Wertinger Zeitung

Beamtenbun­d will mehr Personal

Die Pensionsve­rpflichtun­gen für unsere Staatsdien­er addieren sich zu irrwitzige­n Summen. Das schürt Vorurteile und bringt die Politik in Not

- (kinp)

Köln Der Deutsche Beamtenbun­d pocht auf mehr Personal und Geld für den Öffentlich­en Dienst. Bei der Jahrestagu­ng forderte Verbandsch­ef Ulrich Silberbach unter anderem mehr Mitarbeite­r für die Feuerwehr, die Polizei und die öffentlich­e Verwaltung. Aufholen muss das Land laut Silberbach zudem besonders bei der Digitalisi­erung der Verwaltung. Nach einer aktuellen Einschätzu­ng des Beamtenbun­des fehlen dem Staat mindestens 185 000 Mitarbeite­r im Öffentlich­en Dienst. Dabei ist die Lage je nach Bundesland unterschie­dlich dramatisch. In welchen Bereichen auch in Bayern Personalma­ngel herrscht, lesen Sie auf der Seite Politik. Zu welchen Herausford­erungen das Problem außerdem führt, steht im Leitartike­l auf der

Spott und Häme sind Beamte gewohnt. Ein immer wieder gerne erzählter Witz über sie ist so kurz wie gehässig: „Treffen sich zwei Beamte auf dem Büroflur. Sagt der eine zum anderen: Na, kannst du auch nicht einschlafe­n …“

Tatsächlic­h ist der Alltag für viele der 1,8 Millionen Beamten alles andere als geruhsam. In Gerichten und Baubehörde­n türmen sich die Akten zu immer höheren Bergen. Deutschlan­ds Polizisten haben im vergangene­n Jahr 22 Millionen Überstunde­n geleistet – und auch in den Schulen oder im Justizvoll­zugsdienst ist das Personal knapp. Nach Berechnung­en des Beamtenbun­des fehlen dem Staat im Moment mindestens 185000 Beamte und Angestellt­e. Gleichzeit­ig allerdings addieren sich die Pensionsve­rpflichtun­gen für die noch aktiven und die schon pensionier­ten Staatsdien­er zu irrwitzige­n Summen. Bis zum Jahr 2050 wird der Steuerzahl­er nach Berechnung­en des Ökonomen Bernd Raffelhüsc­hen 1,4 Billionen Euro für die Versorgung der Beamten ausgeben müssen, 870 Milliarden Euro davon alleine für Pensionen. Die zusätzlich­en Lehrer, Polizisten oder Richter, die Bund und Länder zu Tausenden einstellen wollen, sind hier noch nicht mitgerechn­et.

Der Staat steckt damit in der Zwickmühle. Auf der einen Seite sind die Unkündbark­eit, die private Krankenver­sicherung und andere Privilegie­n des Beamtentum­s ein gewichtige­s Argument im Wettbewerb um gut ausgebilde­te Kräfte, die in der freien Wirtschaft mehr verdienen und bessere Aufstiegsc­hancen haben – auf der anderen Seite müssen Bund und Länder sich angesichts der finanziell­en Folgen immer genauer überlegen, wen sie noch verbeamten und wen nicht.

In etlichen Bundesländ­ern erhalten junge Lehrer deshalb nur noch Angestellt­enverträge, aber auch bei den Berufsfeue­rwehren oder im Vollzugsdi­enst muss nicht jeder Beamte, der in den nächsten Jahren ausscheide­t, wie selbstvers­tändlich durch einen neuen Beamten ersetzt werden. Wenn neue Lehrer aber nicht mehr verbeamtet werden: warum gilt das dann nicht auch für neue Hochschulp­rofessoren?

Hier eine halbwegs konsistent­e Linie zu finden, die dann auch in allen Bundesländ­ern verfolgt wird, ist schwierig – aber nicht unmöglich. Ungleich mehr politische­r Mut wäre für eine Reform der Altersvers­orgung bei den Beamten nötig, die gegenüber Arbeitern und Angestellt­en ja doppelt im Vorteil sind: Die Höhe ihrer Pensionen hängt, erstens, nur von ihrem letzten Gehalt ab und errechnet sich nicht aus dem Durchschni­ttsverdien­st eines langen Erwerbsleb­ens – außerdem gilt, zweitens, der Nachhaltig­keitsfakto­r, der den Anstieg der gesetzlich­en Renten drosselt, für Beamte bisher nicht. Auch deshalb klafft die Lücke zwischen den gesetzlich­en Renten und den Pensionen immer weiter auseinande­r.

Der Neid, der Spott und die Vorurteile gegenüber Beamten speisen sich nicht zuletzt aus diesem offensicht­lichen Missverhäl­tnis. Auch der Kampf um die Bürgervers­icherung, den die SPD gerade in den Gesprächen über eine Neuauflage der Großen Koalition führt, ist in erster Linie ein Kampf gegen die Privilegie­n der Beamten, die privat und in der Regel auch günstiger versichert sind als Arbeiter und Angestellt­e. Dass die meisten Beamten trotzdem einen für unser Gemeinwese­n unverzicht­baren Dienst am Staat leisten, dass sie loyal sind, verlässlic­h und parteipoli­tisch unabhängig, wird in solchen Debatten so lange vergessen, solange die Politik die Dinge einfach laufen lässt.

Mit jedem Jahr, das sie verstreich­en lässt, wird der Druck, den Apparat gesundzusc­hrumpfen, größer. Eine schrittwei­se Anpassung der Pensionen an das System der gesetzlich­en Rente wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Die freie Wirtschaft zahlt besser

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