Die lange Suche nach der Mutter
Tochter des Mordopfers erfuhr spät ihre Herkunft
Augsburg Als Susanne K.* herausfand, wie ihre leibliche Mutter hieß, wusste sie nicht, was der Frau zugestoßen war. Susanne K. war größtenteils bei Adoptiveltern aufgewachsen. Mit 18 Jahren erhielt sie schließlich Einblick in die Akten. Ihre Geburtsurkunde, das Scheidungsurteil ihrer leiblichen Eltern, zwei Namen. Den ihres Vaters, ein Angehöriger der US-Armee. Und jenen von Angelika B., ihrer Mutter. Erinnerungen an die beiden, an ihre frühe Kindheit, hatte sie nicht, sagt Susanne K. heute. Aber das Bedürfnis, mehr über ihre leiblichen Eltern zu erfahren. Ein Prozess, der schmerzhaft war. Denn Angelika B. war mit 36 Jahren Opfer eines Verbrechens geworden, sie wurde in der Nacht auf den 25. September 1993 ermordet. Damals stand die Prostituierte regelmäßig an der südlichen Auffahrt der Hessenbachstraße zur Bürgermeister-Ackermann-Straße und wartete. Jemand tötete sie in der Nacht und legte ihre Leiche später bei Gessertshausen ab. Trotz intensiver Ermittlungen der Kriminalpolizei blieb der Fall ungeklärt.
Wie berichtet, hat die Polizei nun nach mehr als 24 Jahren einen Tatverdächtigen festgenommen. Stefan E., ein 49-jähriger Augsburger. Nach Informationen unserer Redaktion sind es DNA-Spuren, die den möglichen Durchbruch bei den Ermittlungen gebracht haben. Die Ermittler der Kripo fanden den genetischen Fingerabdruck des Verdächtigen offenbar an mehreren Stellen der Leiche. Weil die Methoden der DNA-Analyse in den vergangenen Jahren immer besser geworden sind, ist es offenbar gelungen, die damaligen Spuren dem heute 49-Jährigen zuzuordnen.
Es ist eine Neuigkeit, die bei Angehörigen des Opfers vieles aufwirbelt. Ihren leiblichen Vater, sagt Susanne K., habe sie nach drei Jahren ausfindig gemacht. Von ihrer Mutter wusste sie irgendwann, dass diese gestorben, jedoch lange nicht, wie Angelika B. umgekommen war. Das änderte sich 2015, als sich eine Schwester von Angelika B. bei ihr meldete und ihrerseits den Kontakt suchte. Das Leben ihrer Mutter, erzählt Susanne K., muss kein leichtes gewesen sein. Angelika B. heiratete früh und bekam drei Töchter, doch 1982 ging die Ehe in die Brüche. Ihr Ex-Mann zog mit dem ältesten Kind in die USA, als die Armee ihn dorthin beorderte. Susanne K. und ihre Schwester wurden bei Pflegeeltern groß, die sie adoptierten. Ihre Mutter, sagt Susanne K. heute, habe ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommen, und sie sei mit den Kindern wohl schlicht überfordert gewesen. Groll auf ihre leibliche Mutter hege sie nicht.
Heute ist Susanne K. 38 Jahre alt und lebt in Nordrhein-Westfalen. Ob es zu einer Anklage gegen Stefan E. kommt, ist zurzeit noch offen. Der Beschuldigte bestreitet die Tat nach Auskunft seines Anwalts Klaus Rödl vehement. Sollte der Fall aber vor Gericht landen, will Susanne K. dabei sein, als Nebenklägerin. Durch den Mord, sagt sie, habe sie nie die Möglichkeit gehabt, ihre Mutter später noch einmal zu treffen, sie kennenzulernen. Jahrelang lebte sie in Augsburg und arbeitete in einem Imbiss in der Innenstadt. Dass der mögliche Täter dort Kunde gewesen sein könnte, sie ihn eventuell bedient hat, sei etwas, dass sie aktuell sehr belaste. Auch eine Schwester von Angelika B. beschäftigt das Verbrechen bis heute. „Wir hatten ein gutes Verhältnis“, sagt Marianne S.*, und das sei auch dann so geblieben, als Angelika B. ins Milieu rutschte. * Namen geändert