Demonstrieren gegen Giftköder
Die Fälle von vergifteten Tieren häufen sich. Hundebesitzer halten zusammen – über die Landkreisgrenze hinaus. Eine große Suchaktion ist geplant
Wittislingen Jacky wäre am 28. November elf Jahre alt geworden. Sie war ein Jack-Russel-Terrier, fit und gesund. Jacky lebt nicht mehr. Schuld ist nicht das Alter, keine Krankheit. Jacky musste sterben, weil sie einen Giftköder gefressen hatte. „Deshalb musste ich meinen Hund begraben“, sagt die 57-jährige Dillingerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Tränen steigen ihr in die Augen. Simone Eiba nimmt die Frau in den Arm. „Hundebesitzer halten zusammen“, sagt sie. Mit 17 weiteren Menschen und ihren Vierbeinern steht sie an der Kirche in Wittislingen. Sie alle wollen ein Zeichen setzen – ein Zeichen gegen Hundehasser, gegen Menschen, die absichtlich Köder auslegen, um Tiere zu vergiften.
All die Menschen mit ihren Hunden zu sehen, geht der Frau nahe. Doch sie will, dass die Täter gefunden werden, die Schuld am Tod ihrer Jacky und anderer Vierbeiner sind. Es war der Morgen des 27. Oktobers, als ihr Terrier in den Garten lief. Stunden später, noch am selben Tag begannen die Krämpfe. „Sie konnte nicht mehr laufen, hat versucht, sich zu übergeben.“Jacky kam an den Tropf, geschafft hat sie es am Ende nicht.
Ulrich Pflüger aus Wittislingen hat Angst, dass Familienhund Bazi Gleiches passiert. Seitdem sich die Vorfälle häufen, schaut er genau, welche Wege er für seine Gassirunde nutzt. „Ich lasse ihn im Moment nicht mehr von der Leine.“Der braune Labrador würde alles fressen, was ihm vor die Pfoten kommt. „Er ist wie ein Staubsauger“, sagt Pflüger und lächelt seinem Hund entgegen. „Für uns ist Bazi ein richtiges Familienmitglied.“Weil zwei Giftköder in Wittislingen gefunden wurden, dürfen seine Söhne Adrian und Tobias nicht mehr alleine mit dem Rüden rausgehen. „Das ist mir zu gefährlich.“
Am Papiermühlweg in Wittislingen entlang der Egau wurden Ende Dezember vergiftete Zuckerrübenstücke gefunden. Ein paar Tage zuvor im Bereich der Biberrutsche. Zwei Hunde erlitten dadurch schwere Vergiftungen. Auch im benachbarten Deiningen bei Donauwörth wurden drei Hunde vergiftet. In Günzburg starb ein Vierbeiner Mitte Dezember, weil im Garten ein Köder lag.
„Wir lassen uns das nicht gefallen“, sagt Simone Eiba. Als sie vor knapp zwei Wochen in der Zeitung las, dass in ihrer Gemeinde Giftköder gefunden wurden, war der Schock groß. „Doch nicht mein Wittislingen, dachte ich mir.“Als Mitglied der regionalen FacebookGruppe „Dogs Ulm/Neu-Ulm“richtete sie sich an Gleichgesinnte. „Ich wollte irgendwas tun.“Elfeinhalb Jahre ist ihr Labrador Biene jetzt alt. „Es kann doch nicht sein, dass ich nun Angst haben muss, meinen Hund zu verlieren.“Am Anfang sei da einfach nur die Wut gewesen, sagt Eiba. Jetzt ist da auch die Entschlossenheit. „Ich will das hier nicht haben.“Mittlerweile meidet sie die Egau, fährt mit dem Auto weiter weg, in der Hoffnung, dass dort niemand Giftköder drapiert. Geht sie doch in ihrem Wohnort spazieren, bekommt Biene einen Maulkorb.
18 Menschen aus Günzburg, Wittislingen, Zöschingen, Aalen und Syrgenstein kommen zum vereinbarten Treffpunkt, um zu demonstrieren. Sie alle teilen die Liebe zum Hund. Und sie alle teilen die Wut darüber, dass im Landkreis Hunde sterben müssen, weil absichtlich Giftköder ausgelegt werden.
