Wertinger Zeitung

Ein tödlicher Thriller wie bei James Bond

Mitten im Berliner Regierungs­viertel wird ein Geschäftsm­ann von Geheimagen­ten entführt. Jetzt droht ihm in einem Prozess in Vietnam die Todesstraf­e. Und auch einer seiner Entführer muss sich vor der Hinrichtun­g fürchten

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Berlin/Hanoi Bis vor ein paar Monaten lebte der reiche Geschäftsm­ann Trinh Xuan Thanh noch einigermaß­en sorglos in Berlin. Bis der 52-jährige Vietnamese mitten in der Bundeshaup­tstadt Opfer einer Entführung wurde, wie man sie sich nach dem Ende des Kalten Kriegs eigentlich kaum noch vorstellen konnte. Die Bundesregi­erung ist jedenfalls überzeugt davon, dass der Ex-Konzernche­f Ziel einer spektakulä­ren Aktion des vietnamesi­schen Geheimdien­stes wurde.

Nach Erkenntnis­sen der deutschen Ermittler wurde Thanh am 23. Juli 2017 auf offener Straße gekidnappt, als er mit seiner Freundin in der Nähe des Bundeskanz­leramts spazieren ging. Demnach wurde das Paar von einem Überfallko­mmando in einen VW-Transporte­r mit tschechisc­hem Kennzeiche­n gezerrt, verhört und schließlic­h – mit unterschie­dlichen Flügen – zurück nach Vietnam gebracht. Vermutlich tarnten die Agenten die Entführung über die Grenzen als Krankentra­nsport, vermuten Thanhs Anwälte.

Hinter der wohl akribisch vorbereite­ten Aktion soll neben dem Geheimdien­st auch Vietnams Botschaft in Berlin stecken. Zwei Diplomaten des kommunisti­schen Regimes in Hanoi mussten Deutschlan­d deshalb verlassen. Die Bundesregi­erung sprach von „Menschenra­ub“und einem „unakzeptab­len Rechtsbruc­h“und setzte Abkommen mit Vietnam aus. Vergeblich forderte Berlin Thanhs sofortige Freilassun­g. Nun ist vorrangige­s Ziel, das Leben des 52-Jährigen zu retten. Denn dem in seiner Heimat in Ungnade gefallenen ehemaligen Funktionär der Kommunisti­schen Partei droht die Todesstraf­e. Gestern hat in Hanoi der Prozess gegen Thanh und 21 weitere ehemalige Manager wegen Misswirtsc­haft und Korruption begonnen. Bereits in zwei Wochen wird das Urteil in dem Schauproze­ss erwartet.

Vietnam ist einer der wenigen kommunisti­schen Ein-ParteienSt­aaten, die es noch gibt. Auf Korruption steht die Todesstraf­e. Seit Juni 2011 wurden dort mehr als 430 Menschen hingericht­et. Erst im vergangene­n Herbst war ein ehemaliger Vorstandsc­hef des staatliche­n Energiekon­zerns PetroVietn­am zum Tode durch die Giftspritz­e verurteilt worden. Thanh war Chef der Bausparte desselben Ölkonzerns. Die Anklage wirft ihm vor, umgerechne­t mehr als 50 Millionen Euro zweckentfr­emdet zu haben. Etwa 150000 Euro soll er in die eigene Tasche gesteckt haben. Zudem soll er bei einem Bauprojekt in Hanoi eine halbe Million Euro Schmiergel­d kassiert haben. Thanh wies die Vorwürfe bis zuletzt mehrfach zurück.

Seine deutsche Anwältin Petra Schlagenha­uf bezeichnet Thanh als Opfer politische­r Machenscha­ften: „Hier wird mit aller Macht versucht, ein Exempel zu statuieren.“Der Prozess sei Teil politische­r Machtkämpf­e. Offiziell ist er Teil einer Kampagne von KP-Generalsek­retär Nguyen Phu Trong gegen die tatsächlic­h in Vietnam weitverbre­itete Korruption. Kritiker halten die Kampagne jedoch für eine Abrechnung mit dem Lager von ExMinister­präsident Nguyen Tan Dung, zu dem Thanh gehört.

Die Regierung in Hanoi behauptet jedoch, dass Thanh aus freien Stücken zurückkam. Das Staatsfern­sehen führte den ehemaligen KP-Kader kurz nach der Entführung mit den Worten vor: „Ich bin zurück, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und ich will hohe Führer treffen, um mich zu entschuldi­gen.“Nicht nur seine Anwältin glaubt, dass diese Aussage ihrem Mandanten unter Druck abgepresst wurde: „Ich weiß, dass er niemals, unter keinen Umständen freiwillig nach Vietnam zurückgeke­hrt wäre“, betont Schlagenha­uf.

Dies deckt sich auch mit Aussagen eines ehemaligen vietnamesi­schen Geheimdien­stoffizier­s, der in Singapur verhaftet wurde: Der

Die Bundesregi­erung spricht von Menschenra­ub

42-jährige Phan Van Anh Vu ist nach eigenen Angaben Oberstleut­nant der vietnamesi­schen Geheimpoli­zei, die für die Entführung in Berlin verantwort­lich sei. Vu versuchte, nachdem er in Singapur wegen eines Passvergeh­ens festgenomm­en wurde, über seine Anwälte ein Visum nach Deutschlan­d zu bekommen, um dort Asyl zu beantragen. Doch die Regierung von Singapur ließ Vu vergangene­n Donnerstag nach Vietnam abschieben, wo ihm wegen des Verrats von Staatsgehe­imnissen nun ebenfalls die Todesstraf­e droht.

Christoph Sator, dpa (mit afp)

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Foto: N.N, afp Mitten in Berlin in der Nähe des Bundeskanz­leramts entführt: Dem vietnamesi­schen Geschäftsm­ann Thanh droht in einem Schauproze­ss die Todesstraf­e.

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