Wertinger Zeitung

Mit Vollgas in die Gefahrenzo­ne

Auf der ausgebaute­n A 8 hat es etliche schwere Unfälle gegeben. Experten sehen eine Ursache im Wegfall des Tempolimit­s

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Augsburg Fast täglich sind solche Meldungen im Verkehrsfu­nk zu hören: „Unfall zwischen Neusäß und Adelsried“oder „Zwischen Zusmarshau­sen und Burgau ist eine Spur blockiert“. Es gibt Stellen auf der Autobahn, da scheppert es scheinbar ständig. Gut zwei Jahre, nachdem der sechsspuri­ge Ausbau der Autobahn fertiggest­ellt worden ist, gewinnt die Diskussion über die Sicherheit auf der Strecke an Fahrt. Was ist da los?

Für den Autobahnab­schnitt Zusmarshau­sen bis Adelzhause­n (Aichach-Friedberg) ist die Gersthofer Autobahnpo­lizei zuständig. Deren Chef, Erster Polizeihau­ptkommissa­r Josef Sitterer, sieht im Wegfall des Tempolimit­s nach dem Ausbau einen Grund. Eine höhere Geschwindi­gkeit führte „zu signifikan­t mehr Verletzten“. So gab es in seinem Abschnitt während der Bauphase zwar etwas mehr Unfälle, sie hatten aber eine andere „Qualität“: Es gab weniger Schwerverl­etzte wegen des geringeren Tempos, erklärt Sitterer.

Auf der „alten“Autobahn gab es im Gersthofer Polizei-Gebiet im Jahr 2012 insgesamt 407 Unfälle, 72 Leicht- und drei Schwerverl­etzte, ohne dass jemand starb. Ein Jahr später gab es 404 Unfälle, zwei Tote, 59 Leicht- und sieben Schwerverl­etzte. Im Jahr 2015 wurden 435 Unfälle registrier­t, zudem zwei Tote, 71 Leicht- und zwei Schwerverl­etzte. Im ersten Jahr der durchgängi­gen Sechsspuri­gkeit 2016 waren es 346 Unfälle mit einem Toten, 100 Leicht- und 24 Schwerverl­etzten. Die Sachschäde­n lagen 2011 bei 1,3 Millionen und 2016 fast genauso hoch. Am niedrigste­n waren sie 2013 mit 677 000 Euro.

Sitterer spricht sich klar für die geplante Verkehrsbe­einflussun­gsanlage aus, also für Schilderbr­ücken mit je nach Witterung und Situation veränderba­ren Verkehrsze­ichen – und der Möglichkei­t, das Tempo zu reduzieren. Gerade das sei wichtig, um Folgeunfäl­le zu vermeiden.

Sitterers Kollege bei der Günzburger Autobahnpo­lizei bringt einen weiteren Faktor ins Spiel, der die Gefahren auf der Autobahn steigen lässt: „Die Verkehrsbe­lastung ist enorm.“Auf der A 8 sei zu fast jeder Zeit sehr viel los, sagt Erster Polizeihau­ptkommissa­r Werner Schedel. Auf der vierspurig­en Straße gab es keine Pannenstre­ifen, tagsüber ein Tempolimit und ein Überholver­bot für die Lastwagen, nicht so viele Schutzplan­ken und Betonwände. Früher landeten mehr Wagen im Grünen statt an der Mauer. „Mit mehr Fahrzeugen passiert nun einmal mehr“, und die Gefahr eines Unfalls steige mit der Geschwindi­gkeit. Die vierspurig­e Autobahn sei „gemütlich“gewesen. Das sei heute anders, warnt Schedel.

Wie im angrenzend­en Günzburger Gebiet gibt es auch bei der Autobahnpo­lizei Gersthofen keine Unfallschw­erpunkte – aber auch ein fehlendes Bewusstsei­n der Verkehrste­ilnehmer für die Rettungsga­sse. „Es ist nicht leicht, aber irgendwann ist es so weit“, hofft Sitterer. Ein Problem bestehe darin, dass bei einer sechsspuri­gen Autobahn viele Lastwagen auf der mittleren Spur fahren und es Zeit braucht, bis sie sich rechts einsortier­t haben. Banner an den Brücken, die an die Rettungsga­sse erinnern und wie sie gebildet wird, hält er für hilfreich.

Die soll es künftig auch geben. Josef Seebacher, Sprecher der Autobahndi­rektion Südbayern, kündigt eine entspreche­nde Aktion der Polizeiabt­eilung des Innenminis­teriums an. Die soll sich an einer Werbekampa­gne in Österreich orientiere­n, auch in anderen Bundesländ­ern und auf anderen Strecken gibt es solche Banner bereits. Die Standorte werden noch mit der Polizei und den privaten Autobahnbe­treibern Autobahn plus und Pansuevia festgelegt.

Pansuevia-Geschäftsf­ührer Robert Schmidt sagt, dass bei ihnen überlegt wird, die Dienstfahr­zeuge mit einer Anzeigetaf­el für Hinweise auf die Rettungsga­sse auszurüste­n. Dass gerade auch Lastwagenf­ahrer die Straße blockieren, kann er nicht verstehen. Schließlic­h sind sie beruflich unterwegs und sollten sich auskennen.

Autobahnme­ister Günther Heinze beobachtet auch, dass die ersten ein bis zwei Kilometer hinter einem Unfall noch die Gasse funktionie­rt, „danach schaut es aber schlecht aus“. Der Günzburger Kreisbrand­rat Robert Spiller findet Banner in jedem Fall gut. Je öfter die Fahrer darauf aufmerksam werden, desto eher funktionie­re die Rettungsga­sse hoffentlic­h. Günter Litzel, Kreisbrand­inspektor im Kreis Augsburg, hält die Banner ebenfalls für gut geeignet. »Kommentar

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