Wie man in nur zwei Wochen eine Koalition bildet
SPD und CDU raufen sich in Niedersachsen zusammen. Und das trotz denkbar ungünstiger Vorzeichen
Berlin/Hannover Die Regierung steht. Und es ist nicht etwa ein Jamaika-Bündnis, sondern eine Große Koalition. Keine fünf Wochen nach der Landtagswahl in Niedersachsen haben sich SPD und CDU darauf geeinigt, in Hannover künftig gemeinsame Sache zu machen. Dabei hatten der alte und neue Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein christdemokratischer Herausforderer Bernd Althusmann im Wahlkampf keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung gemacht. Ein politischer Schulterschluss schien kaum denkbar. Nun sitzen die beiden da und grinsen. Ein wenig schief vielleicht, aber auch erleichtert.
„Zwei Wochen sind weiß Gott kein langer Zeitraum, wenn man sich andere Beispiele vor Augen führt, die wir derzeit ja auch erleben“, sagt Stephan Weil. Ein Seitenhieb auf die Sondierungsgespräche über eine mögliche Jamaika-Koalition auf Bundesebene, die fast zur selben Stunde in Berlin in die entscheidende Phase gehen. Gerade mal zwei Wochen sind zwischen dem Beginn der Gespräche in Hannover und der Vollendung des Koalitionsvertrags vergangen. „Hart, zügig und konstruktiv“nennt Weil die Verhandlungen, die – ebenfalls im Unterschied zu den Jamaika-Scharmützeln – von erstaunlich wenig Nebengeräuschen begleitet worden sind. Bernd Althusmann, künftiger Stellvertreter Weils als Regierungschef und Wirtschaftsminister, räumt ein, dass das jetzt geschlossene Bündnis nicht das Ziel seiner CDU gewesen sei. Aus dem Wahlergebnis aber habe sich ein klarer Auftrag für diese „Koalition der Vernunft“ergeben.
Es ist, das wird überdeutlich, keine Liebesheirat, sondern eine reine Zweckehe. Doch selbst damit war noch vor wenigen Wochen kaum zu rechnen, weil die Lager aus SPD und Grünen auf der einen und CDU und FDP auf der anderen Seite sich fast schon hasserfüllt gegenüberstanden. Hintergrund: Zu den vorgezogenen Neuwahlen kam es, nachdem Elke Twesten, eine Abgeordnete der Grünen, ins CDU-Lager abgewandert war. Weils rotgrüne Regierung war ihre knappe Mehrheit los und warf der CDU Foulspiel vor. Der Wahlkampf geriet zeitweise zur Schlammschlacht. Doch als die Stimmen der Niedersachsen ausgezählt waren, stand fest: Der SPD, mit 36,9 Prozent der Stimmen stärkste Partei, bleibt letztlich nur die Versöhnung mit der zweitplatzierten CDU, die 33,6 Prozent erhielt. Denn vor dem Urnengang war es in der norddeutschen Ebene zu einer schweren Ausschließeritis-Epidemie gekommen.
Weil die Grünen nach der Twesten-Affäre unter keinen Umständen mit der CDU zusammengehen wollten, hatte Jamaika keine Chance. Ebenso schloss die FDP ein Bündnis mit SPD und Grünen aus. Für das bisherige rot-grüne Modell fehlte die Mehrheit – genau wie für den von Althusmann favorisierten Pakt zwischen CDU und FDP. Rot-RotGrün stand gar nicht erst zur Debatte, weil die Linkspartei den Einzug in den Landtag verpasst hatte.
Große Koalition also, mit viel Zähneknirschen. Am Anfang der Gespräche, so heißt es, stand ein reinigendes Gewitter, doch dann folgte eine Einigung nach der anderen. Beide Seiten betonen nun, dass sie ihre jeweils wichtigsten Forderungen umsetzen konnten. So sollen in Niedersachsen die Kita-Gebühren abgeschafft und 1000 neue Lehrer eingestellt werden. Auch beim strittigen Thema der Inklusion von Schülern mit Behinderung wurde ein Kompromiss gefunden. Die Zahl der Polizisten soll zunächst um 1500 erhöht werden.
Eine SPD-geführte Regierung mit der CDU als Juniorpartner, und das im zweitgrößten deutschen Flächenstaat – das ist Balsam für die Seele der gebeutelten Bundes-SPD. Stephan Weil gehöre nun zum engsten Führungszirkel, ohne ihn dürften in Zukunft keine wichtigen Entscheidungen mehr fallen, ist in der Berliner Parteizentrale zu hören.