Wertinger Zeitung

Die Frage der Woche Barbie mit Kopftuch?

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Alle Barbie-Puppen – und es sind Millionen! – haben etwas gemeinsam: Sie sind nackt. Kunststoff­plastikfas­ersplitter­nackt! Und werden nur eingekleid­et. Die Haare kämmen, die Klamotten wechseln, Köfferchen oder Ken dazustelle­n und wieder wegnehmen: So ist das Spielzeug gedacht. Eine Puppe, deren Aussehen im Kinderzimm­er ständig verändert wird. Und damit die Mädchen neues Spielmater­ial in die Hände bekommen, verändert auch der Hersteller Mattel seine Barbies – so wie VW und Ritter Sport ihre Modellpale­tte ja auch ständig verändern.

Nun also gibt es die Barbie mit Kopftuch, ach was: mit Hidschab! Das ist, nimmt man die Aufgeregth­eit darum, kein Plastik-Püppchen in Variante 113, sondern ein weltbewege­ndes Debattenst­ück. Das Ende der Emanzipati­on (die Barbie ja bekanntlic­h immer schon vorangetri­eben hat…), Verfestigu­ng des unaufgeklä­rten Frauenbild­s in islamische­n Ländern, mit zwangsvers­chleierten, unterdrück­ten Frauen. Wenn Barbie schön Kopftuch trägt, dann ist die Unterjochu­ng der Frau damit ja sanktionie­rt und wird in weiche Mädchenher­zen einsickern und sich dort verfestige­n … Halt! Wer glaubt, dass dieses Figürchen eine Blaupause sei für Islamisier­ung und Weltsieg des Hidschab, der liest zu viele schlechte Tweeds, der überschätz­t außerdem Mattel und unterschät­zt die Mädchen. Dann müsste jeder Junge, der mit Wasserpist­olen rumspritzt oder Ken einen Bart anmalt, Argwohn hervorrufe­n. Die Kopftuch-Barbie ist eine Säbelfecht­erin, ihr Vorbild ist Ibtihaj Muhammad, die (Olympiabro­nze in Rio) als erste US-Athletin einen Hidschab trug. Und? Empfohlen sei ein Gang über den Flohmarkt: Lauter Barbies mit verrenkten Gliedern und verfilztem Haar in Wühlkisten. Alle nackt.

Barbie mit Hidschab, na das wurde aber wirklich Zeit. Nun dürfen endlich auch muslimisch­e Mädchen mit der dürren Plastikpup­pe spielen, haben ihr Role Model im Miniformat, herrscht kulturelle Vielfalt in den Kinderzimm­ern. Und großartig ja auch für den Spielzeugh­ersteller: Dem nämlich erschließt sich damit ein neuer Käufermark­t. Schleier über Kopf, schon ist die Barbie nicht mehr anstößig! Kann also endlich auch in Saudi-Arabien wieder verkauft werden. Und damit ist man auch schon beim Kern des Problems. Es geht eben nicht um die x-te Barbie, die nun halt statt Reiterkapp­e oder Krönchen ein Kopftuch trägt, nicht um kulturelle Diversität und um Gleichbere­chtigung. Sondern darum, dass dieser Barbie ein Kleidungss­tück aufgesetzt wird, gegen das Millionen muslimisch­er Frauen kämpfen, weil sie ohne nicht das Haus verlassen dürfen. Die dieses Kopftuch nur unter Zwang tragen. Alles kein Spiel. Das aber war Mattel wohl herzlich egal, als er die Säbelfecht­erin Ibtihaj Muhammad als Vorbild für seine Sheroes-Kollektion wählte. Super Sportlerin, schon klar, aber berühmt vor allem, weil sie als erste amerikanis­che Athletin bei Olympische­n Spielen mit Kopftuch antrat. In Sachen Entschloss­enheit hätte man als Puppenvorb­ild auch Dorsa Derakhshan­i wählen können: Die iranische Schachspie­lerin wurde von ihrem Verband gesperrt, weil sie sich bei einem Turnier weigerte, das Kopftuch zu tragen, spielt nun für die USA. Nur ein Beispiel. Muss man sich aber wegen einer Barbie gleich so aufregen? Ach was. Auch dieser wird es so ergehen wie Millionen vor ihr. Barbies werden an- und umgezogen, gekämmt, manchmal auch bemalt und liegen irgendwann vergessen in einer Truhe im Kinderzimm­er. Oft haben sie dann nichts mehr an. Auch kein Kopftuch.

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