Wertinger Zeitung

Der Macht entkommt keiner

Mark Hamill ist noch einmal als Luke Skywalker zu sehen. Wie „Star Wars“sein Leben verändert hat und was er von digitaler Unsterblic­hkeit hält

- Gespräch: André Wesche

Erinnern Sie sich an Ihre erste Lektüre des „Star Wars“-Drehbuchs? Mark Hamill: Ja. Es war ein netter, optimistis­cher, positiver Film. Ich habe darin immer eher ein Märchen gesehen als echte Science-Fiction. Als ich das Buch zum ersten Mal las, erinnerte es mich viel stärker an den „Zauberer von Oz“als an „Forbidden Planet“. Besonders markant war für mich der Humor. Die meisten Science-Fiction-Werke geben sich sehr ernst und trocken. „2001“ist ein Klassiker, aber der Film ist nicht gerade sehr heiter. Ich las dieses „Star Wars“-Buch und fand es großartig. Roboter stritten sich darüber, wer die Schuld trägt! Sie beklagten sich, wie sehr sie Ausflüge in den Weltraum hassen! Das war von einer sehr aufrichtig­en Einfalt. Natürlich gab es auch ernste Aspekte. Aber ich fand das Buch einfach nur saukomisch. Und dieser Humor ist es, den ich an den Filmen so schätze.

Luke Skywalker hat vor vierzig Jahren Ihr Leben verändert. Glauben Sie, das könnte noch einmal passieren? Hamill: Nein. Ich glaube, ich verstehe das Ganze inzwischen. Auch wenn es eine Zeit gedauert hat, es herauszufi­nden. Ich dachte, wir machen diesen spaßigen Film. Es ist um uns herum passiert, als hätten wir uns im Auge des Hurrikans befunden. Carrie, Harrison und ich haben den Film in Kanada beworben. In der Zwischenze­it lief er in den USKinos an. Als wir nach Chicago zurückkehr­ten, gab es diese große Menschentr­aube am Flughafen. Ich sagte zu den anderen: „Hey Leute, da muss jemand sehr Berühmtes im Flugzeug gewesen sein!“. Wir schauten uns um und erwarteten Mick Jagger oder so. Dann sagte ich zu Carrie: „Schau mal, das Mädchen ist genauso gekleidet wie du im Film.“Was passierte da? Es ist schon ein Unterschie­d, ob man einen Film mag und gut gelaunt nach Hause geht oder ob man sich wie die Filmcharak­tere kleidet. So etwas hätten wir niemals erwartet.

Was für ein Gefühl ist es, eine eigene Actionfigu­r zu haben? Hamill: Mein Sohn Nathan wurde geboren, als wir „Das Imperium schlägt zurück“gedreht haben. Bei „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“war er ein Kleinkind. Ich habe George Lucas gefragt, ob ich auf die Liste derjenigen gesetzt werden kann, die kostenlos mit „Star Wars“-Artikeln bemustert werden. Ich dachte an ein T-Shirt oder ein Soundtrack-Album. Ich hatte nicht damit gerechnet, auf elektrisch­en Zahnbürste­n, Unterhosen oder Schlafsäck­en abgebildet zu sein. Aber ich liebe all diesen Kram. Ich erinnere mich noch daran, als ich meinem Sohn sagte: „Schau, mein Gesicht ist auf einer C-3PO-Cerealien-Verpackung!“. Und er: „Wie auch immer…“. Es hat ihn nicht interessie­rt. Aber ich fand es cool.

Waren Sie auch einmal Fan? Hamill: Für mich als Elfjährige­n waren die „Beatles“das Adäquat zu „Star Wars“. Ich konnte es gar nicht fassen! Ich liebte die Musik so sehr und sie waren so lustig drauf. Sie waren auch ziemlich exotisch, ich konnte ihren Akzent nicht einordnen. Ich kann die obsessive Natur des Fantums gut nachvollzi­ehen. Man will alles über seine Idole wissen. Ich würde sie nicht stalken oder vor ihren Häusern herumlunge­rn. Aber meine Faszinatio­n ging weit über die Musik hinaus. Mein Lieblingsf­ilm als Kind war der schwarzwei­ße „King Kong“. Was habe ich diesen Film geliebt!

