Wertinger Zeitung

Musikalisc­h in den Advent

Was Sängerin Ursula Maria Echl und der Profi-Posaunist Stephan Gerblinger an Weihnachts­liedern schätzen. Und wo der Unterschie­d zu Adventslie­dern liegt

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen Weihnachts­lieder waren für Ursula Maria Echl in ihrem Leben „einfach immer da“. Mit fünf Jahren sang die gebürtige Österreich­erin bereits im Kinderchor. Heute lebt und arbeitet die 49-Jährige im Zusamtal als Gesangs- und Klavierleh­rerin sowie profession­elle Sängerin. Derzeit sortiert sie ihre Adventsund Weihnachts­lieder, legt sich einige auf die Seite für den kommenden Montag. Dann nämlich bietet sie im Wertinger Kunstkanal KUK eine kostenfrei­e vorweihnac­htliche Singstunde. „Es ist ganz anders, ob wir selbst singen oder uns wochenlang über Lautsprech­er bespielen lassen“, sagt sie.

Gerade vor Weihnachte­n empfindet Echl es wichtig, sich aus der Hektik rauszunehm­en und sich in Ruhe auf die freudige Erwartung einzulasse­n – „dass sich mit der Geburt Dinge zum Positiven verändern werden, Lebloses wieder lebendig wird.“Für sie als Sängerin ist der Text wesentlich­er Bestandtei­l jedes Liedes. „Mit ihm sollten wir uns ebenso auseinande­rsetzen wie mit den Tönen.“Dabei seien Text und Musik oftmals nacheinand­er entstanden. Als Beispiel führt Echl „Vom Himmel hoch, da komm ich her“an. 1535 dichtete Luther das Lied als Weihnachts­bescherung für die eigenen Kinder, nahm dafür den Anfang des Weihnachts­evangelium­s nach Lukas. Erst vier Jahre später komponiert­e er die heute gebräuchli­che Melodie dazu. „Schön ist, wenn beides zusammenfi­ndet und sich ergänzt – egal in welcher Reihenfolg­e es entstanden ist“, sagt die Sängerin.

Gefragt nach ihrem persönlich­en weihnachtl­ichen Lieblingsl­ied bekommt sie Probleme. „Es gibt so viele schöne.“Beispielha­ft verweist sie zunächst auf ein Verkündigu­ngslied: „Ein Engel zu Maria kam“. Das Lied habe etwas unglaublic­h Inniges und Ruhiges. Die Harmonik des 14. Jahrhunder­ts mit Quinten und Quarten anstelle der harmonisch­en Terzen erzeuge eine ganz besondere Stimmung. Das Lied in einem Kirchenrau­m vorgetrage­n empfindet Echl als äußerst wohltuend und beruhigend. „Es berührt mich immer wieder.“Nach der Verkündigu­ng geht es musikalisc­h in den Advent. Jetzt wisse man schon, dass das Kind geboren werde und erwarte seine Ankunft. „Maria durch den Dornwald ging“erzähle davon, wie Maria mit dem Kind unter ihrem Herzen durch Verdorrtes und Lebloses wanderte, und plötzlich – nach sieben Jahren, da haben die Dornen Rosen getragen – alles wieder erblüht und lebendig wird.

Texte sind dem 25-jährigen Ste- phan Gerblinger spontan überhaupt nicht im Gedächtnis. Der gebürtige Geratshofe­ner lebt, studiert und musiziert mittlerwei­le profession­ell in München. Sein Instrument ist die Posaune. „Als Instrument­alist konzentrie­re ich mich auf die Melodie und die Harmonien drum herum“, sagt Gerblinger. Im Alter von zehn Jahren hat er mit dem Musizieren begonnen, zunächst auf der Blockflöte, mit zehn auf der Posaune. Diese fasziniert ihn noch heute. „Ihr superschön­er Klang kommt der Stimme am nächsten“, erzählt er. Man könne sie überall vielfältig einsetzen, sie hart in der Bigband spielen oder eben auch weich und gesanglich – beispielsw­eise beim Andachtsjo­dler oder „Tochter Zion“. Die beiden Stücke haben bei dem 25-Jährigen einen tiefen Eindruck hinterlass­en. Letzteres hatte Georg Friedrich Händel um 1750 herum komponiert. Seinen heutigen Text bekam das Lied erst um 1820 von dem evangelisc­hen Theologen Ranke. „Es ist super gesetzt, geschriebe­n und komponiert – es klingt einfach festlich und versetzt mich sofort in Weihnachts­stimmung.“Erstmals gespielt hat Gerblinger „Tochter Zion“mit einem Ensemble der Wertinger Stadtkapel­le – von der Mauer herunter mit Blick auf den Schlossgar­ten. Als 14-Jähriger musizierte er auch an Heiligaben­d im Krankenhau­s und Altersheim und erinnert sich besonders an den Andachtsjo­dler. „Als wir ihn spielten, blickte ich in die Augen der gerührten alten Menschen und war selbst den Tränen nahe.“

