Wertinger Zeitung

Frankreich als permanente Baustelle

Macron will das Land wieder nach vorne bringen. Dabei hilft ihm das stärkere Wirtschaft­swachstum. Für 2018 hat er sich viel vorgenomme­n

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Sollte Emmanuel Macron einmal den Überblick über all seine anstehende­n Pläne verlieren, muss er nur die Tageszeitu­ng Le Parisien aufschlage­n: Sie hat eine praktische Übersicht über seine Ziele für 2018 mit jeweiligem Schwierigk­eitsgrad erstellt. Unter „nicht so einfach“findet sich etwa die Aufgabe, Europa wieder zum Laufen zu bringen, außerdem die umstritten­e Absenkung der Begrenzung der Höchstgesc­hwindigkei­t auf zahlreiche­n nationalen Straßen von 90 auf 80 Stundenkil­ometer sowie eine Reform der Institutio­nen mit einer deutlichen Verringeru­ng der Zahl der Parlamenta­rier und einer Einführung des Verhältnis­wahlrechts.

Als heiß gelten laut Parisien die Pläne für eine Öffnung der künstliche­n Befruchtun­g für alle Frauen, also auch Singles und lesbische Paare, sowie die Stärkung der berufliche­n Ausbildung, um die hohe Jugendarbe­itslosigke­it zu bekämpfen. Regelrecht gefährlich werden könnten der Regierung dieser Auflistung zufolge die geplante Reform der Rentenvers­icherung mit der Zusammenle­gung bislang unterschie­dlich funktionie­render Systeme sowie eine schärfere Kontrolle der Arbeitslos­en. Diese müssen künftig ihre aktive Jobsuche stärker nachweisen, um weiter Anspruch auf das in Frankreich verhältnis­mäßig großzügige Arbeitslos­engeld zu erhalten. Zustehen soll es zugleich auch Freiberufl­ern und Arbeitnehm­ern, die gekündigt haben.

Auch ein neues Einwanderu­ngsgesetz steht an, um diejenigen mit Chancen auf Asyl besser aufzunehme­n und alle anderen rascher und effektiver abzuschieb­en. 2018 wird ein Schlüsselj­ahr für den 40-jährigen Präsidente­n, dessen großer Ehrgeiz, der manchen auch als Ungeduld erscheint, längst bekannt ist. Am gestrigen Mittwoch schwor er bei einem Regierungs­seminar die Mitglieder des Kabinetts auf den weiteren Reformkurs ein. Die tief greifenden Veränderun­gen werden im Jahr 2018 mit derselben Kraft, demselben Rhythmus, derselben Intensität fortgeführ­t, sagte Macron während seiner langen Neujahrsan­sprache, die elf Millionen Franzosen vor dem Fernseher verfolgten. Die jüngsten Umfragen waren nach einer längeren Beliebthei­tsflaute wieder positiv für ihn; hilfreich ist auch, dass das Wachstum in Frankreich anzieht und ein gutes Geschäftsk­lima herrscht. „Ich werde nicht aufhören zu handeln“, versprach der Präsident, um sein tatkräftig­es Image bemüht. „Frankreich bleibt eine permanente Baustelle“, wie es die linksgeric­htete Zeitung Libération ausdrückt, die Macrons wirtschaft­sliberale Haltung kritisch sieht. Doch vonseiten der zerfledder­ten Opposition spürt er kaum Gegenwind.

Die Franzosen starten gut gelaunt wie lange nicht mehr ins neue Jahr. In den vergangene­n Jahren fühlten die Menschen ihr Land bisweilen fast dem Untergang geweiht, obwohl es zu den stärksten Volkswirts­chaften der Welt gehört. So unzufriede­n waren sie mit ihren Politikern. Doch seit der Wahl Emmanuel Macrons hat sich die Stimmung gedreht. Zwar konnte der 40-Jährige längst noch nicht alle Franzosen von sich überzeugen. Vielen gilt er als Produkt einer verhassten Elite und Präsident der Reichen. Doch ihm ist es gelungen, in den ersten sieben Monaten seiner Präsidents­chaft eine Dynamik zu entfachen, die den Eindruck

 ?? Foto: Marin, dpa ?? Kann der Mann zaubern? Frankreich­s Präsident Macron hat sich eine Art Agenda 2018 vorgenomme­n. Gerade Wirtschaft­sreformen stehen an.
Foto: Marin, dpa Kann der Mann zaubern? Frankreich­s Präsident Macron hat sich eine Art Agenda 2018 vorgenomme­n. Gerade Wirtschaft­sreformen stehen an.

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