Arzt ließ Patient zu lange leiden
Mediziner muss Schmerzensgeld zahlen
München Weil er einen unheilbar kranken Mann im Endstadium der Demenz immer weiter künstlich am Leben erhielt, soll ein Arzt Schmerzensgeld zahlen. Das Oberlandesgericht München sprach dem Sohn als Alleinerben am Donnerstag 40000 Euro zu. Er hatte Schmerzensgeld in Höhe von 100000 Euro und Schadenersatz für Behandlungskosten in Höhe von gut 50 000 Euro gefordert.
Der Arzt habe seinen todkranken Vater ohne ausführliche Beratung mit dem Betreuer am Leben erhalten. Die künstliche Ernährung habe das schwere Leiden seines Vaters nur verlängert. Der Vater war von 2006 an per Magensonde ernährt worden und 2011 gestorben. Spätestens ein Jahr vor seinem Tod sei die Sonde nicht mehr fachärztlich angemessen gewesen, hatte der Sohn argumentiert. Augsburg Sie kümmern sich um ausgesetzte Hunde, verwahrloste Katzen und von illegalen Tierhändlern eingeschleppte Welpen – und vom Freistaat fühlen sie sich im Stich gelassen: bayerische Tierheime. Bei den staatlichen Zuschüssen für den Tierschutz sei Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländen Schlusslicht, klagt Nicole Brühl, Präsidentin des bayerischen Tierschutzbundes. Und Sabina Gassner, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins Augsburg sagt: „Tierschutz ist in Bayern nicht hoch angesehen. Und schon gar nicht will man in irgendeine Förderung einsteigen.“
1997 war der staatliche Zuschuss von damals 100 000 Mark für die Tierheime ersatzlos gestrichen worden. „Die dadurch entstehende Finanzierungslücke wurde als gering eingestuft“, erklärte das zuständige Umweltministerium im Sommer 2016 auf eine Landtagsanfrage der SPD. Ersatz aus der Staatskasse gibt es bis heute nicht. Auf die Frage nach dem Grund hieß es nur: Der Landtag habe „eine entsprechende Förderung nicht beschlossen“.
„Das ist wirklich ein Skandal“, schimpft Brühl. Gerade die vom Freistaat übertragenen Aufgaben steigen ständig. Strengere Quarantäne-Vorschriften oder Impfregeln etwa machten die Betreuung der Tiere teurer. Finanzielle Erleichterungen gebe es dafür aber nicht – obwohl die Tierheime damit auch der Einschleppung gefährlicher Krankheiten vorbeugen: „Es ist die Pflicht des Staates dafür zu bezahlen“, sagt Brühl. „Wir machen eine Dienstleistung für den Staat.“
Dazu zählt auch die Aufnahme der bei Polizeikontrollen entdeckten und oft verwahrlosten Tiere aus illegalen Transporten. Führt die Polizeistatistik zwischen 2011 und 2015 56 illegale Transporte auf, bei denen insgesamt 434 Hundewelpen gefunden wurden, berichtet der Tierschutzbund allein in diesem Jahr von bislang 62 Transporten mit 275 Welpen. Auch um diese Tiere mussten sich meist bayerische Tierheime kümmern. Eine Aufgabe, die man sehr gerne übernehme, die an vielen Stellen „aber absolut nicht kostendeckend ist“, beklagt Brühl.
Das Umweltministerium verweist auf die Rechtslage: „Die Kosten für die Unterbringung und Pflege von Fundtieren sind grundsätzlich von den zuständigen Gemeinden zu tra- gen.“Die Landratsämter seien verpflichtet, die Kosten für den Sachaufwand der Tierheime wie auch die Kosten „der behördlich veranlassten Unterbringung von Tieren“etwa aus illegalen Transporten zu übernehmen – allerdings nur „soweit diese nachvollziehbar und begründet sind“. Die Mittel stelle der Freistaat den Landkreisen mit dem zuletzt erneut erhöhten kommunalen Finanzausgleich zur Verfügung. Die staatlichen Finanzausgleichsmittel sind aber nicht zweckgebunden. „Und viele Ehrenamtliche, die in den Tierheimen arbeiten, haben doch gar keine Zeit, bei den Behörden auch noch Lobbyarbeit für die eigene Finanzierung zu machen“, sagt Herbert Woerlein, Tierschutzexperte der Landtags-SPD.
