Wertinger Zeitung

Wenn er will, kann Seehofer Parteichef bleiben

Noch spielt der Ministerpr­äsident auf Zeit. Aber der Machtkampf in der CSU treibt auf eine Entscheidu­ng zu. Kommt es zu einem Gespann Seehofer/Söder?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer stellt seine Partei – und deren Anhänger – auf eine harte Geduldspro­be. Seit zwei Monaten, seit der Niederlage bei der Bundestags­wahl, dauert das Hauen und Stechen um die Führung der Partei nun schon an. Ausgerechn­et die CSU, deren große Stärke über Jahrzehnte hinweg die Geschlosse­nheit im Ernstfall war, bietet ein Jahr vor der Landtagswa­hl das Schauspiel eines mit brutaler Härte geführten, selbstmörd­erischen Machtkampf­es. Umso erstaunlic­her ist, dass der Vorsitzend­e Seehofer – obwohl es fünf vor zwölf ist und der gespaltene­n Partei der Niedergang droht – offenbar auf Zeit spielt und mit seinen Plänen hinter dem Berg hält. Für Donnerstag hatte er, endlich, einen Vorschlag für die neue Mannschaft­saufstellu­ng angekündig­t. Doch am Ende eines langen, von „Kameradsch­afts“-Appellen geprägten Tages zauberte der Meister des politische­n Strippensp­iels nur einen Rat der CSU-Weisen aus dem Hut, der ihm nun – hört, hört! – zur Seite stehen soll beim Entwurf einer „befriedend­en Zukunftslö­sung“.

Niemand weiß, was Seehofer im Schilde führt. Will er ganz hinschmeiß­en, eines seiner Ämter abgeben oder gar beide behalten? Ist die Verhinderu­ng seines Herausford­erers Söder als Ministerpr­äsident weiter sein vorrangige­s Ziel? Jedenfalls ist Seehofer, obwohl schwer angezählt, noch immer stark und cool genug, um den Fahrplan zu bestimmen und im Kampf um sein Erbe mitzureden. Die CSU will keinen Königsmord auf offener Bühne, nachdem ihr der Sturz Stoibers einst schlecht bekommen ist. Söder und seine Abgeordnet­en-Bataillone scheuen die offene Feldschlac­ht. Und hat Seehofer nicht eben erst, bei den JamaikaVer­handlungen, bewiesen, dass ihm auf der nationalen Bühne niemand in der CSU das Wasser reichen kann und er vor allem die bundespoli­tische Relevanz der regionalen Partei gewährleis­tet? Die unsichere Lage in Berlin spielt dem Schwergewi­cht Seehofer zur Stunde in die Karten. Er hat, auch wenn die Kanzlerin die Hauptschul­d am Debakel der Union trägt, die Wahl vergeigt. Eine Partei wie die CSU, deren Lebenselix­ier die absolute Mehrheit ist, verzeiht dies nicht. Sie steht 2018 in Bayern vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, die alleinige Macht gegen sechs Parteien (SPD, Grüne, FDP, AfD, Freie Wähler, Linke) zu verteidige­n. Das ist, wenn überhaupt, nur mit geschlosse­nem Auftreten und einem neuen Spitzenkan­didaten zu schaffen, der Erneuerung und frischen Wind verkörpert. Die Ersatzbank der CSU ist mit Söder, Aigner, Weber, Herrmann, Dobrindt ordentlich bestückt. Söder hat im Kampf um die Staatskanz­lei die Nase klar vorn, obwohl er polarisier­t, die ganze Bandbreite der Volksparte­i nicht optimal abdeckt und in der Mitte womöglich mehr verliert, als er rechts gewinnen kann. Aufzuhalte­n ist der Franke aber nur noch um den Preis noch schwererer innerer Turbulenze­n. Weil Söder aus guten Gründen die ganze Macht verwehrt bleibt, läuft es auf eine Ämterteilu­ng hinaus. Und wenn Seehofer auch um eines Abschieds in Würde willen für eine Übergangsz­eit Parteichef bleiben und Bundesmini­ster werden will, so will und kann ihn niemand daran hindern.

Nach Lage der Dinge könnte ein Gespann Seehofer/Söder die CSU wohl am ehesten befrieden und den Absturz bei der Landtagswa­hl verhindern. Der Haken daran ist, dass die beiden seit Jahren verfeindet sind und viele „Sondierung­s“-Gespräche benötigen, um ein gewisses Maß an gegenseiti­gem Vertrauen herzustell­en. Teamgeist ist das Mindeste, was so ein Tandem im Wahljahr haben muss – sonst geht der Schuss für die CSU nach hinten los und der Streit weiter.

Der Herausford­erer scheut die offene Feldschlac­ht

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