Damit die eigenen Vierbeiner den Köder links liegen lassen, bedarf es eines speziellen Trainings. Monika Bojasch, Hundetrainerin aus Zöschingen, empfiehlt: „Der Hund muss lernen: Alles was am Boden liegt, gehört dem Zweibeiner.“Daher rät sie von Suchspielen mit Leckerlies ab. Futter sollten die Tiere immer nur aus der Hand oder dem Napf erhalten, nicht vom Boden. Bis das Training zum Erfolg führt, kann viel Zeit vergehen. „Das ist je nach Rasse unterschiedlich. Bei Labradoren dauert es etwas länger.“
Ein Maulkorb sei eher eine vorübergehende Lösung. „Ein Maulkorb vermittelt anderen Menschen, dass der Hund aggressiv und gefährlich ist, das verunsichert viele“, sagt Bojasch. Darum würden Hundebesitzer meist nie lange darauf zurückgreifen – zumal die Gassigänge für den Vierbeiner schöner seien ohne Maulschutz. Eiba weiß gerade keine andere Lösung. Biene sei nicht mehr die Jüngste. „Ihr das jetzt noch beizubringen, wird schwierig.“Umso wichtiger ist es ihr deshalb, dass die Polizei die Täter ausfindig machen kann.
In Kooperation mit „Dogs Ulm/ Neu-Ulm“will die 37-Jährige Plakate drucken lassen, um sie im Umkreis zu verteilen. Die Unterstützung vieler Menschen hat sie – über die Landkreisgrenze hinaus. „Ich stehe auf der Seite der Tiere, sie sind das schwächste Glied in der Gesellschaft“, sagt die Frau aus Dillingen, die ihren Hund wegen eines Köders am 27. Oktober verloren hat.
In der Region geht die Angst vor Giftködern umher. Gerade Hundebesitzer sorgen sich um ihre Vierbeiner. Die präparierten Zuckerrüben in Wittislingen waren vermutlich für den Biber bestimmt. Die Nager fällen alte Bäume und bedrohen die Existenz vieler Landwirte. Doch Biber mit Giftködern beseitigen zu wollen, ist der falsche Weg und nichts anderes als Tierquälerei. Die Nager stehen auf der Roten Liste, sie gelten als gefährdet. Mittlerweile wurde der Biber hier wieder erfolgreich angesiedelt, jetzt ist der Bestand zu groß. Die Schäden sind da, das lässt sich nicht abstreiten – doch war es am Ende nicht die Entscheidung von Experten, dass die Zahl der Biber wieder wachsen muss?
Letztendlich handelt das Tier nach seiner Natur. Ein erfolgreiches Bibermanagement des Freistaats ist daher von Nöten, vergiftete Zuckerrüben lösen das Problem nicht. Zumal die vergangenen Fälle zeigen: Es trifft nicht die Biber, sondern die Hunde. Einige der Täter mögen auch genau die in Visier haben. Klar, Hundekot, der nicht entsorgt wird, nervt. Vierbeiner, die ständig bellen, genauso. Niemand fordert eine bedingungslose Tierliebe. Zu fordern ist allerdings, dass jeder den nötigen Verstand besitzen sollte, ihnen kein Leid zuzufügen. Jemand, der Giftköder auslegt, muss bestraft werden. Im Falle der vergifteten Hunde gibt es noch einen weiteren, wichtigen Zusatz: Sie gelten für die meisten Menschen als vollwertige Familienmitglieder. Für die Frau aus Dillingen war es ihr Terrier Jacky. Und ein Blick in die Augen der 57-Jährigen genügt, um zu sehen: Dieser Hund war Teil ihres Lebens, der ungerechte Verlust ein schwerer Schicksalsschlag. Egal, wie wenig Verständnis Außenstehende dafür haben mögen, so sollte doch die Empathie ein wichtiges Gut unserer Zeit sein. Und wenn schon kein Mitgefühl für Tiere übrig ist, dann doch wenigstens für die Menschen um uns herum.
Jack Russel Terrier Jacky stirbt durch Gift