Verweigert sich aber ein Landkreis, bleibt das Tierheim auf den Kosten sitzen. Beispiel Schwebheim: 2013 waren 78 Hundebabys auf der A70 aus einem Transporter gezogen worden. Im unterfränkischen Schwebheim wurden 25 davon aufgepäppelt. Die angefallenen Kosten von mehr als 28000 Euro wollte das Landratsamt Schweinfurt nicht bezahlen, der Fall landete vor Gericht. Selbst einen Vergleich über 20000 Euro lehnte das Landratsamt ab – und bot dem Tierschutzverein nun 15 000 Euro an.
Auch im Augsburger Tierheim landen immer wieder beschlagnahmte Welpen aus illegalen Transporten oder Tiere, die man aus verwahrlosten Wohnungen befreit hat. Ihre Unterbringung ist teuer, vor allem, wenn die Tiere nicht geimpft sind oder Tollwut nicht ausgeschlossen werden kann. 21 Euro am Tag kostet ein Tierheim-Platz für einen Hund, bei Tollwut-Quarantäne sind es 20 Prozent mehr. „Die Zusammenarbeit mit der Stadt Augsburg aber ist sehr gut“, sagt Gassner. Diese stellt dem Tierheim eine Pauschale für die Aufnahme von Fundtieren zur Verfügung – 65 Cent pro Jahr und Einwohner. „Kostendeckend ist das nicht“, sagt Gassner. Aber sie weiß, dass es auch anders sein kann: Der Landkreis Augsburg hat vor einigen Jahren fünf Labradorwelpen aus einem Transport dort abgegeben, wollte aber keinen Beitrag zahlen. „Man hat die Tiere dann wieder abgeholt“, sagt Gassner. Was mit ihnen geschehen ist, weiß sie nicht.
SPD-Mann Woerlein sieht vor allem den Freistaat in der Pflicht. Einen fixen „Tierschutzfonds“im Staatshaushalt würde sich der Augsburger Abgeordnete wünschen. Damit könnten finanzielle Härtefälle abgefedert und die zum Teil mehr als marode Bausubstanz vieler Tierheime verbessert werden. Nur in Sonntagsreden Tierschutz zu fordern, reiche nicht. „Der Freistaat kann hier sehr wohl was tun. Bisher will er aber nicht.“»Kommentar
Seit 1998 hat der Tierschutz in Bayern als Staatsziel Verfassungsrang. Mit der Realität in vielen bayerischen Tierheimen hat dieser hehre Anspruch allerdings wenig zu tun: Die Gebäude haben oft Jahrzehnte auf dem Buckel. Experten schätzen, dass rund die Hälfte sanierungsbedürftig ist. Für Neubauten oder Renovierungen fehlt aber oft das Geld. Auf viele Tierheime in Grenznähe oder entlang der großen Autobahnen wird zudem das wachsende Problem der illegalen Tiertransporte abgewälzt: Weil die Eigentümer der eingeschmuggelten Tiere meist im Ausland leben, bleiben die Heime oft auch noch auf den Kosten für die Pflege der geschundenen Tiere sitzen.
Schon heute hängt der Betrieb der Auffangeinrichtungen aber zu großen Teilen von ehrenamtlichem Engagement und Spenden ab. Die Staatsregierung macht es sich deshalb zu leicht, wenn sie in Finanzierungsfragen nur unschuldig die Hände hebt und auf die Verantwortung der Kommunen verweist. Deren Engagement ist nämlich sehr unterschiedlich: Während manche Tierheime ordentlich finanziert sind, müssen andere jedem Cent hinterherlaufen. Ein staatlicher Härtefallfonds würde keine Unsummen verschlingen, könnte vielen in ihrer Existenz bedrohten Heimen aber Stabilität geben. Das wäre wichtig. Schließlich hat der Tierschutz in Bayern nicht nur Verfassungsrang. Er liegt auch vielen Bürgern sehr am Herzen.
Die Probleme gibt es auch in der Region