Hallo du!
Gegen den inneren Schweinehund habe ich einen Teilsieg errungen und mich in einem Fitnessstudio angemeldet. Bei Vertragsschließung sagt der Chef: „Mach einfach einen Termin zur Geräteeinweisung.“Zögernd nicke ich. Er schaut auf das Formular: „Also tschau, Vera!“
Eine Woche später im Laden: „Ich tät’ den blauen Pulli nehmen, der steht dir besser“, flötet die Verkäuferin. Bin ich jetzt geschmeichelt oder eingeschnappt? Die ganze Welt scheint mich zu duzen. Das war vor 30 Jahren anders. Nur manche Kollegen wurden geduzt. Doch das waren nicht immer die nettesten. Ich erinnere mich an zwei tolle Mitarbeiter, die ich stets siezte. Den Chef natürlich sowieso. Es gab Zeiten, da wurden Eltern gesiezt. In Italien duzen die Handwerker den Kunden. Im Verein wird geduzt, im Ehrenamt. „Auf dem Land ist man mit allen per Du“, erzählte mir ein Bekannter. Aber ich bin Stadtkind.
Als wir nach Bayern zogen, bot ich als „Neue“lange Jahre niemandem das „Du“ an, um nicht aufdringlich zu wirken. Heute ist das anders. Vielleicht sind die sozialen Netzwerke schuld, mittels derer man mit allen „befreundet“ist. Oder ist das „Du“aus den englischsprachigen Ländern herübergeschwappt? Inzwischen bin ich beim Duzen lockerer. Dennoch sind mir viele Menschen sehr lieb, die nach wie vor von mir gesiezt werden. „Du“heißt nicht automatisch: „Ich mag dich.“Wer mir wirklich am Herzen liegt, weiß es, ob „Du“oder „Sie“. Ähnlich ergeht es wohl dem „Grüß Gott“südlich vom „Weißwurstäquator“. In meiner Heimat sagte man „Tach“und „Morjen“. Langsam habe ich mich und meine Kinder an das hübsche „Grüß Gott“gewöhnt. Und was passierte im Laufe der Zeit? Alle sagen „Hallo“: im Laden, zu Freund und Feind. Während ich dies schreibe, überlege ich, ob ich das „Hallo du“gut finde. Doch, ich mag es. Und wenn ich meinen Hund zu mir rufe, weil ein Radfahrer kommt, sage ich: „Hallo!“Wenn der Radler höflich ist, antwortet er: „Danke dir!“