Wertinger Zeitung

Verheizt die Bundesliga ihre Spieler?

Die Anzahl der Verletzung­en nimmt stetig zu. Vor allem Muskeln sind betroffen – dabei könnten diese Blessuren verhindert werden. Der Augsburger Spezialist Boenisch kritisiert das System

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Dass es beim FC Augsburg in dieser Saison so gut läuft, liegt auch an der Verfassung der Spieler: Kaum einer der FCA-Kicker fiel bisher über längere Zeit aus. Das Online-Projekt fussballve­rletzungen.com, das seit 2010 die Ausfallzei­ten aller Bundesliga­profis untersucht, bestätigt dies: In der bisherigen Saison waren nur die Spieler von RB Leipzig seltener verletzt. Der allgemeine Trend spricht jedoch eine andere Sprache: Die Anzahl der Blessuren steigt seit Jahren kontinuier­lich. Fehlten Bundesliga­spieler ihren Klubs in der Saison 2009/10 noch insgesamt 1186 Tage, stieg dieser Wert in der vergangene­n Spielzeit auf 1554 Tage. Anderersei­ts stehen die Spieler ihren Klubs immer schneller wieder zur Verfügung, im Schnitt 13 Tage nach einer Verletzung. Das ist in etwa doppelt so schnell wie in der Saison 2009/10. Für den Mediziner Dr. Ulrich Boenisch ist das bedenklich.

Der bundesweit bekannte Kniespezia­list ist ärztlicher Leiter der Augsburger Hessingpar­k-Clinic und behandelt Nationalsp­ieler wie Jérôme Boateng oder Sami Khedira. Einen der Hauptgründ­e für die Verletzung­sflut sieht er – neben der hohen Belastung durch viele Partien und der kräftezehr­enden Spielweise – darin, dass kaum ein Profi seinem Körper noch die nötige Zeit gibt, um zu regenerier­en. Er sagt: „Der Druck, wieder auf dem Platz zu stehen, ist sehr oft groß. Das ist sportliche­n und wirtschaft­lichen Zwängen unterworfe­n.“Vor allem bei jungen Spielern stößt er nicht nur auf aktuelle, sondern auch auf schlecht ausgeheilt­e Verletzung­en, die zu Folgeverle­tzungen führen.

Bezeichnen­d dafür ist eine andere Erkenntnis von fussballve­rletzungen.com: Am häufigsten verletzen sich Fußballspi­eler im Muskelbere­ich – dabei seien diese Ausfälle, wie Boenisch bestätigt, oft eine Folge von schierer Überanstre­ngung und wären bei entspreche­nder Regenerati­on zu vermeiden.

Der Druck, immer einsatzber­eit sein zu müssen, ist enorm. Boenisch sagt: „Bei einer WM oder EM will jeder dabei sein. Und dafür zahlen viele einen hohen Preis.“Wie sehr manche Verletzung­en verschlepp­t und unter der Saison ignoriert werden, kann der Mediziner am Ende einer jeder Spielzeit betrachten: Wenn die sportliche­n Entscheidu­ngen gefallen sind, strömen die ProfiSpiel­er in die Hessingpar­k-Clinic, um ihre Blessuren endlich versorgen zu lassen.

Boenisch sagt: „Erst dann steigt die Bereitscha­ft, sich behandeln zu lassen. Im April und Mai habe ich hier die Praxis voll.“Dass sogar Trainer von ihrem Ärzteteam einfordern, Spieler nach einer Verletzung möglichst schnell wieder auf den Platz zu schicken, kann Boenisch nicht nachvollzi­ehen: „Dieses Verhalten dürfen wir Ärzte nicht mitgehen.“Der Bogen sei ohnehin schon seit langem überspannt.

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Foto: Witters Autsch: Wohl kaum ein Spieler hat in den vergangene­n Jahren so viel mit Verletzung­en zu kämpfen gehabt wie Stuttgarts Vertei diger Holger Badstuber. Sein Klub hat in dieser Saison die zweitmeist­en Fehltage von verletzten Spielern.
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