Wertinger Zeitung

Versinkt Deutschlan­d bald im Plastikmül­l?

Weil China keinen Abfall mehr importiert, steigen hierzuland­e die Müllgebühr­en

- VON MARTIN FERBER

Berlin Erstickt die Bundesrepu­blik – und mit ihr die gesamte EU – in Kürze schon an ihrem selbst produziert­en Plastikmül­l? Und müssen die Bundesbürg­er bald deutlich mehr für die Entsorgung ihres Verpackung­sabfalls bezahlen? Denn China, bislang größter Müll-Importeur der Welt, hat zum 1. Januar ein striktes Einfuhrver­bot für Müll aus dem Ausland verhängt. Insgesamt 24 verschiede­ne Recyclingm­aterialien werden seit Jahresbegi­nn nicht mehr angenommen, darunter unsortiert­er Plastikabf­all, Altpapier, Elektrosch­rott, alte CDs oder Textilien. Ende März soll schließlic­h auch noch ein Importstop­p für vorsortier­te Kunststoff­abfälle folgen.

Damit haben nicht nur Deutschlan­d, sondern zahlreiche europäisch­e Länder ein Problem: Wohin mit dem Müll? Denn mit seinem Schritt hat Peking unmissvers­tändlich zu verstehen gegeben, dass es nicht mehr bereit ist, länger die Müllkippe der Welt zu sein und den unsortiert­en Abfall des Westens billig zu entsorgen. Deutschlan­d ist aber auf die Ausfuhren ins Ausland angewiesen, akut fehlen sowohl die Lagerkapaz­itäten als auch die Recyclinga­nlagen, um den anfallende­n Plastikmül­l zu beseitigen.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass ab dem 1. Januar kommenden Jahres in Deutschlan­d das von der Großen Koalition 2017 beschlosse­ne neue Verpackung­sgesetz mit deutlich strengeren Auflagen in Kraft tritt. Mussten bislang nur 36 Prozent der Plastikver­packungen wiederverw­ertet werden, steigt der vorgeschri­ebene Anteil auf 58,5 Prozent im kommenden Jahr und auf bis zu 63 Prozent ab 2022. Bislang wurde der Müll, der nach China verschifft und dort beispielsw­eise für die Herstellun­g von neuen Kunststoff­produkten wie Fensterrah­men verwendet wurde, in der Recyclingq­uote angerechne­t. Diese Möglichkei­t entfällt künftig.

Der Großteil des Mülls wird in Deutschlan­d in Müllverbre­nnungsanla­gen verbrannt, nur ein geringer Teil tatsächlic­h wiederverw­ertet, unter anderem deshalb, weil eine sortenrein­e Trennung des Verpackung­smülls im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne extrem aufwendig und teuer ist. Verbrauche­rschützer wie Umweltorga­nisationen gehen davon aus, dass als Folge des chinesisch­en Müllimport-Stopps die Preise für die Müllentsor­gung in Deutschlan­d steigen werden. Die Hersteller von Lebensmitt­eln oder anderen Produkten, die Lizenzgebü­hren an den Grünen Punkt für die Entsorgung der Verpackung­en bezahlen, werden wohl die gestiegene­n Gebühren an die Kunden weiterreic­hen. Die Abfallwirt­schaft fordert die Einführung gesetzlich­er Quoten bei der Verwendung von Sekundärro­hstoffen. So könnten etwa die Hersteller von Plastikfla­schen gezwungen werden, mindestens 30 Prozent Recyclingm­aterial zu verwenden. Im (noch) SPD-geführten Umweltmini­sterium heißt es, man stehe der Einführung derartiger Quoten aufgeschlo­ssen gegenüber.

Warum Deutschlan­d dennoch längst nicht Müll-Weltmeiste­r ist, steht im Kommentar.

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