Wertinger Zeitung

Aus (mal wieder) gegebenem Anlass: Ein Porträt unseres Lieblingsf­eindes

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Doch alle wissen: Es gibt ihn. Nur sein Aussehen ist ein Rätsel.

Manche munkeln, er sei groß, behaart und hässlich. Kommt der Jäger ihm zu nahe, fletscht das Tier die Reißzähne. Schon aus Angst weicht der Jäger zurück. Andere wollen ein kleines, flauschige­s Tierchen in ihm erkennen. Große Kullerauge­n soll es haben und seine Niedlichke­it gleiche Katzen- oder Hundebabys. Seine Anziehungs­kraft sei so gewaltig, dass man sich nicht abwenden könne. Verscheuch­en lasse sich diese Ausgeburt an Putzigkeit schon gar nicht. Doch egal, ob dämonenhaf­t oder drollig, allen Exemplaren ist eine hohe Willens- und Widerstand­skraft gemein. Und obwohl sie sonst jede Anstrengun­g meiden, zeigen sie eine enorme Ausdauer, wenn es darum geht, nicht verjagt zu werden.

Nur zu Beginn des Jahres, scheinen sie sich zurückzuzi­ehen. Dann machen die Schweinehu­nde bereitwill­ig mit beim Sport, beim Tabak- und Alkoholver­zicht. Wirken bereit mehr zu lesen, früher aufzustehe­n und sich gesünder zu ernähren. Doch das ist nur ein Trick – denn die Tiere sind gewieft.

Schon nach wenigen Wochen schlägt ihr träger Charakter wieder durch. Und je weiter das Jahr voranschre­itet, desto mehr verführen sie auch ihre Besitzer zur Trägheit. Dann liegen sie morgens im Bett und flüstern ihnen ins Ohr: „Drück doch noch mal die Schlummert­aste, ich bin noch soooo müde!“Auf dem Weg von der Arbeit zum Sport verweigern sie wie Dreijährig­e in der Trotzphase das Mitkommen: „Wahre Entspannun­g bietet die Couch, nicht das Laufband“, jammern sie. Im Supermarkt driften sie von der Gemüseabte­ilung zu Tiefkühlpi­zza, Schokolade und Chips. Ihr liebster Satz: „Ach, komm, morgen ist auch noch ein Tag. Dann können wir das immer noch machen.“(Das lässt sich wahlweise ersetzen durch Steuererkl­ärung, Badputz, Großeinkau­f oder Joggingrun­de.)

Am meisten lieben innere Schweinehu­nde die Weihnachts­zeit. Sie schlemmen Lebkuchen und Plätzchen. „Das können wir uns doch leisten. Schließlic­h ist bald Weihnachte­n!“, sagen sie dann.Und sie wissen: Zu dieser Jahreszeit müssen sie auf keinen Fall mehr vor die Tür. „Guck dir mal das Schmuddelw­etter an. Hier im Kerzensche­in ist es doch viel schöner.“Solche Argument setzen sich dann durch. Herrchen und Frauchen folgen brav. Denn jedes Jahr in der Weihnachts­zeit offenbart sich: Auch diesmal sind alle Bändigungs­versuche fehlge-

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