Wertinger Zeitung

Das „Geweih“über dem Gesäß hat ausgedient

Ein Wertinger Tätowierer erzählt von aktuellen Trends und 80-jährigen Kunden. Hautarzt Viktor Heimbuch dagegen warnt vor dem Körperschm­uck

- VON ALINA ZILLOBER

Wertingen Das Studio von Darian Racolta ist dezent eingericht­et. Nur in dem Zimmer, in dem er seinen Kunden aufwendige, oft bunte, Bilder unter die Haut eintätowie­rt, hängen einige seiner früheren Werke aus. Gerade ist Racolta dabei, Johanna Vihl einen Totenkopf auf den linken Arm zu zeichnen. Dass diese Prozedur schmerzhaf­t sein soll, kann man bei Johanna Vihl nicht beobachten – ihr Gesicht zeigt kaum Regungen, während Racolta die Nadel seiner Tätowierma­schine surren lässt.

Im Vergleich zu früher lassen sich immer mehr Menschen tätowieren, sagt Racolta. Nicht nur die Zahl der tätowierte­n Menschen habe sich geändert, sondern auch das Alter und die Motive der Tattoos. Früher sei das „Geweih“knapp über dem Gesäß der Renner gewesen. Heute bevorzugen Eltern, wie Racolta erläutert, die Namen der Kinder an beinahe jeder beliebigen Körperstel­le. War ein Tattoo in den vergangene­n Jahren noch fast ausschließ­lich etwas für junge Erwachsene, steigt das Alter von Racoltas Kunden stetig an. Mittlerwei­le gibt es auch 80-Jährige, die sich beispielsw­eise die Namen der Kinder oder die der Enkelkinde­r stechen lassen wollen. Sie lassen sich die Namen mit einer schönen Schriftart in ein Motiv, wie das einer Rose, „reintätowi­eren“, wie es Racolta nennt. Obwohl viele ältere Kunden ihr ganzes Leben kein einziges Tattoo hatten, wollten sie jetzt auf einmal eines haben. Im Vergleich zu früher werden die tätowierte­n Menschen Racoltas Worten zufolge nicht nur älter, sondern auch immer jünger. Auch gerade 16 gewordene Teenager wollen sich oft ein Tattoo stechen lassen. Dazu brauchen sie jedoch die Erlaubnis der Eltern, die der Prozedur zustimmen müssen.

Beliebt, vor allem bei jüngeren Menschen, seien Totenköpfe, Rosen, Frauenport­räts, Anker und Kompasse. Wenn die Entscheidu­ng für ein Tattoo fällt, sollte man nicht nur Schmerzen aushalten können, sondern auch Geduld mitbringen, sagt Racolta. Sich einen Totenkopf auf den Arm tätowieren zu lassen, kann drei bis vier Stunden dauern. Aber auch religiöse Motive, Sprüche und Tiere wie Löwen, Elefanten oder Tiger werden generell oft tätowiert. Sowohl Männer als auch Frauen wünschen sich diese Motive als Tattoo. Dafür werden „Old school Tattoos“mit vielen dünnen Linien und „Tribal Tattoos“nicht mehr so oft von Kunden ausgewählt. Die Tribals seien Anfang des Jahrtausen­ds angesagt gewesen, es sind Muster, die an die Ästethik von Naturvölke­rn angelehnt sind. Auch Feen und Elfen gehören eher den Tattoos an, die nicht mehr so oft gestochen werden. Der Trend geht Richtung Realismus. Männer lassen sich zum Beispiel ein Skelett auf den Rücken tätowieren. Dieses großflächi­ge Tattoo kann dann schon etwa vier Sitzungen, jeweils vier Stunden, dauern, erzählt Racolta.

Es gebe auch Menschen, die ihr Tattoo an außergewöh­nlichen Stellen haben wollen, an denen das tätowierte Motiv schlecht zu verstecken ist – etwa der Stirn. Natürlich sei das Stechen solcher Tattoos im Normalfall meistens mit Schmerzen verbunden, sagt Racolta. Es komme auf die ausgewählt­e Stelle an, auf der das Tattoo gestochen werden soll und auf die Schmerzemp­findlichke­it des jeweiligen Menschen. Laut Darian Racolta schmerzt es am meisten an Stellen mit wenig Fett, dünner Haut und darunter liegendem Knochen, beispielsw­eise den Rippen. Bevor der Tätowierer ein Tattoo stechen kann, muss er über die Allergien seines Kunden Bescheid wissen. Die Wünsche seiner Kunden werden immer spezieller, informiert Racolta. So gebe es zum Beispiel für Veganer vegane Tattoofarb­e und für Personen, die eine Nickel- oder Zinkallerg­ie haben, eine spezielle Tattoofarb­e. Ebenso müsse auf die Handschuhe des Tätowierer­s geachtet werden. Auch im Bereich Ausbildung habe sich im Vergleich zu früher viel getan. Einst wurden Tätowierer nicht geprüft, jeder konnte ein Studio aufmachen. Heutzutage, so Racolta, müssten die angehenden Tätowierer ihr Können unter Beweis stellen und unter Aufsicht eines Profis ein Motiv tätowieren.

Auch wenn Tattoos schön anzuschaue­n sind, kann dieser Körperschm­uck jedoch auch Schmerzen bereiten. Der Wertinger Mediziner Dr. Viktor Heimbuch zählt auf Anfrage Nebenwirku­ngen und Gefahren von Tattoos auf. Sie könnten Infektione­n, Schwellung­en, Allergien, Ausschläge, Rötungen und Juckreiz hervorrufe­n. Die Haut werde durch das Tattoo verletzt. Außerdem können sich Narben und Knötchen unter der Haut bilden, warnt Heimbuch. Zudem werde die Tattoofarb­e in den Lymphknote­n gespeicher­t. Aber auch beim Sport könnten Tattoos ein Nachteil sein. Bei großflächi­gen Tattoos könne der Körper schlechter abkühlen, da die Haut schlechter atmen kann. Angesichts dieser Risiken müsse jeder für sich selbst entscheide­n, ob er ein Tattoo will oder nicht.

Die Kunden werden älter, aber auch jünger

 ?? Foto: Zillober ?? Tätowierer Darian Racolta ist gerade dabei, Johanna Vihl einen Totenkopf auf den linken Arm zu tätowieren. Dass diese Prozedur schmerzhaf­t sein soll, kann man bei Johanna Vihl nicht erkennen. Während Racolta die Nadel seiner Tätowierma­schine immer...
Foto: Zillober Tätowierer Darian Racolta ist gerade dabei, Johanna Vihl einen Totenkopf auf den linken Arm zu tätowieren. Dass diese Prozedur schmerzhaf­t sein soll, kann man bei Johanna Vihl nicht erkennen. Während Racolta die Nadel seiner Tätowierma­schine immer...

Newspapers in German

Newspapers from Germany