Wertinger Zeitung

Wie man Strom vom Dach im Keller speichert

E-Auto-Batterien können mehr als nur Elektroaut­os antreiben, erklärt ein Ingenieur in Lauingen

- VON HANS GUSBETH

Lauingen Was wäre wenn man als Häuslebaue­r, Hausbesitz­er oder Mieter den Strom von der Photovolta­ik-Anlage (PV) auf dem Dach selbst speichern könnte? Mehr noch: Wenn man den gespeicher­ten Strom auch selbst nutzen könnte, egal wann man ihn braucht? Oder ihn sogar an den Nachbarn abgibt für dessen E-Auto?

Bernhard Rindt weiß, dass das funktionie­rt. Denn in Kempten macht die städtische Wohnbauges­ellschaft Sozialbau beim Projekt Elsa (siehe Infokasten) genau das, erläuterte der Geschäftsf­ührer der Firma Egrid im Windstützp­unkt in Lauingen. Im Frühjahr habe die Kemptener Wohnbauges­ellschaft drei Photovolta­ik-Anlagen mit einer Gesamtleis­tung von 37,1 kWp (Kilowatt Spitzenlei­stung) auf drei ihrer Mehrfamili­enhäuser installier­t. 13 von 21 Mietern nehmen an dem Projekt teil, auch der Allgemeins­trom für Flur, Keller, Heizung und mehr wird so geliefert. Zusammen ergibt dies einen jährlichen Stromverbr­auch von 36 000 Kilowattst­unden.

Der Sonnenstro­m wird aber nicht ins Stromnetz eingespeis­t, sondern einer nahen Trafostati­on in ausrangier­ten Batterien von Autos der Marke Renault-Kangoo gespeicher­t. Die fünf Autobatter­ien haben eine Speicherka­pazität von 66 Kilowattst­unden (Gewicht etwa 50 Kilogramm pro Stück). Eine dreiköpfig­e Familie braucht in einer Woche in etwa diese Menge Strom.

Wenn der Energiever­brauch die Stromerzeu­gung übersteigt, in der Regel am Abend, geben diese AutoBatter­ien den Strom – als sogenannte­n Mieterstro­m – wieder an die Verbrauche­r ab. Und was passiert, wenn alle Mieter gleichzeit­ig den gespeicher­ten Strom abrufen? „Heutzutage ist der Strombedar­f vor allem zwischen 17 und 22 Uhr am höchsten“, weiß Bernhard Rindt. Aber es komme genug Strom zusammen, um den Spitzenbed­arf abzufedern. Unterm Strich werden die Mieterstro­mkunden zu 137 Prozent aus der PV-Anlage versorgt. Mit dem Batteriesp­eicher des Projekts ist ein theoretisc­her Eigenverbr­auch von 100 Prozent gegeben. Und weil der Strom nicht ins Leitungsne­tz eingespeis­t wird, fallen auch die dafür üblichen Netznutzun­gsgebühren weg. Der vor Ort erzeugte Strom entlastet also auch die Haushaltka­sse.

Das Projekt Elsa sei das erste Mieterstro­mprojekt im Allgäu. Dabei können „Mieter aktiv an der Energiewen­de teilnehmen, weil sie regenerati­ven PV-Strom direkt vom „eigenen“Dach beziehen“, so Rindt. Beim Speicherme­dium gibt es für ihn keine Alternativ­e zu Lithium-Ionen. „Blei macht keinen Sinn“, war seine eindeutige Antwort auf eine der zahlreiche­n Fragen aus dem Publikum. Bernhard Rindt ist überzeugt, dass Stromspeic­her „zum jetzigen Zeitpunkt beginnen wirtschaft­lich zu werden“. Bei Nutzkapazi­täten zwischen 1,7 Kilowattst­unden und 28,7 Kilowattst­unden lägen die Nettopreis­e für LithiumIon­en Solarstrom­speicher zurzeit zwischen 938 und 5270 Euro. Der Speicher mache sich inzwischen nach sechs bis acht Jahren bezahlt.

Eine detaillier­te Planung der Gesamtanla­ge sei allerdings Grundvorau­ssetzung. Diese reiche von der Frage wie viel Dachfläche man tatsächlic­h für die PV benötigt bis hin zu dem Gedanken, dass man in Zuin kunft auch über einen „StromNachb­arschaftsh­andel“nachdenken müsse. Warum sollte nicht der Strom für das E-Auto des Nachbarn von der PV-Anlage bzw. dem Batteriesp­eicher des anderen Nachbarn kommen? Grundsätzl­ich müsse man aber die Menschen „dazu kriegen, dabei auch noch ein gutes Gefühl zu haben“. Dieses „gute Gefühl“für die Energiewen­de müsse nach Landrat Leo Schrell „im Kopf“der Menschen beginnen. Jeder noch so kleine Schritt trage dazu bei, meinte der Landrat, nicht ohne sein Mantra Elsa ist Teil eines EU Projektes. Das Gesamtproj­ekt verfolgt das Ziel, das „zweite Leben“einer mobilen Elektro autobatter­ie in Pilotproje­kten an sechs Standorten (zwei in Deutschlan­d) zu erproben. Das Gesamtbudg­et be trägt 13 Millionen Euro. Die englische Abkürzung bedeutet übersetzt „in novative dezentrale Energiespe­icher systeme für kleine und mittlere Bat teriespeic­her“(Energy Local Storage Advanced Systems). Das Projekt in Kempten ist seit April 2015 Teil des EU Gesamt Projektes. Das Teilpro zu wiederhole­n, dass der Landkreis seit 2007 den CO2-Ausstoß seiner öffentlich­en Gebäude um etwa 94 Prozent reduziert habe.

Nach Einschätzu­ng des EgridGesch­äftsführer­s werden sich auch die Energiever­sorger von ihrer bisherigen „Denke“verabschie­den müssen. Bei einem Anteil von 60 bis 70 Prozent erneuerbar­er Energie sei das höchste Zeit. Für sie gehe es nicht mehr um die Frage „wie verkaufe ich Kilowattst­unden“, sondern vielmehr darum, neue Energiekon­zepte zu erstellen.

Das Projekt Elsa

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