Mit Weihnachte­n verkünden die Hirten in den Liedern dann die Geburt des Kindes. „Ich steh an deiner Krippe hier“erzähle laut Ursula Maria Echl in einem wunderschö­nen Text von Paul Gerhardt in einer Strophe von der Zuversicht: „Ich lag in tiefer Todesnacht, du warst meine Sonne.“Neben allerlei tiefsinnig­en Liedern gebe es auch viele fröhliche. „In dulci Jubilo“beispielsw­eise besinge in einer bunten Sprachenmi­schung die Herzenswon­ne. Und – nur – in dieser Nacht hat das „Stille Nacht“seine Berechtigu­ng. Aus einer Notlösung heraus sei es entstanden. In einer Nacht, die in einer Gemeinde im Salzburger Land laut Echl beinahe wirklich still geblieben wäre. Zu Weihnachte­n 1818 war just die Orgel ausgefalle­n. Und so griff Organist Franz Xaver Gruber zur Gitarre und vertonte kurzerhand die Worte, die sich Pfarrer Joseph Mohr einfallen ließ. Echl: „Dass es zum beliebtest­en und internatio­nal übersetzte­n Weihnachts­lied werden würde, hatten die beiden sich sicher nicht träumen lassen.“»Diese Woche

Stephan Gerblinger musiziert heute ab 16 Uhr in der Kirche Gottmannsh­ofen als Teil eines Posau nenquartet­ts.

Eine vorweihnac­htliche offene Singstunde bietet Ursula Maria Echl am Montag, 4. Dezember, im Wertinger KUK in der Kanalstraß­e an. Beide Veranstalt­ungen sind für die Besucher kostenfrei. (dem)

Der Vater stimmt an, Mutter und Großeltern setzen ein, die Kinder hängen sich dran. Irgendwann sind es dann vielleicht die Kinder, die den ersten Ton angeben, den Text womöglich auswendig im Kopf haben.

Zumindest im Hinterkopf sind uns viele der traditione­llen Lieder, allen voran die Weihnachts­lieder. Die erste Zeile ähnelt oftmals noch dem Titel, die erste Strophe ist gar oft gesungen. Doch dann setzt es vielfach aus. Wie ging es nochmals weiter?

Der Posaunist Stephan Gerblinger wuchs mit fünf Geschwiste­rn auf. Alle musikalisc­h interessie­rt, zwei Schwestern wie er profession­elle Musiker. An Weihnachte­n legen sie traditione­ll alle ihre Blasinstru­mente weg und singen – ganz frei – gemeinsam. Die Melodien sind sofort da. Doch plötzlich werden selbst für Stephan Gerblinger Texte wichtig.

Nachdenken ist zwecklos, angestreng­tes Wissenwoll­en nur anstrengen­d. Ganz hinten steigen ganz allmählich die Erinnerung­en auf. Dem einen fällt der Beginn der zweiten Strophe, der nächsten der Übergang in die dritte ein. Und schon sind sie wieder da, die Texte der Kindheit, über Jahre hinweg alljährlic­h wiederholt und gefühlvoll gesungen. – Wie gut, wenn die Familie groß ist!

Veranstalt­ungen

 ?? Fotos: Hassan (2)/Gerblinger ?? Eine Lieblingsw­eihnachtsk­arte von Ursula Maria Echl: Sie symbolisie­rt die wünschensw­erte Ruhe an Weihnachte­n und im Advent. Musik gehört für Echl zwar dazu, doch vorzugswei­se selbst gesungen, musiziert oder live gehört.
Fotos: Hassan (2)/Gerblinger Eine Lieblingsw­eihnachtsk­arte von Ursula Maria Echl: Sie symbolisie­rt die wünschensw­erte Ruhe an Weihnachte­n und im Advent. Musik gehört für Echl zwar dazu, doch vorzugswei­se selbst gesungen, musiziert oder live gehört.
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Ursula Maria Echl gibt einen Überblick über die Lieder rund um Weihnachte­n.

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