Liebeserklärung einer Kanzlerin
Nach dem giftigen Machtkampf der vergangenen Wochen präsentiert sich die CSU harmonisch und geschlossen. Als dann Angela Merkel kommt, wird es fast schon romantisch
Nürnberg Sie tun fast so, als wären sie eineiige Zwillinge – Horst Seehofer und Markus Söder, die neue Doppelspitze der CSU. Schon zwei Stunden vor Beginn des Parteitags tauchen die CSU-Matadore vor der Messehalle 7A in Nürnberg auf. Zwar kommt jeder „Doppelspitzler“für sich allein. Doch die Sätze, die sie in die Mikrofone sprechen, gleichen fast wie ein Ei dem anderen. Seehofer sagt: „Die Menschen müssen fühlen, es geht um das Wohlergehen der Bevölkerung, es geht nicht um das Wohlergehen von Politikern.“Söder sagt: „Wir müssen uns mehr um die Menschen kümmern.“Und er sagt: „Wir sind gut beraten, nicht mehr über die Personen zu sprechen.“
Der giftige Streit um die Macht steckt der Partei in den Knochen. So tief, dass keiner mehr drüber reden mag. „Dummkopf“, „Esel“, „Leichtmatrosentum“lauteten die deftigsten Stichworte. Doch das soll Schnee von gestern sein. Mit diesem Parteitag soll alles anders werden. Generalsekretär Andreas Scheuer gibt gleich zum Auftakt als Losung aus: „Geschlossenheit plus Entschlossenheit ergibt Erfolg.“Und die Delegierten folgen. Der schwäbische Landtagsabgeordnete ExJustizminister Alfred Sauter kommentiert den Weihnachtsfrieden in der CSU kurz und trocken: „Da ist die ganze Luft raus. Wenn wir jetzt schnell wählen würden, könnten wir wieder heimfahren.“
So schnell freilich geht es nicht. Da ist noch die Sache mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und dem Glyphosat. Draußen vor der Tür demonstriert der Bund Naturschutz. Die Slogans lauten: „Erbarmen Herr! Schütz unsern Staat vor diesem Schmidt und Glyphosat“oder „Wer Glyphosat sät, wird abgewählt“. Dann ist da die Sache mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Im November 2015 hatte Seehofer die Kanzlerin wegen der Flüchtlingsfrage auf offener Bühne heruntergeputzt, als gelte es, das Wort „abkanzeln“neu zu erfinden. Ein Jahr später war die Bundeskanzlerin gar nicht mehr zum CSU-Parteitag eingeladen worden. Und über allem schwebt die Frage, wie es der CSU mit der neuen Doppelspitze gelingen kann, rechtzeitig vor der Landtagswahl im Herbst aus dem Umfragetief zu kommen. Zuletzt lag die CSU in Bayern bei etwa 37 Prozent.
Die Doppelspitze zumindest gibt ihr Bestes. Seehofer und Söder beschließen sogar, sich nebeneinander in die erste Reihe zu setzen. Die Fotografin, die für die CSU die Bilder macht, muss ein bisschen nachhelfen, um die Botschaft der beiden Herren zu dokumentieren. „Jetzt schaut’s doch mal geschlossen.“Seehofer und Söder lächeln. Und sie zeigen sich in strategischen Fragen einig, als hätte es nie einen Machtkampf gegeben. Seehofer sagt: „Es geht darum, die 40 Prozent nach oben zu durchbrechen, dann können wir uns wieder höheren Zielen zuwenden.“Söder sagt: „Wir müssen Stück für Stück das Richtige tun.“Ein Fußballvergleich soll klarmachen, was er meint: „Wer schon am eigenen Strafraum den Torjubel anstimmt, der wird am Ende nicht gewinnen.“
Die letzte offene Personalfrage war schon vorher abgeräumt worden. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt soll, wie es aus dem Parteivorstand heißt, mit sanftem Druck dazu gedrängt worden sein, freiwillig auf eine erneute Kandidatur für einen der fünf Stellvertreter des
42 Mal hat die CSU seit 1946 einen Parteichef gekürt. Meist endeten die geheimen Wahlen mit Werten jenseits der 90 Prozent Marke, weil es auch keine Gegenkandidaten gab. Einzig im Dezember 1946, 1949, 1955 und 2007 gab es Kampfabstimmungen.
Die drei besten Ergebnisse Franz Josef Strauß: 99,0 % (1979) Franz Josef Strauß: 98,8 % (1985) Franz Josef Strauß: 98,5 % (1967) Parteivorsitzenden zu verzichten. Damit ist klar, dass am Samstag die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär und die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml in die Riege der Vizechefs aufrücken werden können. Der zweite Platz wird frei, weil auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm nicht mehr antritt.
Was sich wohl alle in der CSU gewünscht haben, ist eingetreten. Die Partei praktiziert Normalität – und zwar so entschlossen, dass sich phasenweise mehr Delegierte draußen, im Ausstellungsbereich vor der Halle tummeln, als sich drinnen an der Beratung der mehr als 200 Anträge zu beteiligen, die zum Parteitag eingereicht wurden.
Richtig spannend wird es um 16.55 Uhr. Merkel kommt. Prompt füllt sich der Saal. Es gibt höflichen Applaus. Vier Pfiffe sind zu hören.
Die drei schlechtesten Ergebnisse (ohne Kampfabstimmungen): Josef Müller: 61,6 % (1947) Franz Josef Strauß: 77,1 % (1983) Hans Erhard: 79,1 % (1951)
Horst Seehofers Ergebnisse 2007: 39,1 % (verlorene Kampfab stimmung mit Gabriele Pauli gegen Erwin Huber) 2008: 90,3; 2009: 88,1; 2011: 90,0; 2013: 95,3; 2015: 87,2. (dpa) Merkel geht direkt ans Rednerpult und setzt ihr charmantestes Lächeln auf. Ihre ersten Worte: „Wir warten noch auf Horst Seehofer.“Als Seehofer an seinem Platz ist, setzt die Kanzlerin ihre Charmeoffensive fort. „Ob Sie es mir glauben oder nicht“, so sagt Merkel, „ich freue mich richtig, heute wieder bei Ihnen beim CSU-Parteitag zu sein.“Die Delegierten lachen und klatschen. Und dann räumt die noch vor wenigen Monaten heftig kritisierte Kanzlerin mit wenigen Worten ab, was hinter den Schwesterparteien liegt. Die vergangenen zwei Jahre seien keine leichte Zeit gewesen für CDU und CSU, aber man habe sich verständigt – auch auf „ein Regelwerk zur Migration“. Man habe sichergestellt, „dass wir Zuwanderung ordnen und steuern können“.
Merkel arbeitet sich durch die Politikfelder: Wirtschaftspolitik, Wohnungsbau, Gesundheit, innere Sicherheit. Der Applaus wird häufiger. Der Applaus wird stärker. Am Ende steht eine Liebeserklärung an Horst Seehofer: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.“Ein Großteil der Delegierten, aber längst nicht alle, dankt es Merkel mit stehendem Applaus. Horst Seehofer dankt auf seine Weise: „Liebe Angela, auch wenn du es mir nicht glaubst, ich freue mich, dass du da bist beim CSU-Parteitag.“Er betont: „Wir sind geschlossen wie schon lange nicht mehr.“
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