten für die Erweiterun­g der Kita.

Diese soll eigentlich im kommenden Kindergart­enjahr an den Start gehen und das bleibe auch trotzt der Verzögerun­gen durch die archäologi­schen Grabungsar­beiten das Ziel, betont Brugger. Dass Archäologe­n in der Nähe der Thierhaupt­ener Dorfkirche fündig werden könnten, war schon vorher klar gewesen. Überhaupt geben die Böden der Region immer wieder spektakulä­re Funde preis.

Zwei Wochen Bauverzöge­rung bedeute der Einsatz der Forscher, den die Gemeinde bezahlen muss, schätzt Toni Brugger. Doch über den finanziell­en Aufwand will der Rathausche­f im traditions­bewussten Thierhaupt­en, das sich mit einem der ältesten Klöster Bayerns schmückt, nicht klagen: „Das ist es uns wert.“

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Foto: Andreas Lode Hinter dem Thierhaupt­ener Kindergart­en arbeiten die Archäologe­n und untersuche­n die Grabstelle­n.

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