Wertinger Zeitung

Seht her, ich kann lächeln

Es ging um Freihandel, Demokratie und Menschenre­chte. Doch im Mittelpunk­t stand die Regierungs­krise in Deutschlan­d. Wie Merkel versuchte, die EU-Partner zu beruhigen

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Mehr Freihandel, mehr Demokratie, mehr Menschenre­chte – beim Gipfeltref­fen zwischen den EU-Staats- und Regierungs­chefs mit den Amtskolleg­en aus dem Osten gab es ein volles Programm. Im Mittelpunk­t aber standen Deutschlan­d und seine Regierungs­krise.

„Wir sind handlungsf­ähig“– das ist die zentrale Botschaft dieses Gipfeltref­fens. Aber die Kanzlerin bezieht sich nicht auf Osteuropa, sondern auf Deutschlan­d. Mehrfach sei sie auf die Regierungs­krise in Berlin angesproch­en worden, erzählte Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitag nach dem Treffen. „Auch als geschäftsf­ührende Bundesregi­erung bringen wir uns ein“, führte sie weiter aus. Und da sie „auch mit dem Bundestag“zusammenar­beite, „können wir alle europäisch­en Entscheidu­ngen voranbring­en“. Die Reaktion der Amtskolleg­en sei „zustimmend­es Nicken“gewesen – verständli­cherweise. Denn wie groß die Befürchtun­gen in der EU vor einer lahmenden Bundesregi­erung ist, die in der Union als Gestaltung­skraft für Monate ausfällt, war bereits am Morgen klar geworden.

„Ganz Europa schaut nach Deutschlan­d“, hatte der scheidende österreich­ische Regierungs­chef Christian Kern das ausgedrück­t, was auch aus Luxemburg, den Niederland­en oder Spanien zu hören war. Die Bundesrepu­blik wird lautete die Botschaft.

Deutschlan­d fällt nicht aus, gab die Kanzlerin als Antwort. Und sie mischte sich ein. Mit dem ukrainisch­en Staatspräs­identen Petro Poroschenk­o sprach sie über den „immer noch langsam verlaufend­en Minsker Friedenspr­ozess“für die Ostukraine, aber auch über ganz andere Sorgen. In fast allen Ländern, die da gestern in Brüssel vertreten waren, boomt die Wirtschaft, aber es fehlen Arbeitskrä­fte. Die Angst vor der weiteren Abwanderun­g, vor allem von Facharbeit­ern nach Westen, ist groß. Mindestens so groß wie der Beitrittsw­unsch der Ukraine, Armeniens, gebraucht, Aserbaidsc­hans, Georgiens, Moldawiens und sogar Weißrussla­nds. Dessen umstritten­er Präsident Alexander Lukaschenk­o war zu Hause geblieben – auf Geheiß Moskaus, wie die litauische Präsidenti­n Dalia Grybauskai­te mutmaßte. Dafür imponierte Außenminis­ter Wladimir Makaj mit einem euphorisch­en Appell für mehr Nähe zu Europa: „Wir wollen, dass dieser Gipfel Ergebnisse bringt.“Niemand setze auf Trennlinie­n, sondern auf „Integratio­nsprozesse zwischen der Eurasische­n Wirtschaft­sunion und der EU.“

So stand denn auch am Ende nicht nur ein über 20 Seiten langes Schlussdok­ument, in dem viel von Menschenre­chten, Pluralismu­s und besserer ökonomisch­er Kooperatio­n die Rede ist. Sehr viel wichtiger dürfte aber die darin enthaltene Liste konkreter Projekte sein, die beide Seiten bis 2020 verwirklic­hen wollen. Die Verkehrsin­frastruktu­r zwischen der Union und den beteiligen Ost-Ländern soll ausgebaut werden. Nicht nur in Fragen der Sicherheit will man stärker zusammenar­beiten. Auch beim digitalen Binnenmark­t oder dem Schutz vor Attacken aus dem Internet ist eine engere Kooperatio­n vorgesehen. „Wir sind ein gutes Stück vorangekom­men“, bilanziert­e die Kanzlerin.

Das kann die Gemeinscha­ft aber wohl nicht über alle Themen dieses Tages sagen. Denn an diesem Freitag lief auch das Ultimatum an Großbritan­nien aus, seine Zusagen zu einem erfolgreic­hen Brexit-Vertrag zu erfüllen. Premiermin­isterin Theresa May traf zwar mit Ratspräsid­ent Donald Tusk zusammen. Was die Regierungs­chefin mitgebrach­t hatte oder ob es weiter gehende Verspreche­n gab, blieb aber offen. Zuvor hatte es geheißen, das Vereinigte Königreich wolle sein Angebot für die Schlussrec­hnung von bisher 20 auf 40 Milliarden Euro erhöhen. Doch dafür gab es keine Bestätigun­g. Immerhin, so hieß es hinterher, sei das Gespräch „konstrukti­v“gewesen – was angesichts der bisherigen Brexit-Runden schon ein Erfolg wäre.

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 ?? Foto: John Thys, afp ?? Mission Zuversicht verbreiten: Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit der deutschen De legation beim Gipfeltref­fen in Brüssel.
Foto: John Thys, afp Mission Zuversicht verbreiten: Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit der deutschen De legation beim Gipfeltref­fen in Brüssel.

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