Der Widerspenstige
Der Strizzi Tscharlie aus den „Münchner Geschichten“hängt Günther Maria Halmer nach. Bei seinen vielen Rollen verschmäht er auch „Das Traumschiff“nicht. Jetzt ist er 75
Augsburg Es war die Zeit, da ein junger Mann aus der Münchner Vorstadt lebenshungrig war, bei den Frauen „was aufg’stellt“hat, wie ein Dackel schauen konnte und einen Schmäh draufhatte. Eine Liga unter dem der Wiener, aber das reichte. Man denkt an Sigi Sommer und an zwei Strizzis, die der Autor und Regisseur Helmut Dietl ins Leben gerufen hat. Den Monaco Franze aus den frühen 80ern und Tscharlie Häusler aus der BR- Vorabendserie „Münchner Geschichten“(1974).
Der hat es mit Anfang 30 noch zu nichts gebracht, außer einer Liebschaft mit der Wirtstochter Susi, die geheiratet werden will. Tscharlie (Günther Maria Halmer) lebt in einem alten Mietshaus, gleichsam im Hotel Oma, wo es mittags Ochsenfleisch mit Wirsing gibt. Therese Giehse spielt die alte Frau genau so, wie man das erwartet, wenn ein Mensch mit seinem Viertel verwachsen ist. Und darauf besteht, dass der Untermieter „Zimmerherr“genannt wird.
Von Folge zu Folge zieht sich der Schleier der Wehmut immer weiter zu, denn die Tage im Stadtteil Lehel sind gezählt. Rentner und kleine Ladenbesitzer können sich die neu gebauten Wohnungen aufgrund der Gentrifizierung nicht mehr leisten. Welchen Blick der 2015 verstorbene Helmut Dietl schon damals hatte, als er die Veränderungen im alten München, vor allem das Sterben des Lehel, vorweg ahnte!
Am heutigen Freitag wird der gebürtige Rosenheimer Halmer 75 Jahre alt. Über 150 Filme – vorwiegend fürs Fernsehen – hat er gedreht, aber der Tscharlie ist und bleibt Kult. In einem Fernseh-Interview erzählte Halmer einmal, dass Dietl auf ihn in der Hauptrolle bestand, „obwohl die mehr so einen Typ Michael Schanze wollten, der etwas gefälliger war“. Dietl jedoch boxte Halmer durch. Zum Glück für die „Münchner Geschichten“und die Fans des Dietl-Werks.
Aber nach dem Dreh fasste Gün- ther Maria Halmer den Entschluss, dem Tscharlie Servus zu sagen. „Ich bekam lange Zeit nur Tscharlieähnliche Angebote.“Eigenwillig bis hin zum widerspenstigen Grantler war er sowieso. Und sein Verhältnis zum Vater stets angespannt. Halmers Biografie „Fliegen kann jeder“hat er seinen beiden erwachsenen Söhnen Daniel und Dominik gewidmet. Nicht dem Vater, der den widerspenstigen Sohn immer nur kritisierte. Anwalt hätte der Sohn werden sollen, aber der wollte nicht.
Ironie des Schicksals: Von 1988 bis 2001 strahlte das ZDF die Justizserie „Anwalt Abel“aus. Mit Halmer in der Rolle eines Pflichtverteidigers, der gelegentlich von Melancholie geplagt wird. Dabei hat es der Absolvent der renommierten OttoFalckenberg-Schule in München gar nicht mit lange laufenden TVSerien. Ihm ist eine Vielfalt an Rollen wichtiger. Als einer der wenigen deutschen Schauspieler hat es Halmer auch nach Hollywood geschafft. Mit Ben Kingsley ist er 1982 im Kinofilm „Gandhi“zu sehen, in dem er den deutsch-jüdischen Freund des Titelhelden verkörpert. Im gleichen Jahr spielt er neben Meryl Streep im US-Drama „Sophies Entscheidung“. Eine Option sei Hollywood aber nie gewesen, sagt Halmer einmal, der seit mehr als 40 Jahren mit seiner Frau Claudia verheiratet ist. War das die bekannte Widerborstigkeit oder blieben attraktive Angebote in den USA aus?
Zu seiner Lebensgeschichte gehören ein Rauswurf beim Militär und zwei Jahre Malochen in einem kanadischen Bergwerk. Mangelnde Vielseitigkeit kann man dem in der Nähe seiner Geburtsstadt lebenden Halmer nicht vorwerfen. Auch nicht, dass er publikumswirksame Stoffe nicht mag. So ging er mehrfach an Bord des „Traumschiffs“und verschmähte auch Utta-Danella-Verfilmungen nicht. Der Tscharlie aber war sein frühes Meisterstück. Als ihm in einer In-Disco eine linke junge Frau sagt: „Ich finde solche Typen beschissen“, reagiert er fast valentinesk: „Ja, die muass ma mögen, sonst mag man’s ja gar net.“