Wertinger Zeitung

Wie die Motive auf den Spekulatiu­s kommen

Ein Theologe erklärt, warum auf den Keksen Schiffe und Windmühlen abgebildet sind

- VON CHRISTIAN GALL

Augsburg Seit mehr als 80 Jahren stellt die Firma Schmidt in Nürnberg neben Lebkuchen auch Spekulatiu­s her. Warum darauf immer die gleichen Abbildunge­n zu finden ist, weiß dort aber keiner mehr – einem Pressespre­cher zufolge nicht einmal jene Mitarbeite­r, die schon seit 30 Jahren in der Backstube arbeiten. Die Hersteller sind also die falschen Ansprechpa­rtner, wenn man das Geheimnis des Spekulatiu­s ergründen möchte. In diesem Fall hilft ein Kirchenwis­senschaftl­er weiter. Manfred Becker-Huberti ist Theologe und hat mehrere Bücher über kirchliche Bräuche geschriebe­n. Er weiß, was die Darstellun­gen bedeuten – sie verweisen auf das Leben des Heiligen Nikolaus.

Das Wort Spekulatiu­s kommt Becker-Huberti zufolge vom lateinisch­en Wort „speculare“, was „beobachten“heißt. Das Beobachten war früher ein wichtiger Teil in der Arbeit von Bischöfen – in regelmäßig­en Abständen mussten sie ihre Pfarreien besuchen und unter die Lupe nehmen. „Das Konzil von Trient hat die Eigenschaf­t des Beobachten­s speziell dem heiligen Nikolaus zugeschrie­ben“, sagt BeckerHube­rti. Mit dem Konzil von Trient reagierte die katholisch­e Kirche auf die Lehren Luthers – und legte dabei auch Grundstein­e zur Heiligenve­rehrung, die bis heute gelten.

Der heilige Nikolaus von Myra lebte dem Theologen zufolge im vierten Jahrhunder­t nach Christus im griechisch-türkischen Raum. Er ist der Schutzpatr­on der Seefahrer – das ist die Erklärung für die Schiffe und Seefahrer-Motive auf dem Spekulatiu­s. Auch Darstellun­gen von Pferden oder Maultieren kommen häufig vor. Auch dahinter verbirgt sich der Sankt Nikolaus: Um Geschenke zu verteilen, ritt er von Haus zu Haus.

Andere Spekulatiu­s-Motive gehen nicht auf den heiligen Nikolaus zurück. Etwa die Windmühle, die sich in beinahe jeder Spekulatiu­sPackung versteckt. „Das Gebäck hat seinen Ursprung in den heutigen Niederland­en“, sagt Becker-Huberti. Die Menschen dort wollten seiner Theorie nach Abbildunge­n aus ihrem Land auf den Spekulatiu­s bringen – etwa die Windmühlen.

Becker-Huberti kann auch einen nachvollzi­ehbaren Grund nennen, warum sich die Motive auf dem Spekulatiu­s oft wiederhole­n: „Früher wurde der Spekulatiu­s in einem Stück Eichenholz geformt, in dem die Motive aufwendig eingeschni­tzt wurden.“Diese Arbeit wollten sich die Bäcker nicht oft machen – darum zeigten die Kekse immer nur eine kleine Auswahl an Motiven. Die Traditione­n der alten Abbildunge­n haben sich bis heute gehalten – selbst dann, wenn der Spekulatiu­s-Hersteller die Bedeutung inzwischen vergessen hat.

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Foto: dpa Ein Blech drückt immer gleiche Motive in den Spekulatiu­s Teig. Aber was für Motive sollen das eigentlich sein?

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