Wertinger Zeitung

Und keiner will den Mehrwegbec­her

Städte kämpfen gegen eine Flut an Pappbecher­n an. Doch die Idee eines Pfand-Gefäßes könnte scheitern, bevor sie sich richtig durchsetzt. Das zeigt sich in Freiburg

-

Freiburg Ein sonniger Novemberta­g im Café Légère in der Altstadt von Freiburg. „Ein Kaffee zum Mitnehmen, bitte“, sagt Sarah, eine Studentin der nahen Universitä­t, und fügt hinzu: „Im Freiburg-Cup“. Die beiden Bedienunge­n hinter der Theke wechseln einen ratlosen Blick. „Haben wir so was?“, fragt er. „Da hinten müssten welche rumstehen“, antwortet sie und holt einen Plastikbec­her aus der hintersten Ecke.

Der Freiburg-Cup brachte die Stadt vor einem Jahr bundesweit in die Schlagzeil­en. Als erste Großstadt führte Freiburg den Mehrwegbec­her ein. Einen Euro Pfand kostet er und kann in allen teilnehmen­den Cafés wieder zurückgege­ben werden. Dort wird er gespült und dann dem nächsten Kunden mitgegeben. Deutlich umweltfreu­ndlicher sollen die Pfandbeche­r sein, und das Stadtbild von ihren überall herumliege­nden Papp-Kollegen befreien.

Dutzende Städte und Gemeinden sind Freiburgs Beispiel gefolgt: Von Sylt bis Rosenheim, von Dresden bis Aachen genießen umweltbewu­sste Verbrauche­r ihren Kaffee heutzutage aus dem Mehrwegbec­her – auch wenn es sich dabei nicht immer um Pfand-Lösungen handelt. In Mering im Kreis Aichach-Friedberg hat das Bündnis für Nachhaltig­keit gerade eben das Konzept eines wiederverw­endbaren Bechers vorgestell­t. In Augsburg kämpfte Umweltrefe­rent Reiner Erben für einen Pfand-Kaffeebech­er.

Soweit das Ideal – doch zeigt das Beispiel Freiburg, dass die Becherrevo­lution enden könnte, bevor sie richtig begonnen hat. „Uns geht’s pfandtasti­sch!“, wirbt die Freibur- ger Abfallwirt­schaft. Rund 100 Geschäfte in der Innenstadt bieten den Freiburg-Cup mittlerwei­le an, rund 26 000 spülmaschi­nenfeste Becher seien ausgeliefe­rt worden. Doch wer durch die gepflaster­ten Gassen mit den kleinen Wasserläuf­en spaziert, kann nach wie vor auf Mauern und neben Stromkäste­n die Pappbecher stehen sehen.

Deutschlan­dweit entstehen jedes Jahr mehr als 40 000 Tonnen Müll aus Pappbecher­n und Plastikdec­keln, schätzt die Deutsche Umwelthilf­e. Für die Produktion dieser Becher würden mehr als 43 000 Bäu- me gefällt, 1,5 Milliarden Liter Wasser und 22 000 Tonnen Rohöl verbraucht. Beim Verrotten der Becher verbleiben der Kunststoff der Innenbesch­ichtung und der Polystyrol­deckel als Mikroplast­ik in der Umwelt. Es gäbe also gute Gründe, auf den Wegwerfbec­her zu verzichten – wenn da nicht die Bequemlich­keit der Leute wäre.

„In den ersten Wochen war das ein richtiger Hype“, berichtet die Kellnerin aus dem Café Légère. Doch mittlerwei­le würden kaum noch Leute nach dem Freiburg-Cup fragen. Das bestätigt auch eine nicht repräsenta­tive Untersuchu­ng von Freiburger Studenten: Im Café Auszeit beispielsw­eise, etwa fünf Minuten entfernt, sank der Anteil des Freiburg-Cups an allen To-go-Bechern von 70 Prozent im letzten Jahr auf nur noch acht Prozent dieses Jahr.

Das führt dazu, dass die Becher ihren wichtigste­n Vorteil verlieren: die Umweltfreu­ndlichkeit. Stefan Pauliuk von der Uni Freiburg hat die Studie der Studenten betreut und sagt: „So wie es jetzt läuft, sind die Mehrwegbec­her kaum besser als Becher aus Pappe“. Das Problem der Freiburg-Cups sei, dass sie zu selten genutzt würden und außerdem mit den umweltschä­dlichen Plastikdec­keln ausgegeben werden. Um den Durchlauf zu erhöhen, müssten die Becher Pauliuks Meinung nach aktiver beworben werden.

Die Verkäufer spielen dabei eine große Rolle: „Sie könnten den Pfandbeche­r zuerst anbieten und erst auf Nachfrage die Einwegbech­er.“Eine weitere Möglichkei­t wäre, die Cafés für die Entsorgung­skosten der Einwegbech­er zahlen zu lassen – das gehe aber rechtlich derzeit nicht. Die Umwelthilf­e hält eine Abgabe von 20 Cent pro Einwegbech­er für notwendig.

Dieter Bootz kümmert sich bei der Freiburger Abfallwirt­schaft um das Projekt. Er gibt die Probleme offen zu: „Wir können noch nicht feststelle­n, dass die Müllmenge in den städtische­n Abfalleime­rn auffällig weniger geworden ist.“Das liege auch daran, dass große Ketten nicht mitmachten. Außerdem hätten Einheimisc­he und Touristen zahlreiche Becher als Souvenir mitgenomme­n. Trotz der Probleme will er den Freiburg-Cup nicht als Misserfolg werten: „Was wir erreicht haben, ist, dass die Freiburger kritischer über Einwegverp­ackungen nachdenken.“Florian Müller, afp

26 000 Becher wurden ausgeliefe­rt

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa ?? So sehen die Mehrwegbec­her aus Kunststoff in Freiburg aus. Leider werden sie selten genutzt.
Foto: Patrick Seeger, dpa So sehen die Mehrwegbec­her aus Kunststoff in Freiburg aus. Leider werden sie selten genutzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany