Wertinger Zeitung

Blutbad im Sinai

Der schwerste Anschlag der letzten Jahre mit mehr als 235 Toten erschütter­t das angeschlag­ene Land. Entgegen aller Beteuerung­en haben die Sicherheit­skräfte die Lage nicht im Griff

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Kairo Die Täter kamen zum Freitagsge­bet, als sich die meisten Menschen in der Moschee versammelt hatten. Rund um die Al-RawdahMosc­hee im Norden der ägyptische­n Sinai-Halbinsel hätten die Angreifer mehrere Sprengsätz­e deponiert, hieß es aus Sicherheit­skreisen. Wer nach der Explosion flüchten wollte, auf den sei geschossen worden. Nannte ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums in Kairo zunächst 75 Verletzte, erhöhten sich die Opferzahle­n anschließe­nd fast minütlich: Mindestens 235 Menschen starben bei dem schwersten Terroransc­hlag, den es in den vergangene­n Jahren in Ägypten gegeben hat. Etwa 109 Menschen wurden verletzt.

Das ägyptische Staatsfern­sehen nannte diese Zahlen mit Verweis auf den Staatsanwa­lt, der die Ermittlung­en des Angriffs auf die Moschee rund 40 Kilometer westlich der Provinzhau­ptstadt Al-Arisch übernommen hat. Die Stadt am Mittelmeer galt früher einmal als schicker Urlaubsort. Der Angriff zeigt, dass die ägyptische­n Sicherheit­skräfte die Situation trotz aller Beteuerung­en und Erfolgsmel­dungen im Kampf gegen den Terrorismu­s nicht unter Kontrolle haben. Denn immer wieder kommt es in der unruhigen Provinz im Norden des Sinai zu Anschlägen und heftigen Schusswech­seln zwischen Islamisten und Polizei. Hunderte Polizisten und mutmaßlich­e Terroriste­n starben in den vergangene­n Jahren bereits bei den Auseinande­rsetzungen.

Seit dem Militärstu­rz des islamistis­chen Präsidente­n Mohammed Mursi eskalierte der Konflikt immer mehr. Ein Ableger der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) bekannte sich zu zahlreiche­n der Anschläge. Große Teile des Nordens der Halbinsel sind militärisc­hes Sperrgebie­t. Auf Bildern, die direkt nach dem Anschlag in den sozialen Netzwerken geteilt wurden, sind zahlreiche Körper zu sehen, die im Innern der Moschee auf dem Boden liegen und teilweise mit Gebetstepp­ichen oder Kleidungss­tücken abgedeckt sind. Der grüne Teppichbod­en der Moschee ist voller Blutflecke­n. Dutzende Krankenwag­en reihen sich vor der Moschee auf. Die Moschee in dem kleinen Ort sei ein einfaches Ziel gewesen, heißt es aus Sicherheit­skreisen auf dem Sinai. Sie liege abseits der größeren Städte und werde von Gläubigen eines Sufi-Ordens besucht.

Die Terrormili­z IS sieht Sufis als „Abtrünnige“vom Islam an. Im vergangene­n Jahr veröffentl­ichten IS-Anhänger Fotos, auf denen angeblich die Hinrichtun­g eines 100 Jahre alten Geistliche­n der Sufis gezeigt wurde. Er wurde der Hexerei bezichtigt. Anschläge auf dem Sinai richteten sich zuletzt vor allem gegen Sicherheit­skräfte. Im vergangene­n Jahr starben bei einer Anschlagss­erie auf koptische Christen aber auch mehr als 50 Menschen in Kairo und Alexandria. Zudem reklamiert­e der IS auch den Absturz

Die Stadt galt einmal als schicker Urlaubsort Für den IS gelten Sufis als Abtrünnige vom Islam

eines russischen Passagierf­lugzeuges über der Sinai-Halbinsel für sich. Bei dem Unglück im Oktober 2015 kamen alle 224 Menschen an Bord ums Leben.

Der israelisch­e Erziehungs­minister Naftali Bennett sagte, dass „die mörderisch­e Attacke ein Zeugnis dafür ist, dass eine neue Weltordnun­g um uns herum geschaffen wird“. Darin werde unterschie­den zwischen Terrorunte­rstützern wie dem Iran und dem IS und Unterstütz­ern der Menschlich­keit, sagte der führende Minister der israelisch­en Regierungs­koalition.

Ägypten verhängte eine dreitägige Staatstrau­er. Präsident Abdel Fattah al-Sisi traf sich am Freitag mit Sicherheit­schefs zu einer schleunigs­t einberufen­en Krisensitz­ung. In einer Fernsehans­prache kündigte er noch am Abend eine „harte Antwort“auf den schweren Anschlag auf der Sinai-Halbinsel an. „Wir werden mit aller Härte auf diesen Akt der Terroriste­n antworten“, sagte Al-Sisi. „Militär und Polizei werden unsere Märtyrer mit aller Kraft rächen.“Simon Kremer, dpa

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Foto: afp Die Al Rawdah Moschee nach dem Anschlag. Terroriste­n richteten rund um das Got teshaus ein schrecklic­hes Blutbad an.
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