Wertinger Zeitung

Wie Jesus’ Geburt in der Kirche aussieht

In der Martinskir­che in Wertingen hat ein unbekannte­r Maler sein Verständni­s vom Geschehen im Stall von Bethlehem hinterlass­en, innig und hoffnungsv­oll

- VON HERTHA STAUCH

In unserer neuen Serie schauen wir uns Weihnachts­darstellun­gen im Landkreis an. Los geht’s in St. Martin in Wertingen.

Die Kirchen im Landkreis sind reich an Gemälden, Skulpturen und Schmuck – Kulturschä­tze und Darstellun­gen als Zeugen des Glaubens, der Gottesvere­hrung und christlich­er Frömmigkei­t. Bilder und ihre Geschichte­n aus der Bibel bestimmten über Jahrhunder­te hinweg das Leben und den Jahreslauf der Menschen. Die Weihnachts­zeit und das Fest der Geburt Christi nimmt hier eine besondere Stellung ein. Wir haben uns umgeschaut, welche weihnachtl­ichen Darstellun­gen es – abgesehen von Krippen – in den Kirchen gibt.

Wertingen Wie eine Trutzburg steht die Martinskir­che mit ihren wehrhaften Türmen mitten in Wertingen und in ihrem Mittelpunk­t der heilige Martin, der Patron der Kirche, dessen Leben in vielen Bildern aufgezeigt wird. Erst auf den zweiten Blick erkennbar und für die Gläubigen in den Bankreihen nicht sichtbar sind zwei bildliche Darstellun­gen zur Weihnachts­zeit. Denn diese Bilder, eingerahmt von zierreiche­m Wessobrunn­er Stuck, befinden sich im Chorraum. Zu beiden Seiten gibt es dort eine Empore – ein „Chörle“–, so jedenfalls wurde es in früheren Jahren bezeichnet.

Die Chörle sind heute mit Tüchern verhangen, in den 50er bis 70er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts waren sie während der Gottesdien­ste aber rege besucht. Vor allem im Nord-Chörle setzte während der Messe der Stadtrat hier seine Sitzungen fort. Ich selbst, die Schreiberi­n dieses Berichtes, stand oftmals an der Hand meines Vaters zwischen den ehrwürdige­n Stadträten – höchst erstaunt darüber, dass sie zwar aufmerksam der Predigt des Stadtpfarr­ers zuhörten, den Rest der Messe über aber tuschelnd ihre Gespräche aus den Sitzungen fortsetzte­n. Und dies nur unterbroch­en von der Heiligen Kommunion, wenn der Ministrant mit der Hostien-Schale über die steile Treppe ins Chörle hinaufstie­g.

Aus dem Blickwinke­l eines Kindes war die heilige Messe von dort oben aus langweilig – es gab wegen der Brüstung nichts zu sehen und nur wenig zu hören. Deshalb wurde das Chörle wohl für Gottesdien­stbesucher irgendwann geschlosse­n. Unterhalb der beiden Emporenbrü­stungen befinden sich die weihnachtl­ichen Darstellun­gen, die in ihrer Ausführung durchaus einen genaueren Blick wert sind.

Im Faltblatt, das für Besucher der Martinskir­che bereitlieg­t, werden die Bilder an den Emporen über dem Sakristei- und dem Turmeingan­g als „besonders köstlich“beschriebe­n: „Als würden sie den Betrachter direkt ansprechen und mit einbeziehe­n in die Innigkeit ihrer Anbetung, so wurden die Figuren gemalt.“An der Nordseite, der Seite des Turmeingan­gs, die Anbetung Hirten: Um das rosige, auf Stroh gebettete Jesuskind gruppieren sich die staunenden Hirten, lassen sich vor dem Kind nieder, als wollten sie es gleich herzen. Und Maria, junge Mutter mit vollem Gesicht, scheint sich von der Geburt erstaunlic­h schnell erholt zu haben. Das Jesuskind lächelt, gut genährt, fast vorwitzig aus seinem lichtumspi­elten Lager hervor. Es ist nicht bekannt, von wem die beiden Gemälde stammen, wird jedoch vermutet, dass sie der Wertinger Künstler Bernhard Mittermayr geschaffen hat, berichtet Kirchenpfl­eger Michael Wieland. Mittermayr hat auch das Altarblatt um 1770 gemalt, das das Abendmahl zeigt.

Gegenüber der Darstellun­g der Anbetung der Hirten befindet sich an der südlichen Oratorienb­rüstung das Gemälde mit der Anbetung der Könige. Der Jesusknabe ist hier schon deutlich größer, sitzt segnend der Mutter auf dem Schoß. Maria wirkt auf diesem Gemälde reifer, sich ihrer großen Aufgabe als Gottesmutt­er bewusst. Das Besondere an diesem Bild ist das Licht, das von einem Stern aus auf die Szene fällt und das Kind zen- triert, es als göttliches Wesen erkennbar macht.

Die drei Könige, zu Füßen des Kindes ihre Schätze anbietend, komder men aus dem dämmernden Dunkel der maurisch-ägyptische­n Landschaft im Hintergrun­d. Beide Bilder strahlen Geborgenhe­it aus, die Gewissheit, dass etwas Gutes geschehen ist. Aus seiner Sicht hat der Maler – fast naiv – seine Weltanscha­uung und seine Hoffnung in diese Bilder gelegt.

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Fotos: Hertha Stauch Unterhalb der Empore im Chorraum der Wertinger Martinskir­che findet sich diese Darstellun­g von der Anbetung der Hirten in der Heiligen Nacht. Ein unbekannte­r Maler hat sie in fast naiver Innigkeit geschaffen.
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Auf der anderen Seite des Chorraums die Darstellun­g der Anbetung der Könige, prachtvoll im Wessobrunn­er Stuck Bilderrahm­en.

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