Geburtsstation auf der Kippe
Für Frauen aus dem Landkreis Dillingen ist es eine bemerkenswerte Statistik. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt bringen, ist offenbar doppelt so hoch wie in anderen Teilen Deutschlands. Die Gründe dafür sind nur bedingt medizinischer Natur. Das macht die Angelegenheit so heikel. Denn eine Schwangere, die sich in einer körperlichen und psychischen Ausnahmesituation befindet, erwartet zu Recht, dass ihr Arzt zuallererst das Wohl von Mutter und Kind im Auge hat. In Dillingen, so wie auch anderenorts, könnten jedoch auch andere Faktoren in die Entscheidung hineingespielt haben, wie eine Schwangere entbunden wird: Personalknappheit, Zeitmangel, juristische Absicherungen, Geld.
Dass Ärzte in Dillingen Frauen ohne jede medizinische Notwendigkeit operiert haben, lässt sich nur schwer nachweisen. Zumal die Ärzte ohne Frage hohen Belastungen ausgesetzt sind und waren. Die Tatsache, dass die meisten der von den Vorwürfen Betroffenen zu dem Thema nicht Stellung beziehen wollen, hinterlässt jedoch einen faden Beigeschmack – und stellt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt, Hebamme und Patient auf eine harte Probe.
Dabei ist die Situation der Geburtshilfe im Landkreis ohnehin angespannt. Es fehlt an Hebammen und Ärzten. Die Stimmung innerhalb des Personals ist gereizt. Vor allem das Scheitern der Pläne für ein Medizinisches Versorgungszentrum hat zu tiefen Rissen zwischen den Geburtshelfern geführt. Ein in Dillingen ansässiger Frauenarzt hatte sich überraschend auf den Kassensitz beworben und das Krankenhaus damit ausgestochen. Für den Chefarzt und eine Oberärztin der Dillinger Geburtshilfestation war dies ein Grund zu kündigen – nicht einmal ein Jahr, nachdem sie dort angefangen haben. Die Geschäftsführung der Kreisklinik muss nun schnell adäquaten Ersatz finden und für geordnete Verhältnisse in der Abteilung sorgen. Nur so wird Schwangeren ein geborgenes Umfeld geschaffen, das für eine Geburt nötig ist.
Angesichts der neuerlichen Unruhe ist die Zukunft der defizitären Dillinger Geburtshilfestation ungewisser denn je. Denn die Aussichten sind mau. Engagierte und fähige Nachwuchsärzte zieht es in die großen Zentren. Regelungen wie die, dass freiberufliche Hebammen von jetzt an nur noch zwei Frauen gleichzeitig betreuen können, verschärfen die Bedingungen weiter.