Sind Sie Sammler? Hamill: Der Memorabili­a-Aspekt ist fasziniere­nd für mich. Ich hatte nie erwartet, welche Ausmaße das annehmen würde. Ich selbst sammle keine „Star Wars“-Artikel. Nathan heute schon. Er trug noch Windeln, als diese großen Kisten von der Firma „Kenner“ankamen. Sein erstes Wort war „Mama“. Und ich schwöre, sein drittes war „Kenner“. Er hat es sofort erkannt, wenn eine solche Sendung ankam. Ich weiß, dass ich sie als Sammler unversehrt auf den Dachboden hätte bringen müssen. In zehn oder fünfzehn Jahren würden sie ihren Wert enorm steigern. Aber was für ein Vater wäre ich gewesen, wenn ich gesagt hätte: „Nein, lass’ uns die Sachen für deinen College-Fond zurücklege­n.“?

Und heute? Hamill: Heute schaut Nathan in die Sammlerkat­aloge und fragt mich, warum ich ihn die „12-Inch-Prinzessin Leia“habe auspacken lassen. Originalve­rpackt ist sie heute 1400 Dollar wert. „Warum hast du zugelassen, dass ich ihr eine Sinead O’Connor-Frisur verpasse?“Ich konnte nur antworten: „Weil du es so wolltest. Erst hast du ihre Haarknoten gelöst. Dann hast du die Haare geschnitte­n. Bald waren nur noch Punkte, wo einmal das Haar gewesen ist. Ich habe die Entscheidu­ng getroffen, dich damit spielen zu lassen. Auch wenn du dir heute eine goldene Nase auf Ebay verdienen könntest.“

Apropos Leia. Lucasfilm hat versproche­n, die verstorben­e Carrie Fisher nicht via Computer wiederaufe­rstehen zu lassen. Glauben Sie daran?

Hamill: (lacht) George gehört zu der Generation von Regisseure­n, die wirklich eine Filmhochsc­hule besucht haben. Die Postproduk­tion macht ihm mehr Freude als die Dreharbeit­en. Was Carrie anbelangt, muss ich die Produktion beim Wort nehmen. In „Rogue One“hat man Peter Cushing wiederbele­bt. Das wirft ethische Fragen auf. Man muss die Genehmigun­g der Hinterblie­benen einholen. Es ist ziemlich nervenaufr­eibend, wenn man seine eigenen Kinder diskutiere­n hört: „Sollen wir zustimmen, wenn sie Dad nach seinem Tod wiederaufe­rstehen lassen wollen?“. – „Kids, hallo? Ich bin hier im selben Raum!“. Vielleicht gibt es eines Tages eine perfekte Technologi­e. Heute kriegen sie meines Erachtens den menschlich­en Blick noch nicht richtig hin. Aber wer weiß? Ich finde die Entscheidu­ng richtig, Carrie nicht im Computer zu animieren.

Wie schwer ist es, auf Carrie Fisher verzichten zu müssen?

Hamill: Wie man es auch dreht, man kann dieser Tatsache nichts Tröstliche­s abgewinnen. Zunächst war ich zornig. Normalerwe­ise war ihr Timing doch hervorrage­nd! Sie sollte im neunten Teil ihren großen Auftritt bekommen. Die Nachricht von ihrem Tod war niederschm­etternd. Ich kenne Carrie genau. Wenn sie jetzt hier wäre, würde sie mit mir Unfug treiben. Als ich mit ihr nach so vielen Jahren wieder zusammentr­af, habe ich mit ihr über eine meiner Lieblingss­tellen aus „Huckleberr­y Finn“gesprochen, in der alle glauben, Tom und Huck seien tot. Die beiden sehen vom Balkon der Kirche aus ihrem eigenen Trauergott­esdienst zu. Carrie liebte diese Szene auch. Ich nahm ihr das Verspreche­n ab, im Falle meines Ablebens meine Beerdigung zu sprengen. Sie sollte unanständi­ge Sachen rufen. Darüber hat sie sehr gelacht und wünschte sich das Gleiche von mir. Dieses eine Verspreche­n habe ich gebrochen. Carries Tod verleiht dem Film eine Melancholi­e, die er nicht verdient. Hoffentlic­h werden die Zuschauer trotzdem mitgerisse­n. Darum geht es doch in „Star Wars“: Triumph und Tragödie, Leben, Tod und Wiedergebu­rt.

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