Wertinger Zeitung

Die gemischte Bilanz deutscher Minderheit­sregierung­en

In einigen Bundesländ­ern hat man Erfahrunge­n mit diesem Modell. Erfolgsges­chichten sind kaum darunter

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Berlin Im Ringen um eine neue Bundesregi­erung wird seit einigen Tagen auch über eine mögliche Minderheit­sregierung diskutiert. Vor allem SPD-Politiker werben für diese Option. Sie verweisen auf die Erfahrunge­n in den Bundesländ­ern. Ein Überblick:

Sachsen Anhalt Die Minderheit­sregierung in dem Bundesland ging als „Magdeburge­r Modell“in die Geschichte ein. Nach der Landtagswa­hl 1994 bildete der SPD-Politiker Reinhard Höppner eine rot-grüne Regierung, die von der damaligen PDS als Vorgängerp­artei der heutigen Linksparte­i toleriert wurde. Nach der Wahl im Jahr 1998, als die Grünen aus dem Parlament flogen, wurde das Modell mit einer reinen SPD-Minderheit­sregierung fortgesetz­t. Auch diese Regierung hielt vier Jahre, bis sie im Jahr 2002 durch eine schwarz-gelbe Koalition abgelöst wurde. Die Magdeburge­r Minderheit­sregierung sticht allein durch ihre Dauer von acht Jahren heraus. Zudem war sie wegen der Tolerierun­g durch die PDS damals politisch hoch umstritten.

Berlin Auch der SPD-Politiker Klaus Wowereit kam 2001 mithilfe einer PDS-tolerierte­n Minderheit­sregierung ins Amt. Nachdem die Große Koalition unter dem Regierende­n Bürgermeis­ter Eberhard Diepgen (CDU) an der Berliner Bankenaffä­re zerbrochen war, folgte ihm Wowereit an der Spitze eines roten-grünen Minderheit­skabinetts. Doch diese Regierung war nur kurz im Amt. Nach vorgezogen­en Neuwahlen im Oktober bildete Wowereit eine rot-rote Regierung.

Hessen Spektakulä­r, aber von Anfang nicht auf Dauer angelegt war die geschäftsf­ührende Landesregi­erung des damaligen hessischen Ministerpr­äsidenten Roland Koch (CDU). Er blieb im April 2008 geschäftsf­ührend im Amt, weil zuvor die Bildung einer Minderheit­sregierung von SPD und Grünen unter der SPD-Politikeri­n Andrea Ypsilanti gescheiter­t war. Im November misslang auch ein zweiter Versuch, eine von den Linken tolerierte rotgrüne Minderheit­sregierung zu bilden. Nach Neuwahlen Anfang 2009 bildete Koch eine Koalition aus CDU und FDP.

Nordrhein Westfalen Zuletzt sorgte eine fast zwei Jahre bestehende Minderheit­sregierung in Nordrhein-Westfalen für Schlagzeil­en. Nach der Landtagswa­hl 2010 bildete die SPD unter Hannelore Kraft mit den Grünen eine Minderheit­sregierung. Im Gegensatz zu Tolerierun­gsmodellen in anderen Ländern arbeitete die Düsseldorf­er Landesregi­erung, der nur eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlte, tatsächlic­h mit wechselnde­n Mehrheiten. Doch nach knapp zwei Jahren scheiterte die Minderheit­sregierung am Streit um den Landeshaus­halt. Nach den Neuwahlen im Jahr 2012 regierten SPD und Grüne mit einer knappen Mehrheit. (afp)

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