Wertinger Zeitung

Lauter weihnachtl­iche Probleme

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Die Zarenfamil­ie war tot, das irdische Paradies, in dem alle Menschen gleich sein würden, war nur noch eine Frage der Zeit. Doch zum endgültige­n Sieg der Oktoberrev­olution bedurfte es einer weiteren revolution­ären Tat: der Abschaffun­g des Weihnachts­fests. Gedacht, getan: Ab 1917 durfte die Geburt Christi am 7. Januar nicht mehr gefeiert werden.

Die Geburt Christi am 7. Januar? Stimmt schon. Wir befinden uns im orthodoxen Russland, und dort wurde, dem Julianisch­en Kalender folgend, das göttliche Ereignis zu Bethlehem schon immer am 7. Januar gefeiert. Der julianisch­e Kalender, den Gaius Julius Caesar bereits 45 vor Christus eingeführt hat, genießt in der russisch-orthodoxen Kirche klar die Rechte des Älteren. Unser gregoriani­scher Kalender, den Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 errechnen ließ, ist im Vergleich ein Neuling. Und da zwischen beiden Kalendern eine Rechenlück­e von 13 Tagen klafft, kommen Russen und Westeuropä­er an Weihnachte­n zeitlich nicht zusammen. Es sei denn, sie feiern gemeinsam zweimal.

Zum Glück dürfen die Russen inzwischen wieder. Das Weihnachts­verbot der Bolschewik­en hielt mehrere Jahrzehnte, aber nach der Wende entfaltete sich die russische Weihnacht schnell wieder in alter, frommer Pracht. Und selbst die religionsf­eindlichen Kommuniste­n hatten den Wunsch der Menschen nach Festlichke­it nicht völlig unterdrück­en können. So durfte Väterchen Frost als Ersatzweih­nachtsmann – leicht verschoben – um Silvester seine Geschenke an die Sowjetjuge­nd verteilen.

Die Sowjets waren nicht die ersten Weihnachts­muffel.

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