Ein schöner Baum, du glaubst es kaum
Eine prachtvoll geschmückte Tanne ist der Stolz ihres Besitzers. Dafür erwartet er auch Lob. Und das bekommt er traditionell in Schwaben zwischen Christfest und Dreikönig – wenn er ein Stamperle ausgibt
In der Weihnachtszeit leben wieder einige schöne Bräuche auf, die in unseren Städten und Dörfern gepflegt werden. Ein paar davon, heute das Christbaumloben, stellen wir in den nächsten Wochen auf der Freizeit-Seite vor. Schmuck, Lametta, Kerzen und was sonst noch so dranhängt.
Wir loben, was das Zeug hält und so lange, bis der stolze Besitzer endlich einen ausgibt und man gemeinsam auf den wunderschönsten aller Christbäume anstoßen kann.
Deshalb sollte man um die Weihnachtszeit immer einen guten Likör zu Hause haben, denn man weiß ja nie, wer kommt.
Übrigens wird ein Baum nur einmal am Tag gelobt. Sinn und Zweck ist es nämlich, dass man nicht nur einen, sondern möglichst viele Christbäume lobt, je mehr, desto besser. Schließlich wollen die Kontakte zu Nachbarn, Freunden und Verwandten ja gepflegt werden und da ist so ein Christbaumloben eine wunderbare Gelegenheit.
Ein bissle anders geht das öffentliche Christbaumloben in Memmingen. Da dürfen Alt und Jung, Freaks und Traditionalisten 22 Christbäume schmücken, gerade so wie es ihsamt nen gefällt. Aus diesem Bäumepark, fein säuberlich im Rathaus aufgestellt, wählten die Leute am zweiten Advent ihre Favoriten. Der Stimmzettel kostet 1,50 Euro und der Verein „Soziale Bürger Memmingen“finanziert mit dem Erlös seine gemeinnützigen Projekte vor allem in der Seniorenarbeit. Hinter der Aktion, die 2017 zum sechsten Mal ablief, steckt ebenfalls Manfred Bretzel – als Vereinsvorsitzender.
Selbst gemachter Schmuck gilt als Ehrensache bei den fürs Loben aufgehübschten Tannen. Der Verein Kulturverstrickung hängt gehäkelte Lappen „aus aller Frauen Länder“an seinen Baum. Es gibt gestrickte Kugeln, jedes Jahr in anderen Farben. Richard Wiblishauser hat in seinen Fahrradbaum allerlei Teile vom Drahtesel montiert. Jugendliche schmücken den „Wiederholer“, ein Baum vom letzten Jahr mit gekürzten Ästen und er schaut gar nicht traurig aus. Und Vereinsvorstand Bretzel durfte den wertvollen, alten Christbaumschmuck einer eingesessenen Memmingerin hängen.
Bei der Familie Winklhofer in Oberelchingen (Kreis Neu-Ulm) wird daraus rasch eine „Hockete“, also ein Beisammensein, wo musiziert und gesungen wird. Traditionell lädt Sepp Winklhofer schon am 23. Dezember Freunde und Bekannte zum Heimgarten ein. „Wir freuen uns das ganze Jahr darauf“, sagt er. Einer der Freunde schreibt jedes Jahr neue G’schichtle. Dank seiner Wohnung unterm Dach hat er Platz für einen riesigen Christbaum („meist über drei Meter hoch“), den er im orientalischen Stil schmückt. Bei diesem Prachtexemplar fällt das Loben nicht schwer. Größe, Fülle, Form („g’rad oder krumm“) und Eigenheiten (hat er zwei Spitzen?) zählen für die Lober. Ein bisschen
Sepp Winklhofer kennt noch das alte Sprüchle
schummeln ist erlaubt. „Die Kunst des Redners ist es, aus jedem Baum einen wunderschönen Baum zu machen.“Bei den Winklhofers kennt man alte Sprüchle fürs Loben: „Des glaubsch kaum, des glaubsch kaum / des isch a scheaner Weihnachtsbaum. / Der isch net krumm, der isch koi Schtorra / des isch a echter Chrischtbaum wora. / Der schtadt jetzt dau, so wie sich’s g’härt, / der isch ja glatt a Schtamperle wert.“
Ein, zwei Stamperl für die Christbaumlober sind immer drin. Solange die Spirituosen nicht die Hauptsache werden. Sepp Winklhofer hat seine Vorbehalte gegen die übereifrigen Lober, die von Haus zu Haus ziehen und eine ganze Liste abarbeiten. Bei ihm sei früher („als ich noch aktiv gespielt habe“) der ganze Fußballverein vorbeigekommen. Heute sagt der Oberelchinger: „Es geht doch ums Zusammensein. Viele Leute sagen: Erst wenn wir bei euch waren, ist der Schalter umgelegt und Weihnachten hat angefangen.“