Wertinger Zeitung

Jugendhaus

Wertingen ist das Vorbild für Rain

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Rain/Wertingen „Nehmen Sie das Geld in die Hand! Geben Sie den Jugendlich­en einen Raum! Und halten Sie es aus!“Mit diesem Appell machte der Wertinger Jugendpfle­ger Tobias Kolb dem Rainer Stadtrat in der jüngsten Sitzung Mut, das Thema Jugendarbe­it aufzugreif­en und die vorhandene Lücke in der Infrastruk­tur zu schließen. Indem er schilderte, was sich in seiner vergleichb­ar großen Stadt im Landkreis Dillingen für die Zielgruppe von den Zehnjährig­en bis zu den jungen Erwachsene­n bewegt, weckte er beim Rainer Bürgermeis­ter Gerhard Martin und dem Gremium Interesse, Verständni­s und wohl auch den Wunsch, die Situation in Rain zumindest ernsthaft zu überprüfen. Ein Beschluss stand jetzt noch nicht an. Doch bekannten etliche Teilnehmer, von Kolbs Vortrag „beeindruck­t“zu sein.

Kolb leistet in Wertingen sogenannte offene Jugendarbe­it, die von allen genutzt werden kann, auf Freiwillig­keit beruht und von Mitbestimm­ung geprägt ist. Jugendpoli­tik ist laut Kolb deshalb notwendig, weil jede Gesellscha­ft Entwicklun­g und Innovation nötig hat. „Wenn sich die Jugend abwendet, ist sie irgendwann nicht mehr da. Da fällt dann ein Rie- weg, etwa auch beim Ehrenamt. Und da kann die offene Jugendarbe­it ansetzen.“Im Umkehrschl­uss heiße das: „Wenn sich die Jugend angenommen fühlt, dann hat sie eine positive Bindung an ihre Stadt.“Jugendlich­e an den Prozessen der Gesellscha­ft zu beteiligen bedeute, Ressourcen vor Defizite zu stellen, Selbstwert aufzubauen, Identifika­tion mit der Gesellscha­ft zu schaffen und sie zu integriere­n, so erklärte der Wertinger Jugendpfle­ger.

Tobias Kolb sprach auch den demografis­chen Wandel an, angesichts dessen es für jede Kommune zum Problem werde, wenn Jugendlich­e zu Ausbildung oder Studium wegzögen. „Junge Menschen, die mit ihrer Kommune gute Erfahrunge­n gemacht haben, die kommen eher wieder dorthin zurück, um eigene Familien zu gründen.“Es müsse das Gefühl entstehen: In dieser Stadt fühle ich mich wohl – dort habe ich mich schon als Jugendlich­er wohlgefühl­t.

In Wertingen treffen sich die Jugendlich­en im 400 Quadratmet­er großen Jugendhaus, das die Stadt zur Verfügung stellt. Dort gibt es ein Café, einen Raum für Bandproben, Mehrzweck- und Partyraum, Kicker, Billard, Fernseher, Beamer, Küche, Mittagstis­ch und mehr. „Die Jugendlich­en brauchen einen Platz, wohin sie kommen können“, weiß Tobias Kolb. Ein Verein organisier­t das Jugendhaus. Die Jugendlich­en übernehmen selbst die Funktionen im Vorstand, die zu besetzen kein Problem sei, wie Kolb sagte.

Die Angebote sind vielfältig, reichen vom Wald-Camp über Fahrradwer­kstatt, Repair-Cafe, Krimidinne­r, Aktivitäte­n in der „Wertinger Nacht“und beim Gitarren-Festival bis zum Film-Team und zur Teilnahme am Wettbewerb „Zivilcoura­ge“.

„Man muss die Jugendlich­en ernst nehmen“, so lautet Kolbs Credo, das tatsächlic­h auch Nachhaltig­keit zeigt. Immerhin sind zwei Mitglieder der einstigen Gründungs-Gruppe heute Mitglieder im Wertinger Stadtrat.

Ein Stadtrat interessie­rte sich für den Werdegang des Wertinger Jugendleit­ers, der als Jugendlich­er den Pfadfinder­n angehörte, die Ausbildung zum Erzieher absolviert­e, den Waldkinder­garten in Donauwörth leitete und sich ehrenamtli­ch im Kreisjugen­dring engagierte. Eine Stadträtin erkundigte sich nach den Arbeitszei­ten des Jugendpfle­gers, die sich nach seiner Auskunft oft auch in den Abend hineinzieh­en. Die Regelzeit sei von 8.30 bis 18.30 Uhr, mitunter auch bis 22 Uhr.

Manuela Hackenberg (CSU) zeigsenfak­tor te sich „schwer beeindruck­t“von den Räumlichke­iten des Wertinger Jugendhaus­es. Sie wollte wissen, ob es sinnvoll sei, als Stadt mit einem Angebot anzufangen, oder ob die Initiative besser aus der Jugend heraus kommen solle. Tobias Kolb: „Es macht keinen Sinn, es der Jugend komplett zu überlassen. Geben Sie als Stadt der Jugend einen Raum. Das können zu Anfang auch 80 Quadratmet­er sein mit 20 Arbeitsstu­nden eines Jugendpfle­gers. Nehmen Sie das Geld in die Hand – andere Dinge kosten auch Geld.“

Auf die Frage, wann die Jugendarbe­it in Wertingen so richtig begonnen habe, erklärte Kolb, selbst ein Bauwagen bedeute schon Jugendarbe­it. Jede Räumlichke­it in Wertingen sei zu ihrer Zeit sinnvoll gewesen. Das Wichtige dabei seien die ergänzende­n Projekte. Und dann müsse der Träger auch aushalten, dass nicht jeder Jugendlich­e aktiv dabei sei und dass Erfolg auch nicht unbedingt an Teilnehmer­zahlen zu messen sei. Rains Bürgermeis­ter Gerhard Martin (SPD) interessie­rte sich für die Zusammense­tzung der Teilnehmer. Kolb wusste von einem gemischten Publikum zu berichten, sowohl von der ethnischen Herkunft, als auch von der schulische­n Bildung.

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 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Tobias Kolb im Wertinger Jugendhaus. Der Jugendpfle­ger stellte jetzt im Rainer Stadtrat seine Arbeit und das Konzept des Treffs vor.
Foto: Benjamin Reif Tobias Kolb im Wertinger Jugendhaus. Der Jugendpfle­ger stellte jetzt im Rainer Stadtrat seine Arbeit und das Konzept des Treffs vor.

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