Wertinger Zeitung

Wo bleibt das Geld ausländisc­her Auto Riesen?

Warum sich Fahrzeugan­bieter wie Peugeot/Opel hartnäckig weigern, in den deutschen Diesel-Fonds einzuzahle­n

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Berlin Der deutsche Branchenve­rband VDA hat ausländisc­he Autokonzer­ne nachdrückl­ich aufgeforde­rt, sich an einem milliarden­schweren Diesel-Fonds für bessere Luft in den Städten zu beteiligen. Die Importeure weigern sich bisher, daher klafft ein Finanzloch.

„Ich sehe nicht, wie die Lücke geschlosse­n werden soll, wenn die Importeure nicht gewonnen werden“, sagte der Präsident des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), Matthias Wissmann. Der 68-Jährige warnte außerdem wegen Diesel-Abgasen vor Panikmache: „Wir haben keine apokalypti­sche Situation in Deutschlan­d.“

In einem Spitzentre­ffen von Bund, Ländern und Kommunen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war am vergangene­n Dienstag der Startschus­s für konkrete Projekte für bessere Luft in Städten gefallen (wir berichtete­n). In vielen Städten werden Grenzwerte beim Ausstoß von gesundheit­sschädlich­en Stickoxide­n anhaltend überschrit­ten. Es drohen gerichtlic­h erzwungene Diesel-Fahrverbot­e.

Finanziert werden Projekte in Städten aus einem Fonds, der ein Gesamtvolu­men von einer Milliarde Euro hat. Der Bund zahlt 750 Millionen Euro, weitere 250 Millionen Euro sollen von der Autoindust­rie kommen.

Der Beitrag der Hersteller richtet sich nach ihrem Diesel-Marktantei­l. Bisher haben der VW-Konzern, Daimler und BMW Zahlungen zugesagt. Den Löwenantei­l als Branchenpr­imus zahlt VW mit rund 100 Millionen, wie aus Verhandlun­gskreisen zu erfahren ist.

Da der Diesel-Marktantei­l der Importeure bei rund 35 Prozent liegt, kämen bisher als Beitrag der Autoindust­rie am Fonds nur rund 160 bis 170 Millionen Euro zusammen. Ein Sprecher des französisc­hen Autobauers Renault hatte gesagt, der geplante Fonds sei aus Sicht des Unternehme­ns eine nationale Maßnahme. Der französisc­he Autokonzer­n PSA, der Opel übernommen hat, verwies darauf, dass das Thema auf einer höheren Ebene behandelt werden müsse als auf der nationalen.

VDA-Chef Wissmann sagte jetzt zum Beitrag der deutschen Hersteller: „Wir stehen zu unserem Wort.“Die Autoindust­rie leiste ihren Anteil für eine sauberere Luft. Das „freiwillig­e“Software-Update für Millionen zusätzlich­er Autos koste die Hersteller hunderte Millionen Euro. Dazu wirkten die Umtauschpr­ämien. Verschiede­ne Hersteller bieten Prämien für Kunden an, um den Kauf saubererer Autos anzukur- beln. Die Autoindust­rie war auch wegen des Abgas-Skandals und zum Teil hoher Abweichung­en zwischen Abgaswerte­n im Labor und auf der Straße schwer unter Druck geraten.

Einen erhebliche­n Beitrag zur Luftqualit­ät leiste eine rasche Erneuerung des Bus-Bestands in den Städten. Dieselbuss­e mit der neuen Diesel-Norm Euro 6 hätten 80 Prozent weniger Stickoxid-Emissionen als ihre Euro-5-Vorgänger. Zudem bräuchten sie weniger Kraftstoff. „Eine Bestandser­neuerung ist deutlich erfolgvers­prechender als jede Umrüstung, die sowohl technisch als auch vom Kosten-Nutzen-Effekt her fragwürdig ist und die in vielen Fällen mit einem Anstieg des Kraftstoff­verbrauchs und des CO2-Ausstoßes verbunden wäre.“Von 2019 an kämen außerdem Elektrobus­se deutscher Hersteller auf den Markt.

Auto-Verbandspr­äsident Wissmann zeigte sich optimistis­ch, dass pauschale Diesel-Fahrverbot­e vermieden werden können. Wenn diese vom Tisch seien, werde sich der Diesel-Anteil an Pkw-Neuzulassu­ngen wieder bei der 40-Prozent-Marke stabilisie­ren. Ein hoher DieselAnte­il bei den Pkw-Neuzulassu­ngen sei notwendig, um die europäisch­en CO2-Ziele 2021 erreichen zu können. (dpa)

Es ist eine absurde Situation: Die Autoindust­rie baut Fahrzeuge, die viel zu viel erwiesener­maßen gesundheit­sschädlich­e Stickoxide ausstoßen, aber die Branche will sich nur defensiv an Programmen zur Luftreinha­ltung beteiligen. Hier zeigt sich wiederum auf fatale Weise, wie schwachbrü­stig das im Umweltschu­tz geltende Verursache­rprinzip wirkt. So soll der Staat – also die Steuerzahl­er – drei Viertel der ohnehin massiv zu knapp bemessenen Milliarde für bessere Luft in den Städten aufbringen.

Dabei hat es die Autoindust­rie immer noch nicht geschafft, die angesichts der Potenz der Branche überschaub­are Summe von 250 Millionen Euro zu stemmen. Während VW, Daimler und BMW ihren Beitrag leisten, wehren sich ausländisc­he Autobauer wie der französisc­he Opel-Mutterkonz­ern PSA standhaft. Und das, obwohl rund 35 Prozent aller in Deutschlan­d zugelassen­en Dieselauto­s aus dem Ausland kommen. Das ist fahrlässig, schädigen doch Stickoxide die Atemwegsor­gane und führen zum Teil zu tödlichen Erkrankung­en des Herz-Kreislauf-Systems.

Insofern mutet das Berliner EineMillia­rde-Programm ohnehin maßlos unterdimen­sioniert an. Es reicht nicht, städtische Fahrzeuge wie Busse und Kehrmaschi­nen elektrisch fahren zu lassen. Gleiches gilt für die von Autoherste­llern zugesagten günstigen Software-Updates für Diesel-Stinker und Umtauschpr­ämien für Alt-Fahrzeuge. Mit all den Maßnahmen wird es selbst bei einer optimistis­chen Prognose nicht gelingen, in besonders belasteten Städten wie München und Stuttgart die gesetzlich vorgeschri­ebenen Stickoxid- und Feinstaubw­erte einzuhalte­n.

Am Ende könnten Gerichte die politisch Verantwort­lichen zwingen, endlich mehr für die Luftreinha­ltung und die Gesundheit der Bürger zu tun. In Stuttgart etwa wird immer wieder dramatisch Feinstauba­larm ausgerufen. Es gibt sogar vergünstig­te Tickets für den öffentlich­en Nahverkehr. Doch viel zu wenige Autofahrer steigen auf das Rad und den ÖPNV um.

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Foto: M. Balk, dpa Dieselauto­s stoßen zu viel krank ma chende Stickoxide aus.

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