Berlin, Berlin, sie fuhren nach Berlin
Am Sonntag reisten die Reistinger Sternsinger in die Hauptstadt, heute treffen sie die Bundeskanzlerin. Die Gruppe aus dem 200-Einwohner-Örtchen vertritt das gesamte Bistum
Ziertheim/Berlin Wenn Nico Steck am heutigen Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenübertritt, wird er einen Stern in seiner Hand halten mit der Aufschrift „Augsburg“. Nico, sein Zwillingsbruder Luca Steck, Teresa Bäurle, Christine Brugger und die Reistinger Sternsingerbeauftrage Petra Kränzle treffen die Kanzlerin bei der Sternsingeraktion im Kanzleramt in Berlin – und vertreten dort das gesamte Bistum Augsburg.
2018 findet bereits das 60. Dreikönigssingen statt, eine deutschlandweite Aktion des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“und des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Jedes Jahr sind in der Bundesrepublik rund 300000 Jungen und Mädchen unterwegs, um als Sternsinger Spenden für soziale Projekte zu sammeln. Allein innerhalb der Diözese Augsburg waren es im vergangenen Jahr Gruppen aus fast 900 Pfarreien, die insgesamt fast dreieinhalb Millionen Euro gesammelt haben.
Seit 1984 ist es Tradition, dass der amtierende Bundeskanzler dieses soziale Engagement würdigt, indem er um den Dreikönigstag Sternsinger aus ganz Deutschland empfängt. Aus allen 27 Diözesen kommen dann jeweils vier Sternsinger in das Kanzleramt. 108 Sternsinger auf einem Haufen – und zwischen ihnen steht dann schon zum 13. Mal Angela Merkel.
Die Reistinger sind freilich zum ersten Mal dabei. Beworben hat sich Petra Kränzle, die seit 18 Jahren die Sternsinger des Ziertheimer Ortsteiles koordiniert, jedes einzelne Jahr. Dass ihre Gruppe tatsächlich ausgelost werden könnte, hatte sie aber kaum für möglich gehalten. Grup- die eine Absage erhalten, bekommen einen Trostpreis – für Kränzle war das der eigentliche Anreiz. Der Hauptgewinn erschien ihr einfach zu unrealistisch. Sie, mit ihren Sternsingern aus dem kleinen Reistingen, die das Bistum Augsburg in Berlin vertreten? Das konnte Kränzle auch da noch nicht fas- sen, als sie Mitte Dezember den Anruf bekam. „Ich glaube das erst, wenn ich es schriftlich habe“, sagte sie am Telefon. Kurz danach kam die Zusage auch schriftlich.
Die Freude war groß, dann kam die Einsicht: „Oh Gott, wen nehmen wir denn da mit?“Kränzle war klar, dass sie vier ihrer Helfer sehr glückpen, lich machen würde – die anderen aber würden eine tolle Gelegenheit verpassen. Eine schwierige Entscheidung. Kränzle entschied sich für die mittlerweile 14-jährigen Steck-Zwillinge, die 16-jährige Teresa Bäurle und die 17-jährige Christine Brugger – allesamt seit Jahren als Sternsinger unterwegs und auch als Ministranten in der Pfarrei aktiv. Und verantwortungsbewusst, sodass Kränzle keine Bedenken hat, auf der Reise für sie verantwortlich zu sein.
Ähnlich wie Kränzle konnten die Jugendlichen erst einmal kaum glauben, dass sie Angela Merkel die Hand schütteln werden. „Ich habe eine Nachricht von der Petra bekommen“, erzählt Teresa, die gerade auf einer Weihnachtsfeier war. „Ich habe gedacht: Das kann doch nicht sein. Ich habe die Nachricht noch drei Mal durchgelesen.“Seitdem haben die Berlin-Reisenden eine Menge Glückwünsche und positive Rückmeldungen erhalten.
Gestern ging es für die Jugendlichen und ihre Betreuerin mit dem Zug in die Hauptstadt. Für drei von ihnen ist es der erste Besuch in Berlin. Das Programm ist gut durchgeplant. Nach einer Besprechung übten die Sternsinger aus ganz Deutschland gestern noch einmal gemeinsam die Lieder für den heutigen Tag ein. Vier Lieder haben die Jugendlichen auswendig gelernt – Liederzettel würden auf den Fotos und Videos schließlich stören. Das Treffen selbst beginnt am heutigen Montag um 13.30 Uhr. Merkel wird die Gruppen aller Diözesen einzeln begrüßen, die Jugendlichen können also alle die Hand der Kanzlerin schütteln. Weil die Reistinger einen besonders weiten Heimweg haben, bleiben sie bis zum Dienstagmorgen in Berlin.