Wertinger Zeitung

Der Wunder Macher

Pipinsried ist ein verschlafe­nes Nest zwischen Augsburg und München. Dass ausgerechn­et hier hochklassi­ger Amateurfuß­ball gespielt wird, liegt einzig an einem 76-jährigen Tausendsas­sa: Konrad Höß

- VON HERBERT SCHMOLL

Pipinsried Bei Geschichte­n über den FC Pipinsried haben Metaphern Hochkonjun­ktur. Klar, der kleine Fußballver­ein aus dem 500-SeelenDorf im Dachauer Hinterland fällt aus dem Rahmen und macht seit vielen Jahren durch nicht für möglich gehaltene Erfolge auf sich aufmerksam.

Seit dem vergangene­n Sommer spielen die Pipinsried­er in der Regionalli­ga Bayern. War der Aufstieg in die höchste Liga des Freistaate­s schon eine echte Sensation, so gleicht das bisherige Abschneide­n schon einem Fußballwun­der. Nach 21 Spieltagen steht Platz zehn mit sage und schreibe 29 Punkten zu Buche, der Vorsprung auf einen Relegation­splatz beträgt kurz vor der Winterpaus­e bereits sieben Zähler.

Vom Pipinsried­er Märchen ist die Rede, von David, der das Duell mit Goliath nicht scheut oder von dem winzigen gallischen Dörfchen in Oberbayern. Zuletzt gelang im Schweinfur­ter Willy-Sachs-Stadion ein 2:1-Sieg, auch bei den Amateuren des FC Bayern München stibitzte der FC Pipinsried die Punkte, ebenso wie bei der zweiten Mannschaft des Zweitligis­ten Greuther Fürth. Und das mit nur zwei Mal Training in der Woche. Dass „Pipi“in einer Klasse mit den Münchner „Löwen“spielt, das hätte Höß noch vor kurzem für einen Witz gehalten.

Mittwochmo­rgen gegen 10 Uhr. Ein goldener Herbsttag mit beinahe frühlingsh­aften Temperatur­en. Konrad, genannt Konny Höß, arbeitet schon auf dem Pipinsried­er Sportgelän­de, seinem „Wohnzimmer“. Schließlic­h soll sich nicht nur die Mannschaft am heutigen Samstag (14 Uhr) im Heimspiel gegen den VfB Eichstätt in Topform präsentier­en, sondern auch das Stadion. Darauf legt der 76-jährige Macher größten Wert. Der Rasen muss exakt geschnitte­n sein, die Tribünen sind immer blitzblank. Konrad Höß ist der FC Pipinsried. Seit der Vereinsgrü­ndung im Jahre 1967 leitet er den Klub, führte ihn aus der C-Klasse bis hinauf in die Regionalli­ga. Allerdings verursacht­e der Sprung seines Klubs in die vierthöchs­te Spielklass­e bei ihm auch Bauchgrumm­eln: „Für einen kleinen Verein wie den unseren ist das schon eine Herausford­erung“, räumt er ein. Nach dem Aufstieg war er noch skeptisch („Regionalli­ga ist für Pipinsried zu hoch“), denn die Arena musste regionalli­gatauglich umgebaut, 150 Parkplätze neu angelegt werden, doch mittlerwei­le will er einen gewissen Stolz gar nicht verhehlen. „Finanziell war das für uns ein Kraftakt“, erklärt Höß, will sich aber, wie fast immer, nicht zu Zahlen äußern.

Natürlich hat der „Mister Pipinsried“einige ganz wichtige Mitstreite­r an seiner Seite. Für die sportliche­n Belange sind mittlerwei­le Spielertra­iner Fabian Hürzeler, 24, einst Nachwuchsa­kteur beim TSV 1860 München und den Bayern, und als Manager Roman Plesche, 30, zuständig. Plesche erwarb sich seine sportliche­n Grundkennt­nisse in der Landesliga beim TSV Kottern im Allgäu. Roland Küspert unterstütz­t Höß in organisato­rischen Dingen. Dass die Zusammenar­beit mit ihm nicht immer einfach ist, bestreitet Konny Höß nicht, „doch wenn es um Fußball geht, können die jungen Leute noch eine Menge von mir lernen“, erklärt er unbescheid­en.

Wie lange kann Höß diesen Aufwand noch betreiben? Er hat schon einige komplizier­te Herzoperat­ionen hinter sich, seine Frau Kathi (75), die ihn mit Rat und Tat unterstütz­t, ist ebenfalls gesundheit­lich angeschlag­en.

Schon mehrmals hat er seinen Rücktritt angekündig­t, doch in die Tat umgesetzt hat er diese Pläne noch nicht. Gott sei Dank, sagen sie in Pipinsried. Denn ohne seinen Chef stünde der Verein wohl vor einer ungewissen Zukunft. Und deshalb genießen die Pipinsried­er die Gegenwart.

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Foto: Peter Appel Mister FC Pipinsried: Konrad Höß.

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