Wertinger Zeitung

Wenn Wassertrop­fen tanzen...

Jubel im Theater Ulm über die meisterhaf­te Choreograp­hie „Acqua“des scheidende­n Tanzchefs Roberto Scafati. Die „Erinnerung­en“von Gustavo Ramirez Sansano halten nicht mit

- VON DAGMAR HUB

Ulm „Acqua & Recortes“: Der Titel des aktuellen Ballettabe­nds am Theater Ulm geht etwas holprig über die Lippen – verbindet er doch die beiden Arbeiten eines spanischen und eines italienisc­hen Choreograf­en und damit beide Sprachen. Hinter dem Doppel-Titel verbirgt sich eine stringente und in einem optisch wie tänzerisch großartige­m Finale gipfelnde Meisterlei­stung des scheidende­n Ulmer Ballettche­fs Roberto Scafati („Acqua“/ „Wasser“), sowie eine verkürzt präsentier­te, aus suggestive­n Bruchstück­en zusammenge­fügte Choreograf­ie des Spaniers Gustavo Ramirez Sansano, die Szenen aus verschiede­nen seiner Arbeiten in einen neuen Zusammenha­ng fügt und im Januar in der Stadt Münster uraufgefüh­rt worden war („Recortes“/„Erinnerung­en“).

„Recortes“funktionie­rt wie ein Fotoalbum in bewegten Bildern: Sansano setzt sich mit der menschlich­en Identität auseinande­r, die in seiner Choreograf­ie aus Fragmenten der Erinnerung besteht. Die Erinnerung zensiert die Vergangenh­eit subjektiv, indem sie die Bruchstück­e von emotionale­r Bedeutung bewahrt und ihnen ein Existenzre­cht in der Gegenwart gibt – in positiver wie in negativer Hinsicht. Optisch stellt sich das zunächst durch schwarze, schemenhaf­te Figuren in einem schwarzen Raum dar, zu denen allmählich lichthelle Gestalten treten. Zu Elvis Presleys „Love me tender“gibt es einen vielfältig deutbaren, intensiven Pas de Quatre von Tänzern. Ceren Yavan-Wagner und Alessio Pirrone brillieren in dieser Choreograf­ie.

Mit der Uraufführu­ng seiner neuen Arbeit „Acqua“löste Roberto Scafati beim Premierenp­ublikum Beifallsst­ürme und „Bravo!“-Rufe aus. Schon der Beginn überrascht: Die Tänzerinne­n und Tänzer fallen nacheinand­er wie silbern glitzernde Wassertrop­fen aus der Kulisse. Gluckernde, glucksende Geräusche liefert dazu eine pulsierend­e Kompositio­n von Jürgen Grözinger, die in wesentlich­en Teilen live von der Bühne kommt – während das Obertonspe­ktrum vor allem der Geige (Georges-Emmanuel Schneider) weitgehend vorproduzi­ert worden war. „Acqua“setzt das Element Wasser anhand unterschie­dlicher Bilder in niveauvoll­es Tanztheate­r um: Wasser als Nahrungsmi­ttel, Wasser als Mittel der Reinigung, Wasser als meditativ-stilles Element und als Naturgewal­t. Scafatis Tänzer beziehen den Stoff auch direkt in die Choreograf­ie ein, wenn sie Steine aus wassergefü­llten Schalen nehmen und Grözingers perkussive Musik klopfend verstärken. Marcus Denks kluge Lichtführu­ng vervollkom­mnet

Schwarze Figuren in schwarzem Raum Klatschnas­s in strömendem Bühnenrege­n

die Bilder- und Musiksprac­he dieser Choreograp­hie zu einem fasziniere­nden Gesamtkuns­twerk, das im Bühnenhint­ergrund illustrier­t wird durch Bernd Helmut Kröplins hoch aufgelöste Fotografie­n von Tropfenstr­ukturen.

Und: Roberto Scafati gibt den Persönlich­keiten seiner Tänzer in „Acqua“viel Freiraum. Giorgio Strano bringt clowneske Elemente ein, Chiara Rontini kraftvolle Eleganz und Alessio Pirrone große Ausdruckss­tärke. Der Jubel am Ende aber gehörte vor allem Bogdan Muresan und Ceren Yavan-Wagner, die in strömendem Bühnen-Regen klatschnas­s eine furiose und fasziniere­nd gefühlvoll­e Paar-Szene tanzen.

Nächste Aufführung­en: 29. Novem ber, 1., 3., 9., 16., 25. und 29. Dezem ber

 ?? Foto: Ilja Mess ?? Szene aus Roberto Scafatis Choreograf­ie „Acqua“am Theater Ulm.
Foto: Ilja Mess Szene aus Roberto Scafatis Choreograf­ie „Acqua“am Theater Ulm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany