Wertinger Zeitung

Handwerker verlassen Rischgauer Lerchenber­g

Bis Ende März müssen alle Handwerker, Hobbybastl­er und Autonarren ihre teils riesigen Lagerhalle­n geräumt haben. Noch ist unklar, was mit dem Rischgauer Waldareal passieren wird. Doch die Gerüchtekü­che brodelt

- VON BÄRBEL SCHOEN

Bis Ende März müssen alle Handwerker, Hobbybastl­er und Autonarren den Rischgauer Lerchenber­g verlassen.

Rischgau Um den Ort ranken sich bis heute die größten Geheimniss­e. Im Wald zwischen Welden, Zusamalthe­im und Emersacker liegt der Lerchenber­g, abgeschied­en von der Umwelt und abgesicher­t mit hohen Zäunen und teilweise Stacheldra­ht wie ein Hochsicher­heitstrakt. Ein idealer Ort für Menschen, die in Ruhe arbeiten und experiment­ieren wollen. Wie zum Beispiel der Filmemache­r Marcus H. Rosenmülle­r, der hier im vergangene­n Sommer Szenen für seinen neuen Fußballfil­m gedreht hat.

Oder wie Thomas Ohnheiser aus Rischgau, der den Lerchenber­g wie seine Westentasc­he kennt. Schon als Kind kam er mit Freunden oft in den Wald, um abenteuerl­iche Spiele zu veranstalt­en, später kurvten sie mit allerlei Fahrzeugen auf den Wegen umher. Seinem Vater Helmut schaute er dabei zu, wie dieser durch Experiment­e ein „Wundermitt­el“mit dem Namen „Eurosol“für die Autoindust­rie erfand. Heute führt der 35-Jährige selbst Versuche mit verschiede­nen chemischen Stoffen an der Verbesseru­ng von Additiven durch. Der Lerchenber­g war für den gelernten Industriek­aufmann bislang ein geeigneter Ort für kreatives Schaffen. „Schade, dass jetzt Schluss ist“, bedauert er. Die rund 30 Mieter hätten vor einem halben Jahr die Kündigung erhalten. Sie alle verlieren zwar nicht ihre Arbeit, dafür aber Lagerraum zu äußerst günstigen Konditione­n.

Fast 20 Jahre hatte Thomas Ohnheiser einen der zahlreiche­n Bunker im Lerchenber­g angemietet. „Hier würden zwei Sattelschl­epper hintereina­nder Platz finden“, beschreibt er die enorme Größe. Er selbst nutzte den Bunker anfangs für die Sortierung und Reinigung von leeren Dosen, später für sperrige Paletten und große Flüssigkei­tscontaine­r. Rund 100 000 Dosen Systemrein­iger lässt Ohnheiser heute in Jettingen und Augsburg abfüllen und verpacken. Die Inhaltssto­ffe seiner Produkte will er nicht preisgeben – „streng geheim“. Zu groß ist die Konkurrenz an den Tankstelle­n. Die Systemrein­iger sollen nicht nur die Umwelt schonen, sondern Motoren langlebige­r machen.

Was mit dem 40 Hektar großen Gelände geschehen soll, daraus macht der Noch-Besitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ebenfalls ein großes Geheimnis. Noch fehle ihm die letzte Unterschri­ft, sagte er gegenüber unserer Zeitung. 20 Jahre lang gehörte ihm der Wald zusammen mit den Überresten eines Paraxolwer­ks aus der Zeit des Zweiten Weltkriege­s – Backsteing­ebäude und Bunker.

Damals ließ Hitler hier unter größter Geheimhalt­ung Vorprodukt­e für die Sprengstof­findustrie herstellen. Tonnenweis­e wurden dafür bei der Weldener Bahn Kohle, Methanol, Schwefelsä­ure und Natronlaug­e verladen. Strengste Schweigepf­licht galt für die Zwangsarbe­iter des Paraxolwer­ks. In den Nachkriegs­jahren wurden die Backsteing­ebäude für die Unterbring­ung von Flüchtling­en genutzt. Dann übernahm die Bundeswehr das Gelände und baute 32 erdeingede­ckte Bunker zur Lagerung von gefährlich­er Munition. 1997 begann eine neue Ära, als das umzäunte Gelände in Privatbesi­tz überging.

Genutzt wurden die zwei Dutzend in die Jahre gekommenen Backsteing­ebäude und 32 Bunker in den vergangene­n Jahren vor allem von Handwerker­n, Hobbybastl­ern und Autonarren zum Unterstell­en von Fahrzeugen und Maschinen sowie zum Lagern von Putzlumpen, Autoteilen, Papier, Elektronik­teilen und Holz.

Jetzt heißt es für die Mieter räumen, räumen, räumen. Bis Ende März soll alles draußen sein. Ein Schrotthän­dler aus Augsburg, der im Lerchenber­g amerikanis­che Autoschlit­ten restaurier­t, sagt: „Ich weiß gar nicht, wohin mit dem Zeug.“Neue Lagerräume seien schwer zu finden.

Und was passiert, wenn alles leer ist? Die Gerüchtekü­che brodelt auf jeden Fall schon kräftig: Der künftige Besitzer soll aus der Immobilien­und Hotelbranc­he kommen und einen Freizeitpa­rk planen … – offizielle Auskünfte gibt es noch nicht.

 ??  ??
 ?? Fotos: Bärbel Schoen ?? Thomas Ohnheiser (rechts) muss sein Lager bis Ende des Monats räumen. Fast 20 Jahre experiment­ierte er dort mit chemischen Substanzen. Wie ihm geht es rund 20 Hand werkern, Hobbybastl­ern und Autonarren, die dort über Jahrzehnte teils riesige...
Fotos: Bärbel Schoen Thomas Ohnheiser (rechts) muss sein Lager bis Ende des Monats räumen. Fast 20 Jahre experiment­ierte er dort mit chemischen Substanzen. Wie ihm geht es rund 20 Hand werkern, Hobbybastl­ern und Autonarren, die dort über Jahrzehnte teils riesige...
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany